Neu-Ulmer Zeitung

In Santander findet die Zukunft statt

Die spanische Stadt ist anderen Metropolen um Jahre voraus. Dort ist die technische Revolution weit fortgeschr­itten. Doch wie funktionie­rt die „Smart City“?

- VON RALPH SCHULZE

Viele Städte in Europa verspreche­n seit Jahren vollmundig, sich in „Smart Cities“zu verwandeln. In digitalisi­erte urbane Lebensräum­e, in denen neueste Informatio­nstechnik hilft, die Stadt nachhaltig­er, umweltfreu­ndlicher, staufreier und in jeder Hinsicht effiziente­r zu machen. Meist wurden bisher aber nur kleinere Schritte gemacht. Im spanischen Santander ist die technologi­sche Revolution derweil schon weit vorangesch­ritten – die Küstenstad­t erwarb sich den Ruf, einer der intelligen­testen Orte Europas zu sein.

Mülltonnen, Grünanlage­n und Straßenlat­ernen sind in Santander klüger als anderswo: Die Abfallcont­ainer melden sich bei der Zentrale, wenn sie nahezu voll sind – worauf sich ein Müllfahrze­ug zu ihnen auf den Weg macht. Öffentlich­e Parks, die in regenarmen Zeiten Wasserbeda­rf verspüren, aktivieren selbststän­dig die Beregnungs­anlage. Und Straßenleu­chten schalten spät in der Nacht automatisc­h in den Energiespa­rmodus, wenn weit und breit kein Fußgänger oder Auto in Sicht ist.

Santander ist Spaniens digitale Musterstad­t, die von Expertengr­uppen aus aller Welt besucht wird. So begrüßte Bürgermeis­terin Gema Igual in den letzten Monaten zum Beispiel Delegation­en aus Japan, der Türkei und aus Deutschlan­d. Ihre Atlantik liegende Badestadt, die früher vor allem wegen ihres milden Klimas, der Traumwelle­n und der schönen Strände den spanischen Adel anzog, habe sich heute zu „einem wahrhaftig­en urbanen Labor“entwickelt, sagt die Bürgermeis­terin stolz.

Ein Stadtlabor, in dem neue Technologi­en ausprobier­t werden – mit dem Ziel, „das Leben unserer Bürger zu erleichter­n“. Auch die heimische Wirtschaft profitiere von dieser städtische­n Informatik­revolution: Die Digitalisi­erung diene als Wachstumsm­otor der Stadt, in der 175000 Menschen leben und in der Spaniens größtes Geldinstit­ut, die Banco Santander, ihren Sitz hat. Bürgermeis­terin Gema Igual: „Santander ist für andere Städte zu einer Referenz geworden, weil wir Pioniere sind.“

Natürlich gibt es in Santander auch ein Parkleitsy­stem, mit dem im Jahr 2010 die Fahrt in die Zukunft begann. Sensoren im Straßenpfl­aster melden, ob über ihnen gerade ein Fahrzeug steht oder nicht. Wenn der Platz frei ist, funken sie dies binnen Sekunden an die Datenzentr­ale. Per Parkplatz-App auf dem Smartphone und mit digitalen Anzeigetaf­eln am Straßenran­d werden Autofahrer dann zu den freien Parkplätze­n am Straßenran­d oder in Parkhäuser­n gelotst.

Gerade erst bescheinig­te die Studie „Perspektiv­en der spanischen Smart Cities“, die von der Unter- nehmensber­atung KPGM und Siemens erarbeitet wurde, dass mit der urbanen Digitalisi­erung viel Geld und Energie gespart werden kann. Die Experten beziffern den langfristi­gen Spareffekt durch effiziente­re Verwaltung des städtische­n Wasserund Stromverbr­auchs, der Müllverarb­eitung oder des Verkehrsau­fkommens auf bis zu 60 Prozent. Auch die Umweltbila­nz lasse sich mit dem Einsatz modernster Technologi­en deutlich verbessern.

Dank dieser Erkenntnis wurde Santander zur Stadt der Sensoren: Rund 12000 digitale Messfühler sind in dem Ort verteilt. Viele dieser Sender sind in schuhkarto­ngroßen Kästen mit Antennen versteckt, die an Masten, Laternen und Fassaden kleben. Auch Polizeiwag­en, Taxis und städtische Busse sind mit datensamme­lnden Geräten ausgestatt­et. Wetterinfo­s, Luftqualit­ät, Lärmbeam lastung, Verkehrsdi­chte, Lichtverhä­ltnisse – der Zentralcom­puter wird mit allem, was der Stadt und ihren Bürgern nützlich sein kann, gefüttert.

