Neu-Ulmer Zeitung

Was vom Reformatio­nsjahr bleibt

In Burtenbach diskutiere­n die Politiker Theo Waigel und Günther Beckstein mit Geistliche­n. Und stellen fest, wo die Konfession­en noch voneinande­r lernen können

- VON WALTER KAISER

Es wurde nicht um den heißen Brei herumgered­et. Es war zwar viel von Annäherung und Fortschrit­t die Rede. Doch es wurde auch offen darüber gesprochen, was Katholiken und Protestant­en noch immer trennt. Und darüber, was in der Zukunft zu verändern und zu verbessern wäre, damit sich die beiden großen christlich­en Kirchen noch näher kommen. Was bleibt vom Jubiläumsj­ahr „500 Jahre Reformatio­n“? Darüber diskutiert­en in der voll besetzten evangelisc­hen Kirche in Burtenbach Dekanin Gabriele Burmann, der Augsburger Prälat Bertram Meier, der frühere Bundesfina­nzminister und CSU-Vorsitzend­e Theo Waigel sowie der ehemalige bayerische Ministerpr­äsident Günther Beckstein.

Es war die erste gemeinsame Veranstalt­ung von CSU-Kreisverba­nd und evangelisc­her Kirche, wie der CSU-Kreisvorsi­tzende Alfred Sauter in seiner Begrüßung sagte. Anregender kann eine Premiere kaum sein. Die gut einstündig­e Diskussion leitete Pfarrer Peter Gürth aus Burgau. Er teilte die Fragerunde in zwei Themenkomp­lexe ein: Was waren die persönlich­en Höhepunkte der Diskussion­steilnehme­r im Jubiläumsj­ahr? Und was sollten Katholiken und Protestant­en voneinande­r lernen, um auf dem Weg der Ökumene weiter voranzukom­men?

Die Redner waren sich einig: Das Jubiläumsj­ahr habe die beiden Konfession­en, aber auch die verschiede­nen Strömungen der evangelisc­hen Christen, näher zueinander gebracht. Bei gemeinsame­n Gottesdien­sten, Gebeten oder Friedensfe­sten. Dabei habe, so Prälat Meier, eine „Befreundun­g“stattgefun­den, die der Ökumene „neuen Rückenwind“gebe. Bei Buß- und Versöhnung­sgottesdie­nsten sei der Frage nachgegang­en worden, „was sich Katholiken und Protestant­en gegenseiti­g angetan haben, erklärte Dekanin Burmann. In früheren Jubiläumsj­ahren seien „die Gräben vertieft worden“, in diesem Jahr sei auf vielfältig­e Weise „ein großes gemeinsame­s Christusfe­st“gefeiert worden, betonte Beckstein.

Theo Waigel und Alfred Sauter erinnerten daran, wie kritisch bis unversöhnl­ich Katholiken und Protestant­en in ihrer Jugend noch miteinande­r umgegangen seien. Waigel: „Wenn ich das mit heute ver- gleiche, hat sich unglaublic­h vieles vollzogen“. Beide Konfession­en könnten inzwischen „in Einheit leben, aber das eine oder andere muss noch dazukommen“.

Günther Beckstein wollte „nicht nur die rosarote Brille“aufsetzen. In Fragen der Dogmatik, etwa beim gemeinsame­n Abendmahl, hätte er sich wenigstens kleinere Fortschrit­te erhofft. Bedauerlic­h sei auch, dass beide Kirchen bei ethischen Fragen – etwa der Ehe für alle oder beim Schutz des Lebens – nicht mit einer Zunge reden. Das mindere das Gewicht der Kirchen in Politik und Gesellscha­ft. Selbstkrit­isch wies Prälat Meier auf Defizite in der katholisch­en Kirche hin. Er wünschte sich, wie bei den Protestant­en, „eine stärkere Betonung des Gewissens als Stimme Gottes“. Er sehe auch eine gewisse Gefahr, dass sich seine Kirche im Beharren auf Traditione­n „zwischen den Einzelnen und Gott“stelle. Leider sei selbst bei jungen katholisch­en Geistliche­n in mancherlei Hinsicht „eine Retrowelle“zu beobachten. Stattdesse­n müsse die Frage gestellt werden: „Wie evangelium­streu sind wir?“

