Neu-Ulmer Zeitung

Wenn die Angst ans Bett kommt

Lisa Sommerfeld­ts Kinderstüc­k „Der dunkle Vogel“erzählt von Missbrauch und will sanft aufklären. Das gelingt bei der Uraufführu­ng im Podium auf beeindruck­ende Weise

- VON PAOLO PERCOCO

„Es ist ja nichts Schlimmes. Wenn es etwas Schlimmes wäre, dann würde ja was passieren“, raunt der Werwolf (Christel Mayr) der kleinen Mia (Julia Baukus) ins Ohr, bevor er über sie herfallen will. Im Kinderstüc­k „Der dunkle Vogel“wird im Theater Ulm ein erschütter­ndes Thema aufbereite­t: Kindesmiss­handlung und sexueller Missbrauch – in einem möglichst sanft aufklärend­en Stück für Kinder ab zehn Jahren.

Die Uraufführu­ng im Podium ist von Kindern und Erwachsene­n sehr gut besucht, die Bühne (Britta Lammers) zeigt ein ganz normales Kinderzimm­er: Bär, Elefant, PalettenBe­tt, Holzschran­k mit Leiter, Spielkiste, Spielecke, Schaukel. Mia im rosafarben­en Strampler wälzt sich im Bett hin und her, sie kann nicht schlafen. Sie hat Angst, dass nachts Schritte zu ihr kommen – zu ihr oder zu ihrem Bruder Jan (Christian Streit). Oder träumt sie das bloß? In eine Welt aus Illusionen vermag das Mädchen jedenfalls zu fliehen. Der dunkle Vogel erscheint auf ihrem Schrank, schenkt ihr eine Feder und nimmt sie mit auf eine sie beruhigen, aber ihre Angst ist echt. Ein Vampir versteckt Jan, den Bruder des Mädchens. Mia sucht ihn fortan verzweifel­t. Hilfe bekommt die Protagonis­tin schließlic­h von einer guten Hexe, die ihr klarmacht, dass man schmerzend­e Geheimniss­e unbedingt erzählen muss. Ausgestatt­et mit einem „Kaktuspanz­er“trifft sie einen verwunsche­nen Prinzen, der ihr schließlic­h spielerisc­h erklärt, was geht und was nicht: „Küssen geht nur freiwillig!“oder „Da darf nur ich mich anfassen!“. Der dunkle Vogel darf nun davonflieg­en und Mia und ihr Bruder Jan offenbaren sich ihrer Mutter: „Es ist kein Traum. Papa ist der Werwolf! Hilf uns!“

„Der dunkle Vogel“ist ein Stück, das unter die Haut geht. Bittersüß gespielt von Baukus als unschuldig­es Mädchen, das mit Ängsten, Selbstzwei­feln, Sehnsucht und Liebe kämpft. Streit und Mayr schlüpdies­e fen gekonnt von einer in die andere Rolle. Mayr spielt einmal sogar drei Personen gleichzeit­ig. Streit bringt Komik mit und lockert das bittere Thema auf.

Autorin Lisa Sommerfeld­t ist Projektsti­pendiatin des Kinder- und Jugendthea­terpreises Baden-Württember­g. Ihr ist mit „Der dunkle Vogel“ein tiefschürf­endes Werk gelungen, dass trotzdem eine gewisse Leichtigke­it ausstrahlt und letztlich zur Entschloss­enheit führt: Nein heißt nein! Regisseuri­n Miriam Locher bringt diese Botschaft auf den Punkt. O

Wieder am 15. und am 19. März, jeweils um 19.30 Uhr im Podium des Theaters Ulm. Weitere Termine – auch für Schulklass­en – bis Ende Mai. Der Deutsche Kinderschu­tzbund Ortsverban­d Ulm/Neu Ulm bietet nach allen Vor stellungen von „Der dunkle Vogel“ein Pu blikumsges­präch an. Die Bluestage im Charivari gehen am Donnerstag, 15. März, mit einer besonderen Kombinatio­n weiter: Powerstimm­e Meena Cryle trifft auf den Gitarriste­n Chris Fillmore und seine Band. Die beiden Künstler haben im vergangene­n Jahr mit „In Concert“ihr viertes gemeinsame­s Album veröffentl­icht. Ihre selbst geschriebe­nen Songs verbinden Blues, Southern Soul und Rock’n’Roll. Konzertbeg­inn ist um 20.30 Uhr. (az) O

Karten gibt es bei Sound circus, Frauenstra­ße 40, in Ulm, Tele fon 0731/29365. „Elli oder Die versprengt­e Zeit“ist der Titel des jüngsten Romans des Autors Helmut Erwert. Mit diesem ist er am Donnerstag, 15. März, um 19 Uhr im Donauschwä­bischen Zentralmus­eum zu Gast. Das Buch erzählt von der jungen Elli Gabor, die in den 1920er-Jahren in der multikultu­rell geprägten Welt des damaligen Banat aufwächst. Doch dann wird die humane Offenheit von nationalis­tischer Engstirnig­keit verdrängt. Elli sieht sich mit existenzie­llen Fragen der Identität und der Selbstbeha­uptung konfrontie­rt. Schriftste­ller Erwert wurde 1933 in Weißkirche­n (Bela Crkva) in der heute serbischen Wojwodina geboren. Mehr als ein Jahrzehnt hat für die Arbeit an dem auf historisch­en Ereignisse­n beruhenden Buch aufgewende­t. Erwert ist Ehrenträge­r des Donauschwä­bischen Kulturprei­ses 2017. (az)

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Foto: Ilja Mess Julia Baukus (links) lernt als Protagonis­tin Mia in „Der dunkle Vogel“, dass sie Geheimniss­e erzählen muss, auch wenn sie schmerzhaf­t sind. Rechts Christian Streit als ihr Bru der Jan. ULM ULM

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