Natürlich ist eine „Smart City“nur richtig smart, wenn ihre Bewohner mitmachen und zu „Smart Bürgern“werden. Für die „Santanderi­nos“, wie die Menschen hier heißen, gibt es jede Menge Applikatio­nen, mit denen sie den Datenstrom nutzen können, um sich über die Verkehrsla­ge, Umweltsitu­ation oder das Wetter zu informiere­n. Wer zum Beispiel wissen will, wann an einer bestimmten Haltestell­e der nächste Bus kommt, der muss nur auf seinem Handy die Anwendung „Smart Santander“aktivieren. Die App findet dann mit GPS-Hilfe heraus, wo der Bürger steht und teilt ihm die Abfahrtsze­it mit.

Besonders eifrig benutzen die Santanderi­nos übrigens eine Smartphone-Anwendung, mit der sie den städtische­n Beamten Beine machen können: Sehen die Bürger irgendwo in ihrer Stadt ein Schlagloch im Straßenbel­ag, eine Stolperfal­le auf dem Bürgerstei­g oder eine kaputte Straßenlam­pe, können sie gleich mit der App „Der Puls der Stadt“eine Schadensme­ldung samt Foto abschicken. Ganz öffentlich und sichtbar für alle.

Online kann dann die gesamte „Smart City“verfolgen, was die Verantwort­lichen unternehme­n, um das Ärgernis zu beheben. TV-Moderator Thomas Gottschalk hat sichtlich Spaß an der Vorweihnac­htszeit – und lässt sich diesen weder von den Waldbrände­n noch von kleinen Meinungsve­rschiedenh­eiten verderben. Auf Twitter postet der 67-Jährige seit voriger Woche täglich Einblicke in seine Festtagsvo­rbereitung­en im kalifornis­chen Malibu. Seinen ersten Weihnachts-Post twitterte Gottschalk am Donnerstag. „Zurück in LA. Der Christbaum ist angezündet und der Wald brennt gleich mit. Schöne Bescherung!“, schrieb der frühere „Wetten, dass ..?“-Moderator zu einem Bild von den schweren Waldbrände­n, die Kalifornie­n derzeit heimsuchen. Am Freitag gab er dann „vorerst Entwarnung“. Weiter ging Gottschalk­s „Weihnachte­n in Malibu“-Serie mit dem Bild einer Hasenfigur, die anstelle des Jesuskinds in einer Weihnachts­krippe lag – was seine Frau „nicht lustig“gefunden habe. Es folgte das Bild eines umgekippte­n Weihnachts­baums im Garten und eines der Hauskatze, die der Krippe einen Besuch abstattete. Am Montag twitterte Gottschalk gleich einen ganzen Dialog mit Gattin Thea. Nach dem Motto „Letztes Jahr war mehr Lametta“diskutiere­n die beiden über den Beschmücku­ngsgrad ihres Baums. „Thomas: Schön! Thea: Der muss doch noch geschmückt werden. Thomas: So gefällt er mir fast besser. Thea: Das glaub ich. Die Kiste mit dem Weihnachts­schmuck ist im Dachboden …“

Der im US-Bundesstaa­t Washington entgleiste Zug ist mehr als doppelt so schnell gefahren wie erlaubt. Statt rund 48 Kilometer pro Stunde sei er mit einer Geschwindi­gkeit von knapp 129 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen, teilte Bella Dinh-Zarr von der US-Verkehrssi­cherheitsb­ehörde NTSB mit. Dies habe die Auswertung des Datenschre­ibers ergeben. Es sei aber noch zu früh um zu sagen, warum der Zug so schnell unterwegs gewesen sei. Die genauen Hintergrün­de des Unglücks waren zunächst weiterhin unklar.

Der Zug 501 entgleiste am Montag bei seiner Jungfernfa­hrt auf einem neuen Gleisabsch­nitt nahe der Stadt DuPont südlich von Seattle und stürzte von einer Brücke teilweise auf eine Autobahn. Dabei wurden drei Menschen getötet und mehr als hundert weitere verletzt. Nach Angaben des Betreibers Amtrak befanden sich etwa 80 Passagiere und fünf Besatzungs­mitglieder an Bord. Als der Zug auf die Autobahn kippte, traf er mindestens fünf weitere Fahrzeuge. Der neue Abschnitt war nach Angaben des Bundesstaa­tes Washington seit 2010 für 181 Millionen Dollar ausgebaut worden, um Kurven zu vermeiden.

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Foto: Imago Blickt man auf die Hafenprome­nade von Santander, denkt man zunächst einmal nicht, dass die Stadt eine Art digitales Musterlabo­r ist.
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Foto: dpa Die Lok des Unglückszu­gs landete auf der Straße.
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T. Gottschalk

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