Die SPD weiß nicht, was sie will
Regieren? Ein bisschen mitregieren? Oder lieber opponieren? Konfusion aus übertriebener Angst vor „Mutti“Merkel. Höchste Zeit, zügig zu verhandeln
Das Gefeilsche um die Bildung einer neuen Bundesregierung wird sich nun also bis ins nächste Frühjahr hinziehen. Das ist keine Staatskrise, weil es ja eine geschäftsführende Regierung gibt und das Land eine Weile auch so ganz gut funktioniert. Dem Ansehen des parlamentarischen Systems jedoch ist diese Hängepartie nicht dienlich. Was jahrzehntelang meist reibungslos funktionierte, wird erstmals zu einer nervtötenden, die Geduld des Publikums überstrapazierenden Prozedur. Und die Bürger haben es nun amtlich, wohin die Zersplitterung des Parteiensystems und der Niedergang der Volksparteien führen: Die Verhältnisse werden unübersichtlicher, Koalitionsbildungen viel mühsamer – mitsamt der Gefahr, dass es fortan vorbei ist mit der europaweit gerühmten politischen Stabilität Deutschlands und die außenpolitische Handlungsfähigkeit des Landes beeinträchtigt wird.
So peinlich dieses Gerangel ist: Noch haben es Union und SPD ja in der Hand, den demokratischen Kollateralschaden zu begrenzen und die Zeit der Ungewissheit wenigstens bis Ostern 2018 zu beenden. Dass die deutsche Politik so lange stillsteht, ist nicht die Schuld der SPD. Es waren CDU, CSU, Grüne und vor allem die FDP, die eine „Jamaika“-Koalition vermasselt und damit das ganze Desaster angerichtet haben. Die neue Lage hat jedoch nur die SPD in Konfusion gestürzt. CDU und CSU, Merkel und Seehofer steuern ohne Wenn und Aber auf eine GroKo zu. Die SPD hingegen, die sich – was für ein strategischer Fehler! – noch in der Wahlnacht aus dem Spiel genommen hatte, weiß nicht mehr, was sie will. Will sie regieren oder nur ein bisschen mitregieren? Will sie in die Opposition oder eine Minderheitsregierung tolerieren? Der ohne klare Linie herumfuhrwerkende Vorsitzende Schulz hat nicht genug Führungsautorität, um der von Existenzängsten geplagten Partei eine Richtung zu weisen. Also wird jeder noch so kleine Verhandlungsschritt den Parteigremien zum Abzeichnen vorgelegt. Die übergroße Angst, von Merkel weiter „geschrumpft“und vollends marginalisiert zu werden, ist verständlich. Aber wo steht denn geschrieben, dass die SPD an der Seite einer sichtbar (und irreparabel) geschwächten Kanzlerin nicht Boden gutmachen kann? Und warum sollte ein Wiederaufstieg aus der Opposition heraus eher gelingen? Merkel ist nicht schuld am Absturz der SPD; den hat die Partei mit dem Schlechtreden ihrer Leistungen sowie mit falschen Themen und ungeeigneten Spitzenkandidaten schon selber besorgt. Im Übrigen spiegelt sich im Tief der SPD die Krise sowohl der europäischen Sozialdemokratie als auch der Volksparteien überhaupt wider. Das Problem reicht tiefer, als es das ewige Lamento über „Mutti“und die parteitaktischen Nachteile einer GroKo suggeriert – und es erfordert eine renovierte, näher an den Sorgen der Wähler operierende SPD.
Es ist das gute Recht der SPD, den Preis für ein Bündnis mit der Union in die Höhe zu treiben – und am Ende womöglich Nein zu sagen. Dann gibt es halt, weil sich die Union zu Recht auf irgendeinen Kooperations-Schnickschnack mit ständig wechselnden Mehrheiten nicht einlässt, Neuwahlen. So ist das in der Demokratie. Ob der SPD in ihrer derzeitigen Form damit gedient wäre? Wohl kaum. Also sollte die SPD endlich zügig und mit dem klaren Ziel einer Koalition verhandeln. Überspannt sie dabei den Bogen, wird es nichts mit der in Wahrheit gar nicht mehr so großen 53-Prozent-Koalition. Auch auf der anderen Seite des Tisches sitzen ja Wahlverlierer und angeschlagene Verhandlungsführer, denen eine um jeden Preis abgeschlossene Allianz bei den eigenen Wählern schlecht bekäme. Zu „Zwei Männer zum Erfolg verdammt“(Dritte Seite) vom 18. Dezember: Das Foto (Söder mit Seehofer) spricht Bände und sagt etwas „Entlarvendes“aus. Entgegen Ihrer Bildunterschrift „ergreift“Markus Söder die Hand Seehofers und „zerrt“dessen „verkrampfte“Hand wie nach einem „gewonnenen Boxkampf“hoch. Die andere Hand Söders ist zur Faust geballt. Hier triumphiert ein Sieger über einen Besiegten. Sieg durch technischen K. o.
Wie der so „gedemütigte Seehofer“mit dem „Triumphator Söder“als harmonische Doppelspitze zum Wohle der Partei funktionieren soll, wird sich zeigen und lässt manche Zweifel offen. Stellt sich die Frage, ob beide in die gleiche Richtung schauen und für das gleiche Ziel arbeiten. „Glaub-würdige“christlich-soziale Politik steht uns gut an und nicht das „Bedienen einer rechten Flanke“.
Görisried Zum Leitartikel „Warum Fliegen in Deutschland nicht dauerhaft teurer wird“von Stefan Stahl vom 20. Dezem ber: Wenn das Goldene Kalb Luftfahrt wächst und gedeiht, wenn Arbeitsplätze gesichert werden und aus vollen Orderbüchern Milliarden winken, kann man glatt vergessen, dass es einen Klimawandel gibt. Fliegen ist und bleibt weiterhin billig, weil Lufthansa und Co. das Kerosin steuerfrei tanken dürfen.
Affing Zum „Adventskalender“und dem Bei trag „Die Königin meines Gartens“von Alois Knoller (Bayern) vom 14. Dezem ber: Der Adventskalender ist eine nette Idee und Alois Knoller schießt den Vogel ab. Wobei er den Vogel nicht wirklich abschießt, sondern im Gegenteil ihm poetisch ein Denkmal setzt. Gemeint ist die Königin seines Gartens – die Amsel.
Ich bin total begeistert von dieser zauberhaften Geschichte im hektischen Advent, zumal ich solche Amsellieder auch von meinem Balkon kenne.
Herr Knoller, ich danke Ihnen für Ihre anrührende Garten-Amsel-Geschichte. Sie haben Ihre Beobachtung gekonnt und herzerwärmend rübergebracht und damit gezeigt, dass ein Adventskalender mit Amselgesang ebenso erfreuen kann wie mit Schokolade.
Kaufbeuren