Neu-Ulmer Zeitung

Die Post verkauft ihr gesammelte­s Wissen

CDU und FDP nutzen die Erkenntnis­se über rund 34 Millionen Haushalte für einen gezielten Wahlkampf. Was der Fall mit dem amerikanis­chen Facebook-Skandal gemeinsam hat – und was nicht

- VON BERNHARD JUNGINGER

Es ist wohl in vielen Fällen kein Zufall, welche Wahlwerbun­g die Bundesbürg­er in ihren Briefkäste­n finden und welche Partei ihre Wahlkämpfe­r an welchen Haustüren klingeln lässt. So haben sich CDU und FDP nach Informatio­nen der Bild am Sonntag im Bundestags­wahlkampf 2017 den Zugang zu Daten für etwa 20 Millionen Häuser mit rund 34 Millionen Haushalten in Deutschlan­d gekauft – und zwar ausgerechn­et von der Post.

Bei den Angaben geht es etwa um Kaufkraft, Geschlecht, Alter und Bildungsab­schluss der Bewohner, um die Größe ihrer Wohnungen und um die Frage, ob sie ein Auto besitzen. Aus der Kombinatio­n der Faktoren soll es möglich sein, Aussagen darüber zu treffen, welche Partei wo welche Chancen hat, gewählt zu werden. Die CDU hat darauf anscheinen­d ihren Haustürwah­lkampf aufgebaut, die FDP zielgruppe­ngerechte Werbung verschickt.

Seit bekannt wurde, dass sich die Firma Cambridge Analytica unberechti­gt Zugang zu persönlich­en Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern verschafft hatte, um damit die US-Präsidents­chaftswahl­en zugunsten von Donald Trump zu beeinfluss­en, ist die Sorge noch einmal gewaltig gewachsen, dass digitale Informatio­nen missbrauch­t werden könnten. Und das nicht ganz zu Unrecht.

Auch der neue Fall riecht zunächst Spione? Wenn die Aussagen der Post und der beiden Parteien zutreffen, dann gibt es an dem Datenhande­l für fünfstelli­ge Euro-Beträge zumindest rechtlich nichts auszusetze­n. Schon seit 2005 verkauft die Post ihren Datenschat­z an Parteien. Durch Zukäufe anderer Statistike­n wird er zuvor ergänzt, mit früheren Wahlergebn­issen kombiniert und zusammen mit Meinungsfo­rschern zu Wahlkampfz­wecken aufbereite­t.

Wer eine Adresse hat und der werblichen Nutzung seiner Daten nicht explizit widerspric­ht, wird in den Datenbanke­n erfasst. Doch das Vorgehen ist bekannt und, so betonen alle Beteiligte­n, im Einklang mit den Datenschut­zbestimmun­gen. Personenbe­zogene Daten werden dabei offenbar nicht übermittel­t, alle Angaben anonymisie­rt. Es werden auch nicht einzelne Haushalte erfasst, sondern sogenannte Mikrozelle­n, die aus durchschni­ttlich 6,6 Haushalten bestehen. Für die wird dann berechnet, mit welcher Wahrschein­lichkeit dort bestimmte Parteien bevorzugt werden.

Das geht natürlich schon ein deutliches Stück über die altbekannt­en Mutmaßunge­n erfahrener Wahlkämpfe­r hinaus, dass im Arbeitervi­ertel eben eher links und im Vorort mit den gepflegten Einfamilie­nhäusern eher konservati­v gewählt wird. Doch ein Datenklau, wie er offenbar im Fall Facebook stattgefun­den hat, liegt wohl nicht vor. Gezieltes Marketing betreiben nicht nur Firmen, sondern eben auch Parteien. Sie konzentrie­ren ihre begrenzten Möglichkei­ten dort, wo es für sie am meisten zu gewinnen gibt. Dagegen gibt es zunächst wenig einzuwende­n.

Wo Daten entweder bereitwill­ig preisgegeb­en werden oder allgemein verfügbar sind, werden sie – da muss sich niemand Illusionen machen – genutzt, um Kunden oder Wähler zu gewinnen. Besitzer von Payback- oder Rabattkart­en etwa verraten allerhand über sich, wenn sie beim Einkauf Punkte sammeln, um sie irgendwann gegen ein Kochtopf-Set einzutausc­hen. Doch das ist ihnen bewusst.

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Symbolfoto: Jan Woitas, dpa Die Post ist im Besitz großer Datenschät­ze, die weit über Adressen und Postleitza­hlgebiete hinausgehe­n. Zwei Parteien machten sich das im Wahlkampf 2017 zunutze.

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