Neu-Ulmer Zeitung

Ulmer Kinder haben Sprachprob­leme

Ein Report der Industrie- und Handelskam­mer zeigt: Mehr als ein Drittel benötigt intensive Förderung. Woran das liegt und warum sich die Wirtschaft­svertreter mit diesem Thema beschäftig­en

- VON SEBASTIAN MAYR

Mehr als ein Drittel der Kinder in Ulm benötigt eine intensive Sprachförd­erung. Diese Zahl geht aus dem Bildungsre­port hervor, den die Industrie- und Handelskam­mer Ulm am Mittwoch veröffentl­icht hat. Die Wirtschaft­svertreter sehen eine gefährlich­e Entwicklun­g. „Entweder investiere­n sie jetzt in die frühkindli­che Bildung oder später in den sozialen Reparaturb­etrieb“, sagt Otto Sälzle, Hauptgesch­äftsführer der Kammer, über Politiker, die Entscheidu­ngen treffen müssen.

Sälzle gibt offen zu, dass die besondere Kompetenz der IHK nicht unbedingt in der Erziehung in Grundschul­en und Kindergärt­en liegt. Doch er befürchtet, dass sich manche Defizite nicht aufholen lassen. Probleme in der Bildung könnten den Fachkräfte­mangel weiter verstärken. Die IHK rechnet damit, dass zwischen 2020 und 2030 in Ulm, im Alb-Donau-Kreis und im Landkreis Biberach jährlich 14 500 Fachkräfte fehlen. „Wir glauben, der Schlüssel für das Thema liegt in der frühkindli­chen Bildung“, sagt Sälzle. Untersuchu­ngen zeigen, dass bestimmte Fähigkeite­n in den ersten sechs Lebensjahr­en entscheide­nd geprägt werden. „Wenn ein Kind schon in der Grundschul­e Probleme mit Lesen und Rechnen hat, dann ist die Bildungska­rriere mit Handicaps versehen“, so der Hauptgesch­äftsführer der Kammer.

Thomas Frank leitet die Abteilung Ausbildung der IHK und hat den Bildungsre­port federführe­nd erstellt. Er sagt: „Die Grundschul­en schaffen es nicht mehr, alle mitzunehme­n.“Vielen Abc-Schützen fehlten entscheide­nde Grundlagen, die sich in den vier Jahren Grundschul­e nicht mehr aufholen ließen. Das zeige die Zahl der Kinder, die Sprachförd­erung brauchen. Die Gesundheit­sämter haben die Werte erhoben. Sie stammen aus den Einschulun­gsuntersuc­hungen, die in Baden-Württember­g verpflicht­end sind: Kindergart­enkinder werden getestet, ob sie gesundheit­liche Probleme haben oder besondere Unterstütz­ung benötigen.

In Ulm brauchen 38 Prozent der Kinder eine intensive Sprachförd­erung, im Alb-Donau-Kreis sind es 33 Prozent und im Landkreis Biberach 25 Prozent. Ein großer Teil dieser Kinder stammt aus Migrantenf­amilien. Das lässt sich aus einer Aufstellun­g des Kreisgesun­dheitsamts Biberach ablesen. Im Jahr 2014 hatten 56 Prozent der Kinder, in deren Familien kein Deutsch gesprochen wird, Sprachförd­erbedarf. Doch die Probleme liegen nicht nur dort. Bei Kindern aus Familien, in denen Deutsch gesprochen wird, waren es immerhin 17,5 Prozent. Für Ulm und den Alb-Donau-Kreis liegen der IHK keine entspreche­nden Zahlen vor. Hauptgesch­äftsführer Sälzle glaubt: „Die Grundaussa­ge dürfte die gleiche sein.“

Ein zusätzlich­es Problem bildet die Migrantenq­uote in einigen Stadtteile­n. Wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen zufolge sinkt die Qualität der Sprache in einer Gruppe, wenn mehr als 40 Prozent der Kinder einen Migrations­hintergrun­d haben. In einigen Vierteln ist der Anteil deutlich höher. Den Nachwuchs wegen dieser Quote durch die ganze Stadt zu fahren, ist auch aus Sicht der IHK keine Lösung.

Sälzle und Frank setzen auf zusätzlich­e Sprachförd­erung in den Kindergärt­en. Also mehr Personal und eine Erzieher-Ausbildung, die stärker auf die Förderung zugeschnit­ten ist? Klare Forderunge­n wollen die Wirtschaft­svertreter nicht erheben. „Wir sind keine Pädagogen und wir sind keine Kommunalpo­litiker“, sagt der Hauptgesch­äftsführer der Kammer. Man wolle lediglich auf den Missstand hinweisen. Auf dem früheren Areal der Firma Gummi-Welz in Ulm-Söflingen soll ein Baugebiet mit rund 50 Wohneinhei­ten und Gewerberäu­men entstehen. Interessie­rte Bürger können sich am Mittwoch, 10. Januar, um 19 Uhr im Gemeindeha­us der Martin-Luther-Kirche, Zinglerstr­aße 66, darüber informiere­n lassen. Neben Verantwort­lichen der Stadtplanu­ng werden auch Vertreter der Trägerfirm­a Munk anwesend sein. (az)

 ?? Symbolfoto: Julian Stratensch­ulte, dpa ?? Eine Erzieherin in einer Kindertage­sstät te liest zwei Mädchen aus einem Buch vor. ELCHINGEN
Symbolfoto: Julian Stratensch­ulte, dpa Eine Erzieherin in einer Kindertage­sstät te liest zwei Mädchen aus einem Buch vor. ELCHINGEN
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany