Wenn die Angst ans Bett kommt
Lisa Sommerfeldts Kinderstück „Der dunkle Vogel“erzählt von Missbrauch und will sanft aufklären. Das gelingt bei der Uraufführung im Podium auf beeindruckende Weise
„Es ist ja nichts Schlimmes. Wenn es etwas Schlimmes wäre, dann würde ja was passieren“, raunt der Werwolf (Christel Mayr) der kleinen Mia (Julia Baukus) ins Ohr, bevor er über sie herfallen will. Im Kinderstück „Der dunkle Vogel“wird im Theater Ulm ein erschütterndes Thema aufbereitet: Kindesmisshandlung und sexueller Missbrauch – in einem möglichst sanft aufklärenden Stück für Kinder ab zehn Jahren.
Die Uraufführung im Podium ist von Kindern und Erwachsenen sehr gut besucht, die Bühne (Britta Lammers) zeigt ein ganz normales Kinderzimmer: Bär, Elefant, PalettenBett, Holzschrank mit Leiter, Spielkiste, Spielecke, Schaukel. Mia im rosafarbenen Strampler wälzt sich im Bett hin und her, sie kann nicht schlafen. Sie hat Angst, dass nachts Schritte zu ihr kommen – zu ihr oder zu ihrem Bruder Jan (Christian Streit). Oder träumt sie das bloß? In eine Welt aus Illusionen vermag das Mädchen jedenfalls zu fliehen. Der dunkle Vogel erscheint auf ihrem Schrank, schenkt ihr eine Feder und nimmt sie mit auf eine sie beruhigen, aber ihre Angst ist echt. Ein Vampir versteckt Jan, den Bruder des Mädchens. Mia sucht ihn fortan verzweifelt. Hilfe bekommt die Protagonistin schließlich von einer guten Hexe, die ihr klarmacht, dass man schmerzende Geheimnisse unbedingt erzählen muss. Ausgestattet mit einem „Kaktuspanzer“trifft sie einen verwunschenen Prinzen, der ihr schließlich spielerisch erklärt, was geht und was nicht: „Küssen geht nur freiwillig!“oder „Da darf nur ich mich anfassen!“. Der dunkle Vogel darf nun davonfliegen und Mia und ihr Bruder Jan offenbaren sich ihrer Mutter: „Es ist kein Traum. Papa ist der Werwolf! Hilf uns!“
„Der dunkle Vogel“ist ein Stück, das unter die Haut geht. Bittersüß gespielt von Baukus als unschuldiges Mädchen, das mit Ängsten, Selbstzweifeln, Sehnsucht und Liebe kämpft. Streit und Mayr schlüpdiese fen gekonnt von einer in die andere Rolle. Mayr spielt einmal sogar drei Personen gleichzeitig. Streit bringt Komik mit und lockert das bittere Thema auf.
Autorin Lisa Sommerfeldt ist Projektstipendiatin des Kinder- und Jugendtheaterpreises Baden-Württemberg. Ihr ist mit „Der dunkle Vogel“ein tiefschürfendes Werk gelungen, dass trotzdem eine gewisse Leichtigkeit ausstrahlt und letztlich zur Entschlossenheit führt: Nein heißt nein! Regisseurin Miriam Locher bringt diese Botschaft auf den Punkt. O
Wieder am 15. und am 19. März, jeweils um 19.30 Uhr im Podium des Theaters Ulm. Weitere Termine – auch für Schulklassen – bis Ende Mai. Der Deutsche Kinderschutzbund Ortsverband Ulm/Neu Ulm bietet nach allen Vor stellungen von „Der dunkle Vogel“ein Pu blikumsgespräch an. Die Bluestage im Charivari gehen am Donnerstag, 15. März, mit einer besonderen Kombination weiter: Powerstimme Meena Cryle trifft auf den Gitarristen Chris Fillmore und seine Band. Die beiden Künstler haben im vergangenen Jahr mit „In Concert“ihr viertes gemeinsames Album veröffentlicht. Ihre selbst geschriebenen Songs verbinden Blues, Southern Soul und Rock’n’Roll. Konzertbeginn ist um 20.30 Uhr. (az) O
Karten gibt es bei Sound circus, Frauenstraße 40, in Ulm, Tele fon 0731/29365. „Elli oder Die versprengte Zeit“ist der Titel des jüngsten Romans des Autors Helmut Erwert. Mit diesem ist er am Donnerstag, 15. März, um 19 Uhr im Donauschwäbischen Zentralmuseum zu Gast. Das Buch erzählt von der jungen Elli Gabor, die in den 1920er-Jahren in der multikulturell geprägten Welt des damaligen Banat aufwächst. Doch dann wird die humane Offenheit von nationalistischer Engstirnigkeit verdrängt. Elli sieht sich mit existenziellen Fragen der Identität und der Selbstbehauptung konfrontiert. Schriftsteller Erwert wurde 1933 in Weißkirchen (Bela Crkva) in der heute serbischen Wojwodina geboren. Mehr als ein Jahrzehnt hat für die Arbeit an dem auf historischen Ereignissen beruhenden Buch aufgewendet. Erwert ist Ehrenträger des Donauschwäbischen Kulturpreises 2017. (az)