„Bauern sollen Kürzungen akzeptieren“
EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger spricht über die Folgen des Brexit. Und er erklärt, wie die Europäische Union in Zukunft mit weniger Geld auskommen will
Herr Oettinger, beim Brexit wird es jetzt ernst, wenn in der zweiten Phase die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien verhandelt werden. Wie könnten die denn aussehen?
Es ist zunächst einmal gelungen, für die Bürger auf beiden Seiten die notwendige Sicherheit zu schaffen, die sie für ihre Lebensplanung brauchen. Abgesehen von der Irland-Frage wurden wichtige Themen gelöst. Nachdem sich lange nichts bewegt hat, kommt jetzt Bewegung in die Sache und nun müssen die Staats- und Regierungschefs klar sagen, in welche Richtung sie gehen wollen. Das Vereinigte Königreich wird ein Drittstaat sein – mit allen Konsequenzen. Dass sie beispielsweise aus dem Binnenmarkt ausscheiden wollen, haben die Briten gewusst und bewusst so entschieden. Und dass es viele Verträge der EU mit anderen Ländern gibt, in deren Genuss London bisher kommt, in der Zukunft aber nicht, hat man auch wissen können. Großbritannien wird in der Übergangsphase weiter Mitgliedsbeiträge an die EU bezahlen. Ist das eine gute Nachricht für Sie?
Ich bereite gerade die Vorlage des Etats für 2019 vor. Und da ist eine solche Übereinkunft natürlich eine gute Nachricht – für viele laufende Programme und Projekte, deren Finanzierung ansonsten zumindest hätte geprüft werden müssen.
Sie haben immer wieder betont, dass die EU mehr Einnahmen braucht. Aber für eine Plastiksteuer, die Sie ja wollen, stoßen Sie nicht auf viel Gegenliebe. Hat die Abgabe auf Kunststoff trotzdem noch eine Chance?
Es geht nicht um die Plastiksteuer alleine. Meine Fachleute, aber auch andere Experten haben einen Katalog von Maßnahmen erstellt, der zehn Punkte umfasst, von denen ich zwei oder drei als machbar ansehe. Bisher ist es ja so: Zehn Prozent der Einnahmen der EU stammen aus Zöllen, weitere zehn Prozent aus Anteilen an der nationalen Umsatzsteuer sowie weitere nicht kalkulierbare Einnahmen wie Bußgelder aus Kartellverfahren. Der Rest sind Beiträge der Mitgliedstaaten. Ich würde gerne diese Abhängigkeit von den Etats der Länder etwas lösen, um die Staaten zu entlas- ten, aber gleichzeitig sichere Einnahmen zu generieren. Dabei kann eine Abgabe auf Plastik ein sinnvolles Instrument sein, weil wir ja aus ökologischen Gründen alles daran setzen müssen, die Verschmutzung der Umwelt durch Kunststoffe zu stoppen. Trotzdem müssen Sie sparen. Wollen Sie dieses Interview nutzen, um den deutschen Bauern, den Bürgermeistern, den Vereinen zu sagen, dass sie künftig deutlich weniger Geld aus Brüssel bekommen?
Daraus mache ich kein Geheimnis. Das wird so sein. Die Briten waren einer der großen Beitragszahler, ihr Austritt hinterlässt eine Lücke von zwölf bis 13 Milliarden Euro im Jahr. Das kann ich nicht zu 100 Prozent mit höheren Einnahmen auffangen. Deshalb müssen wir die Hälfte der Summe einsparen, die andere Hälfte durch mehr Geld auffangen. Ich will aber auch sagen: Wenn wir den Schutz der Außengrenzen ausbauen, in die Verteidigungsunion investieren und weitere Aufgaben in Europa übernehmen, entlasten wir die Mitgliedstaaten. Das sollten die bedenken, die heute höhere Beiträge ablehnen. Sie werden weder an den Forschungsetat noch an das Studentenaustauschprogramm Erasmus+ gehen. Also doch bei Bauern und Regionen sparen?
Ja, in diesen beiden Bereichen sind Kürzungen unumgänglich und müssen akzeptiert werden. Von welcher Größenordnung reden wir?
Ich gehe von geringen Einsparungen zwischen fünf und zehn Prozent aus. Die Wut gegen Russland ist nach dem Nervengas-Anschlag in Großbritannien groß. Ist jetzt der Zeitpunkt, um über schärfere Sanktionen zu reden?
Die Strafmaßnahmen wurden wegen der Annexion der Krim und des Ostukraine-Konfliktes erlassen. Ich halte weitere Sanktionen für derzeit nicht angebracht. Allerdings halte ich einen stufenweisen Abbau zum jetzigen Zeitpunkt,
Massive Kritik am neuen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) üben die Grünen im Bundestag. Während sich dieser „alle Zeit der Welt“lasse, um seinen ersten Haushalt für das laufende Jahr 2018 aufzustellen, wolle er ihn anschließend „in einem extrem knappen Verfahren durchpeitschen“, kritisierte die Haushaltsexpertin der Grünen, Ekin Deligöz, nach der Sitzung des Haushaltsausschusses gegenüber unserer Zeitung. „Eine solche Geringschätzung des Parlaments hätte ich nicht von der GroKo erwartet – zumindest nicht schon gleich zu Beginn der Legislatur.“
In der Sitzung des Haushaltsausschusses am Mittwoch forderten die Grünen den Finanzminister auf, seinen Etatentwurf „so rechtzeitig beim Bundestag einzubringen, dass dieser spätestens in der 17. Kalenderwoche in erster Lesung beraten kann“. Das wäre die Woche vom 23. bis 27. April. Doch Scholz sah sich dazu außerstande. Nach seinen Plänen soll das Bundeskabinett erst am 2. Mai seinen Entwurf beschließen, sodass die erste Lesung im Plenum in der Woche vom 15. bis 18. Mai stattfinden kann, somit fast einen Monat später als von den Grünen gefordert. Der Haushaltsausschuss müsste danach überwiegend außerhalb der regulären Sitzungswochen beraten, damit der Etat noch vor der parlamentarischen Sommerpause in der ersten Juli-Woche von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden kann. Für die Grünen ist das „nicht akzeptabel“. Das Budgetrecht sei das wichtigste Recht des Parlaments gegenüber der Regierung. „Es kann aber nur wahrgenommen werden, wenn den Parlamentariern gründliche Haushaltsberatungen ermöglicht werden“, so Deligöz, immerhin gehe es um ein Volumen von rund 330 Milliarden Euro sowie wichtige Investitionsentscheidungen.