Werden Sexroboter für den „Homo Digitalis“eine Normalität sein?
oder sogar in Live-Schnittstellen. Das soll nicht nur die Erotik-Branche voranbringen, sondern auch in Fernbeziehungen helfen. Vielsagend jedenfalls, dass man bei solchen Angeboten nicht mehr von „Virtual“, sondern von „Mixed Reality“spricht, vermischter Wirklichkeit also.
Ein gewisser Stolz jedenfalls ertönte kürzlich bei der Auswertung einer Umfrage von „Reality Lovers“, die ergab: Wenn der Partner mit VR-Brille für sich die delikaten Filme schaut, verspürt die Mehrheit nun eine Eifersucht, die es ohne Brille nicht gibt. Werden hier auf dem Weg über die Virtualität wirkliche Grenzen der Intimität überschritten? Und was wird das erst bedeuten, wenn in absehbarer Zeit die neuen technischen Möglichkeit auch in Plattformen wie „Tinder“einziehen, die heute Millionen zu meist unverbindlichem Dating nutzen?
50 Jahre nach der sexuellen Revolution der 68er steht uns die nächste Befreiung in Zeiten der Digitalisierung bevor: vom Sexleben ohne festen Partner nun zum Sexleben ohne wirklichen Partner. So, wie es Woody Allen bereits 1972 in „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten“in Szene gesetzt hat: Da betreten zwei Menschen von zwei unab- hängigen Eingängen den „Libidomat“und kommen bald darauf perfekt befriedigt wieder heraus, ohne sich (keimfördernd) berühren oder kennen zu müssen.
Könnte die Körperlichkeit im 21. Jahrhundert damit nicht unweigerlich immer mehr zur erweiterten Selbstbefriedigung werden, die das Gegenüber nur noch als möglichst effizientes Objekt der Lust kennt? Und das in einer wohl zusehends aufgeheizteren Atmosphäre der Verfügbarkeit. Lohnt da im Vergleich die mit Anstrengung und immer auch der Möglichkeit des Scheiterns behaftete Beziehung zwischen wirklichen gegenwärtigen Menschen nicht immer weniger?
Und dann – inzwischen längst auch schon in Filmen wie „A.I.“oder „Ex Machina“antizipiert – gibt es da ja noch eine viel weitreichendere Entwicklung. Sie wird in einer aktuellen Studie von BR, Arte und ORF mit dem Fraunhofer-Institut unter dem Titel „Homo Digitalis“untersucht, zum digitalisierten Mensch also. Es geht darin auch um Sexroboter, die als neuster Schrei der Branche gelten und das alte Spielzeug der „Puppe mit Löchern an reizvollen Stellen“in die Zukunft führen. Sie kosten derzeit rund 8500 Euro, werden von manchen Anbietern bereits in mittleren dreistelligen Stückzahlen pro Jahr verkauft und in Ausführungen wie dem Model „Roxxxy“als „True Companion“angeboten, als vollwertiger Partner also. Und während es in Barcelona bereits ein Bordell mit Sexpuppen gibt, mit denen man(n) laut Anbieter alle seine Fantasien erfüllen kann, „ohne jegliche Grenzen“, ist es bei Roxxxy so: Dieser Roboter verfügt über eine programmierte Persönlichkeit namens Frigid Farrah – und die teilt eben durchaus auch mal mit, dass und wenn sie keine Lust hat. Irre?
Wohl eher ein Versuch, die künstlichen Wesen der völligen Verfügbarkeit zu entziehen, um sie interessant zu halten und Langeweile zu vermeiden. Das Verhältnis soll „sozialer Interaktion“möglichst ähneln, weshalb die Roboter auch immer weiter in den Bereichen Spraverschärfen. che, Blickvielfalt und Fühlbarkeit entwickelt werden.
Für das Projekt „Homo Digitalis“schlief eine Pornodarstellerin mit dem Künstlernamen „Schnuggie91“mit einer dieser Roboterfrauen (von Männern ist bislang nichts bekannt). Und die urteilte: Die Haut fühle sich nicht so an wie bei einem Menschen, „sie interagiert ja auch gar nicht“– „also man ist eigentlich trotzdem dabei ziemlich einsam“. Klingt desillusionierend. In diesem Entwicklungsstadium zumindest. Bei einer Umfrage zur Studie aber sagte ungefähr jeder fünfte Deutsche, er würde gerne mal mit einem Sexroboter schlafen. Und über die Hälfte würde es nicht oder nur vielleicht stören, wenn ihr Partner Sex mit einem solchen Roboter hätte. Vielleicht, weil nur rund sechs Prozent sich selbst vorstellen können, sich in einen Roboter zu verlieben.
Wohin führt uns das alles? Es gibt Experten wie den auf Künstliche Intelligenz spezialisierten David Levy, die meinen, dass diese Art des Sex im Jahr 2050 gängige Praxis sein wird, als eine von vielen. Experten, die sagen, diese Art könnte zur Befriedung gefährlicher Vorlieben wie Pädophilie helfen; wiederum andere sagen, sie könnten diese aber auch Es gibt bereits eine „Kampagne gegen Sexroboter“, weil Aktivisten fürchten, in einer Art Lust-Übertragung könnten Frauen und Kinder zu Objekten degradiert werden. Andererseits: Ist die Arbeit mit Sexrobotern nicht besser als Prostitution?
Und es gibt Forscher, die die ganze Entwicklung aus übergeordneter Warte einfach sehr gespannt beobachten. Denn was diese neuen Möglichkeiten mit uns, dem Sex und der Liebe machen, wird unweigerlich Auskunft geben über den Menschen. Als Sinnenwesen könnte er einer Reiz-Reaktions-Maschine ja durchaus nicht unähnlich erscheinen, die nur nach möglichst großem Lustgewinn mit möglichst geringem Aufwand strebt. Und auch in der Fortpflanzung könnte man ja mit Blick auf aktuelle technische Entwicklungen sagen, dass es Effizienteres und mehr Qualität Verheißendes gibt als die natürlichen Wege.
Was hebt den Menschen darüber hinaus? Das Wesen, das er eben auch ist, das nach Sinn strebt, auch in der Sinnlichkeit? Das Wesen, dessen Schicksal immer der Mitmensch bleibt? Womöglich muss man dazu künftig mehr denn je sagen: Was zu beweisen sein wird.