Was vom Reformationsjahr bleibt
In Burtenbach diskutieren die Politiker Theo Waigel und Günther Beckstein mit Geistlichen. Und stellen fest, wo die Konfessionen noch voneinander lernen können
Es wurde nicht um den heißen Brei herumgeredet. Es war zwar viel von Annäherung und Fortschritt die Rede. Doch es wurde auch offen darüber gesprochen, was Katholiken und Protestanten noch immer trennt. Und darüber, was in der Zukunft zu verändern und zu verbessern wäre, damit sich die beiden großen christlichen Kirchen noch näher kommen. Was bleibt vom Jubiläumsjahr „500 Jahre Reformation“? Darüber diskutierten in der voll besetzten evangelischen Kirche in Burtenbach Dekanin Gabriele Burmann, der Augsburger Prälat Bertram Meier, der frühere Bundesfinanzminister und CSU-Vorsitzende Theo Waigel sowie der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein.
Es war die erste gemeinsame Veranstaltung von CSU-Kreisverband und evangelischer Kirche, wie der CSU-Kreisvorsitzende Alfred Sauter in seiner Begrüßung sagte. Anregender kann eine Premiere kaum sein. Die gut einstündige Diskussion leitete Pfarrer Peter Gürth aus Burgau. Er teilte die Fragerunde in zwei Themenkomplexe ein: Was waren die persönlichen Höhepunkte der Diskussionsteilnehmer im Jubiläumsjahr? Und was sollten Katholiken und Protestanten voneinander lernen, um auf dem Weg der Ökumene weiter voranzukommen?
Die Redner waren sich einig: Das Jubiläumsjahr habe die beiden Konfessionen, aber auch die verschiedenen Strömungen der evangelischen Christen, näher zueinander gebracht. Bei gemeinsamen Gottesdiensten, Gebeten oder Friedensfesten. Dabei habe, so Prälat Meier, eine „Befreundung“stattgefunden, die der Ökumene „neuen Rückenwind“gebe. Bei Buß- und Versöhnungsgottesdiensten sei der Frage nachgegangen worden, „was sich Katholiken und Protestanten gegenseitig angetan haben, erklärte Dekanin Burmann. In früheren Jubiläumsjahren seien „die Gräben vertieft worden“, in diesem Jahr sei auf vielfältige Weise „ein großes gemeinsames Christusfest“gefeiert worden, betonte Beckstein.
Theo Waigel und Alfred Sauter erinnerten daran, wie kritisch bis unversöhnlich Katholiken und Protestanten in ihrer Jugend noch miteinander umgegangen seien. Waigel: „Wenn ich das mit heute ver- gleiche, hat sich unglaublich vieles vollzogen“. Beide Konfessionen könnten inzwischen „in Einheit leben, aber das eine oder andere muss noch dazukommen“.
Günther Beckstein wollte „nicht nur die rosarote Brille“aufsetzen. In Fragen der Dogmatik, etwa beim gemeinsamen Abendmahl, hätte er sich wenigstens kleinere Fortschritte erhofft. Bedauerlich sei auch, dass beide Kirchen bei ethischen Fragen – etwa der Ehe für alle oder beim Schutz des Lebens – nicht mit einer Zunge reden. Das mindere das Gewicht der Kirchen in Politik und Gesellschaft. Selbstkritisch wies Prälat Meier auf Defizite in der katholischen Kirche hin. Er wünschte sich, wie bei den Protestanten, „eine stärkere Betonung des Gewissens als Stimme Gottes“. Er sehe auch eine gewisse Gefahr, dass sich seine Kirche im Beharren auf Traditionen „zwischen den Einzelnen und Gott“stelle. Leider sei selbst bei jungen katholischen Geistlichen in mancherlei Hinsicht „eine Retrowelle“zu beobachten. Stattdessen müsse die Frage gestellt werden: „Wie evangeliumstreu sind wir?“
Umgekehrt wünschte sich Günther Beckstein mehr Spiritualität in der evangelischen Kirche, der katholischen Kirche empfahl er einen Abbau der Hierarchien. Theo Waigel betonte, er habe als Katholik von der evangelischen Kirche das Prinzip „der Freiheit und Souveränität des Christenmenschen“gelernt, außerdem den Mut, sich zu seiner Unvollkommenheit und zu seinen Fehlern zu bekennen. Was er vermutlich nicht mehr erleben werde, so Waigel, sei die überfällige Abschaffung des Zölibats.
Umrahmt wurde der Abend mit Liedern von Martin Luther, an der Orgel begleitet von Marlene Baader. Zu Beginn hatte Pfarrer Norbert W. Riemer in einem, wie er sagte, „Parforceritt“über die Geschichte des evangelischen Ortes Burtenbach – beginnend mit Sebastian Schertlin im 16. Jahrhundert – inmitten einer katholischen Markgrafschaft Burgau referiert. Burtenbach war jahrzehntelang Schauplatz kleinkarierter Kleinkriege zwischen den Konfessionen, der große Glaubenskrieg fand lange nach Schertlins Tod im Dreißigjährigen Krieg statt. Die Zeiten sind in Deutschland vorbei. Fanatische Auseinandersetzungen zwischen Religionen finden in anderen Regionen der Welt statt.
Die Anti-AtomOrganisationen Ausgestrahlt und Umweltinstitut München haben 40 183 Unterschriften an Georg Nüßlein, den stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, überreicht. Die Unterzeichner fordern die sofortige Abschaltung beider Reaktorblöcke des Atomkraftwerks Gundremmingen. Für den Fall des Zustandekommens einer großen Koalition im Bund, aber auch als regierende Partei in Bayern liege die Verantwortung für die Abschaltung bei der CSU.
„Die Siedewasserreaktoren in Gundremmingen sind ein unverantwortliches Risiko. Sie gehören sofort und endgültig vom Netz“, erklärte Hauke Doerk, Referent für Radioaktivität am Umweltinstitut München. Das sehe laut einer aktuellen Umfrage auch die Mehrheit der bayerischen Bevölkerung so. Jochen Stay, Sprecher von Ausgestrahlt schließt sich dieser an: „Wenn Ende des Jahres Block B abgeschaltet wird, sollte auch Block C seinen Betrieb einstellen, statt wie vorgesehen noch vier weitere Jahre wie ein Damokles-Schwert die Bevölkerung zu bedrohen.“
Block B wird zum Jahresende stillgelegt, Block C soll bis 2021 laufen. Die Atomkraftgegner beziehen sich auch auf ein Gutachten, das ihrer Ansicht nach Sicherheitsmängel nachweist, Betreiber und Behörden sehen das aber anders. Kritik gibt es auch wegen fehlerhafter Brennelemente. Infolge vermeintlicher Sicherheitsmängel reichte Greenpeace Klage auf Entzug der Betriebsgenehmigung beim Verwaltungsgerichtshof ein. (az)