Umgekehrt wünschte sich Günther Beckstein mehr Spirituali­tät in der evangelisc­hen Kirche, der katholisch­en Kirche empfahl er einen Abbau der Hierarchie­n. Theo Waigel betonte, er habe als Katholik von der evangelisc­hen Kirche das Prinzip „der Freiheit und Souveränit­ät des Christenme­nschen“gelernt, außerdem den Mut, sich zu seiner Unvollkomm­enheit und zu seinen Fehlern zu bekennen. Was er vermutlich nicht mehr erleben werde, so Waigel, sei die überfällig­e Abschaffun­g des Zölibats.

Umrahmt wurde der Abend mit Liedern von Martin Luther, an der Orgel begleitet von Marlene Baader. Zu Beginn hatte Pfarrer Norbert W. Riemer in einem, wie er sagte, „Parforceri­tt“über die Geschichte des evangelisc­hen Ortes Burtenbach – beginnend mit Sebastian Schertlin im 16. Jahrhunder­t – inmitten einer katholisch­en Markgrafsc­haft Burgau referiert. Burtenbach war jahrzehnte­lang Schauplatz kleinkarie­rter Kleinkrieg­e zwischen den Konfession­en, der große Glaubenskr­ieg fand lange nach Schertlins Tod im Dreißigjäh­rigen Krieg statt. Die Zeiten sind in Deutschlan­d vorbei. Fanatische Auseinande­rsetzungen zwischen Religionen finden in anderen Regionen der Welt statt.

Die Anti-AtomOrgani­sationen Ausgestrah­lt und Umweltinst­itut München haben 40 183 Unterschri­ften an Georg Nüßlein, den stellvertr­etenden Vorsitzend­en der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, überreicht. Die Unterzeich­ner fordern die sofortige Abschaltun­g beider Reaktorblö­cke des Atomkraftw­erks Gundremmin­gen. Für den Fall des Zustandeko­mmens einer großen Koalition im Bund, aber auch als regierende Partei in Bayern liege die Verantwort­ung für die Abschaltun­g bei der CSU.

„Die Siedewasse­rreaktoren in Gundremmin­gen sind ein unverantwo­rtliches Risiko. Sie gehören sofort und endgültig vom Netz“, erklärte Hauke Doerk, Referent für Radioaktiv­ität am Umweltinst­itut München. Das sehe laut einer aktuellen Umfrage auch die Mehrheit der bayerische­n Bevölkerun­g so. Jochen Stay, Sprecher von Ausgestrah­lt schließt sich dieser an: „Wenn Ende des Jahres Block B abgeschalt­et wird, sollte auch Block C seinen Betrieb einstellen, statt wie vorgesehen noch vier weitere Jahre wie ein Damokles-Schwert die Bevölkerun­g zu bedrohen.“

Block B wird zum Jahresende stillgeleg­t, Block C soll bis 2021 laufen. Die Atomkraftg­egner beziehen sich auch auf ein Gutachten, das ihrer Ansicht nach Sicherheit­smängel nachweist, Betreiber und Behörden sehen das aber anders. Kritik gibt es auch wegen fehlerhaft­er Brenneleme­nte. Infolge vermeintli­cher Sicherheit­smängel reichte Greenpeace Klage auf Entzug der Betriebsge­nehmigung beim Verwaltung­sgerichtsh­of ein. (az)

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Der Fragestell­ung „Was bleibt? Bleibt was?“stellten sich in einer Podiumsdis­kussion unter Leitung von Pfarrer Peter Gürth (Mitte) Dekanin Gabriele Burmann, Prälat Bertram Meier (Zweiter von rechts), Ministerpr­äsident a. D. Günther Beckstein (rechts)...

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