Der Karikaturen Liebhaber
Seit 28 Jahren sammelt Rudolf Cermak aus Bellenberg die humorvollen Zeichnungen aus unserer Zeitung. Bis heute fehlt ihm kein einziges Bild. Wie er zu seinem ungewöhnlichen Hobby kam
Rudolf Cermak bringt das Dilemma gleich auf den Punkt: „Früher“, sagt er, „da waren die Karikaturen in Ihrer Zeitung viel kleiner.“Was den gewöhnlichen Zeitungsleser kaum stören dürfte, ist für den 83-Jährigen in der Tat ein Problem. Denn Cermak schneidet die Karikaturen aus, klebt sie auf ein Blatt Papier und heftet sie in Ordnern ab. Und das seit 28 Jahren. Der Pensionär aus Bellenberg im Landkreis Neu-Ulm erkennt den Strich eines jeden Karikaturisten – ob Sakurai, Haitzinger oder Tomicek. Ihm fällt auf, wenn Zeichnungen versehentlich falsch beschriftet wurden. Und er weiß nur zu gut, was es bedeuten kann, wenn Karikaturen plötzlich größer abgedruckt werden. „Meine Ordner werden immer dicker“, sagt Cermak und lacht.
Im Keller seines Wohnhauses hat sich der Bellenberger einen Hobbyraum eingerichtet. Seine Sammelleidenschaft füllt dort mittlerweile ein ganzes Regal. „Ich besitze alle Karikaturen, die die Augsburger Allgemeine in den vergangenen 28 Jahren veröffentlicht hat“, sagt Cermak stolz. In Ordnern sind sie fein säuberlich sortiert. Jahr für Jahr, Zeichnung für Zeichnung. Dazu führt der Rentner penibel Strichlisten – sie zeigen, wie oft es ein bestimmter Karikaturist im Laufe eines Jahres in die Zeitung geschafft hat. Allen voran: Horst Haitzinger.
Der in München lebende Künstler war es auch, der Cermak überhaupt auf sein ungewöhnliches Hobby gebracht hat. „Ich war schon immer Fan von seinen Zeichnungen“, schwärmt der 83-Jährige und holt seine erste Sammlung Haitzinger-Karikaturen aus dem Regal. Anfangs habe er die Zeichnungen noch gekauft. „Bis mir eingefallen ist, dass in meiner Zeitung ohnehin jeden Tag eine Karikatur abgedruckt ist.“Im Jahr 1990 legte er seinen ersten Ordner an. Seitdem ist seine Sammlung auf rund 10 000 Werke verschiedenster Karikaturisten angewachsen.
Es sind die überspitzten Darstellungen und oftmals tiefergehenden Aussagen, die den politikinteressierten Cermak an den Zeichnungen faszinieren. „Mit Witzbildchen, wie es manche abtun, hat das überhaupt nichts zu tun.“Aber, betont er, man müsse die Bilder natürlich auch lesen und verstehen können. Bewegt ihn ein Thema besonders, notiert Cermak selbst ein paar Gedanken dazu. Zu manchen Zeichnungen klebt der Rentner außerdem den passenden Artikel oder dessen Überschrift. Auf diese Weise könne er ein Stück Zeitgeschichte festhalten, sagt er. Wer sich durch die Aktenordner im Keller des Bellenbergers blättert, erlebt das Weltgeschehen der vergangenen Jahrzehnte im Zeitraffer. Er sieht Zeichnungen eines birnenförmigen Helmut Kohl oder eines spitznasigen Oskar Lafontaine, sieht die Briten Ja zum „Brexit“sagen oder die Freiheitsstatue nach der Wahl Donald Trumps bitterlich weinen. „Man erinnert sich an viele Dinge.“Jeder Aktenordner
Stolz ist Cermak aber vor allem auf seine große Haitzinger-Sammlung. 7175 Karikaturen waren es bis Ende 2017. „Mir gefällt sein Strich. Außerdem hat er einen unglaublichen Weitblick.“Cermak erinnert sich an eine Karikatur aus den 80er Jahren, die schon damals die Überalterung der deutschen Gesellschaft skizzierte. Sie zeige ein Baby, auf dessen Schultern das Gewicht vieler Menschen lastet. „Rente 2000“lautete der Titel, erinnert sich Cermak. „Haitzinger kann für mich die Ereignisse am treffendsten darstellen.“
Zweimal habe er seinen Lieblingskarikaturisten schon persönlich getroffen. Eine Kopie der 5000. Zeichnung in seiner Sammlung sei eine Art Geschichtsbuch.