„Früh ins Bett ist auch eine Haltung“
Der Dramatiker Michel Decar hat das Stück „Philipp Lahm“geschrieben. Der fiktive Fußballspieler ist das Symbol für ein Leben ohne Skandale – raffiniert, diese Provokation
Wohin man auch schaut: Konflikte. Jedenfalls, wenn man die Nachrichten sieht oder wenn man ins Theater geht. Aber ist dieses Leben tatsächlich so unharmonisch, streitet man sich wirklich fortlaufend durch die Tage und Wochen? Genau da setzt der junge aus Augsburg stammende Dramatiker Michel Decar in seinem Stück „Philipp Lahm“an. Er präsentiert den AntiHelden aller Spannung, Dramatik und Verwerfung. Seine Titelfigur freut sich über Maracujasaftschorle und weiße Nussschokolade. Wenn seine Schwester in der Disco blöd angemacht wird, regelt Philipp Lahm das nicht mit Fäusten, sondern mit Worten: „Wir haben die Sache ganz ruhig besprochen, er hat eingesehen, dass man so was nicht sagen darf, und sich entschuldigt“.
Im Marstall des Münchner Residenztheaters wurde das Stück am Samstag uraufgeführt. Decar hätte für diese Idee keine bessere Figur erfinden können. Philipp Lahm, der deutsche Muster-Profi, der sich immer unter Kontrolle hatte, nie durch Eskapaden auffiel, der es sogar fertigbrachte, rechtzeitig abzutreten. Und alle, die sich vorab von dieser Uraufführung ein spannendes Stück rund um die Weltmeister-Biografie versprachen, saßen einem Wunschtraum auf: Etwas Spannendes von und mit Philipp Lahm?
Mit Biografischem setzt sich Decar in seinem Stück nicht auseinander, er erschafft eine Kunstfigur, die auch Fußballspieler ist, das Interesse gilt aber dem Typ Mensch: dem Skandallosen oder – anders gesagt – dem ganz Normalen. Oder mit dem Bühnen-Lahm gesprochen: „Fern- und früh ins Bett gehen ist auch eine Haltung.“An der Stelle, an der der Dramatiker im Stück sich selbst zu Wort meldet, ist die Idee des Abends zu hören: „Lasst uns den ganzen Zwist herunterschlucken, lasst uns diese Sehnsucht nach Streit und Gewalt begraben. Lasst uns für eine friedfertige Dramaturgie eintreten.“
Decar provoziert, in dem er sich auf der Bühne für Harmonie starkmacht. In diesen Momenten zeigt das Stück seine Raffinesse. Woher rührt das, dass in den Erzählungen immer Dramatik verlangt wird? Inwieweit passen die Erzählungen von der Welt tatsächlich zum Leben der Menschen? Und wie kann man mit Harmonie provozieren? Von Philipp Lahm kann man spielend leicht den Bogen zu Angela Merkel und der Wut spannen, den sie in Teilen der Bevölkerung entfacht.
Der echte Philipp Lahm hat die Münchner Uraufführung nicht besucht. Er hätte Gunther Eckes als sein Alter Ego gesehen, der mit eisehen nem unerschütterlichen Optimismus und einer bescheidenen Zufriedenheit diesen Bühnen-Lahm gegeben hat. All die Abgründe, die man sonst mit Theater verbindet, hat Regisseur Robert Gerloff in die Video-Animationen gepackt. Der Bühnen-Lahm hat sich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen. Langer Applaus! O
am 21. Dezember und am 2., 10. und 17. Januar im Münchner Marstall
Die Buchbranche wehrt sich gegen Pläne des Magazins Spiegel, die Nutzung des „Spiegel-Bestseller“-Siegels kostenpflichtig zu machen. „Wie es aussieht, haben die Hamburger die Rechnung ohne ihre Partner gemacht“, schreibt der Chefredakteur des Fachmagazins boersenblatt.net, Torsten Casimir, unter Berufung auf zahlreiche Verlage in der Online-Ausgabe des Börsenblatts für den Deutschen Buchhandel. „Die Reaktionen der Buchbranche fallen selten so deutlich und noch seltener so einhellig aus wie in diesem Fall.“
Vergangene Woche hatte das Hamburger Magazin mitgeteilt, die Nutzung seines Logos ab Anfang 2018 kostenpflichtig machen zu wollen. Laut Casimir sollen die Verlage, die ihre Bestseller mit der Medienmarke Spiegel vermarkten wollen, künftig 250 Euro pro Titel für die Verwendung der Logos in Vorschauen, Werbemitteln und Anzeigen bezahlen, außerdem noch einmal 250 Euro für die Aufbringung auf Buchcovern.
Das Börsenblatt zitiert Vertreter des Schweizer Diogenes Verlags: „Diogenes wird nicht für die Nutzung der Logos bezahlen und wird die Logos auch nicht nutzen“, heißt es dort laut Bericht. Annette Beetz, Geschäftsführerin Marketing und Vertrieb der Verlagsgruppe Random House, nennt die Vorstellungen aus Hamburg „nicht akzeptabel“. Für die Münchner würden sich jährliche Mehrkosten von einer Million Euro ergeben. (kna)