Streit um Europäischen Währungsfonds
Frankreichs Präsident Macron will die Kanzlerin von seinen Reformideen überzeugen, doch die Union bremst. SPD-Fraktionschef Schneider fordert von Merkel ein Machtwort
In der Bundesregierung bahnt sich ein Streit um die Ausrichtung der Europapolitik an. Gegenüber unserer Zeitung zeigte sich Carsten Schneider, der Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, verärgert über die zögerliche Haltung von CDU und CSU. Schneider pocht vor allem auf die Gründung eines Europäischen Währungsfonds, der künftig zum Beispiel Euro-Krisenländern helfen soll und fordert ein Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Die Kanzlerin sollte ihre Leute mal an ihr eigenes Wahlprogramm erinnern – da haben sie den Europäischen Währungsfonds noch einrichten wollen“, sagte Schneider.
Der SPD-Politiker drängt die Bundesregierung, Europa mutiger weiterzuentwickeln: „Der Koalitionsvertrag steht unter der Überschrift ,Neuer Aufbruch für Europa‘. Das ist ein wichtiges gemeinsames Projekt: Wir wollen die Reform der Eurozone vorantreiben und haben uns im Koalitionsvertrag gemeinsame Ziele gesteckt. Nun geht es darum, das umzusetzen“, sagte Schneider. „Es darf nicht bei einer wohlklingenden Überschrift bleiben. Die SPD steht jedenfalls nicht für weitere Jahre des Stillstands und der Blockade zur Verfügung“, meint er.
Hintergrund ist, dass der französische Präsident Emmanuel Macron aufs Tempo drückt. Am Dienstag will er mit einer Rede vor dem EUParlament in Straßburg ein neues Zeichen für sein Projekt zur Reform der EU setzen. Und am Donnerstag besucht Macron Merkel in Berlin.
In Berlin aber bremsen CDU und CSU in der Europapolitik. Die Unionsparteien wollen demnächst ihren Kurs zur Zukunft der EU abstecken. Bereits diesen Montag und Dienstag haben CDU-Präsidium und die Unionsfraktion vor, erste Pflöcke einschlagen. Dabei wollen sie Kanzlerin Merkel in Sachen Europa an die kurze Leine nehmen. In einem Papier für die Fraktionssitzung heißt es: „Wir dürfen die Europäische Union nicht überfordern. Gute Europäer sind nicht diejenigen, die immer mehr Kompetenzen für die EU fordern.“
Gerade den Vorschlag eines Europäischen Währungsfonds sieht man in der Union skeptisch. Diesen hatte EU-Kommissionschef JeanClaude Juncker vergangenes Jahr ins Spiel gebracht. Junckers Vorschlag eines Europäischen Währungsfonds sei nur mit einer Ände- rung der EU-Verträge und mit Zustimmung des Bundestags umsetzbar, argumentiert man in der Union. Das würde angesichts dieser hohen Hürden bedeuten, dass das Vorhaben eher nicht zustande kommt.
Vergangenes Jahr hatte erst Frankreichs Präsident Macron eine Reihe an Ideen für die Weiterentwicklung Europas präsentiert, anschließend legte Kommissionschef Juncker seine Ideen vor. Ziel ist es, Europa besser gegen künftige Finanzkrisen zu wappnen.
Über die Details herrscht in der EU aber Uneinigkeit. Juncker schlug im September und im Dezember vergangenen Jahres vor, dass unter anderem das Amt eines EU-Finanzministers geschaffen werden soll. Zudem solle der EuroRettungsschirm ESM zu besagtem Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden. Der ESM vergibt Notkredite an Euro-Krisenstaaten. Bisher erhielten Portugal, Spanien, Irland, Zypern und Griechenland Hilfsgelder – insgesamt 279 Milliarden Euro. Der ESM hat eine Kraft von 500 Milliarden Euro und wird bisher nur von den Euro-Staaten kontrolliert. Nun gibt es die Idee, einen Europäischen Währungsfonds als mögliche Nachfolgeorganisation des ESM auch unter die Kontrolle des Europäischen Parlamentes zu stellen. Der Währungsfonds könnte zudem mehr Kompetenzen in der Banken-Rettung bekommen.
Fortschritte gab es bei alldem bislang nur wenige, da die EU-Staaten tief gespalten sind. ESM-Chef Klaus Regling warnte bereits vor dem Nichtstun: In der nächsten Finanzkrise seien Änderungen unvermeidlich. „Sie würden dann unter extremem Zeitdruck geschehen – und vermutlich unter höheren Kosten“, meinte Regling.
Kritik an der harten Haltung der Union in Berlin kommt auch aus den eigenen Reihen. EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) jedenfalls kritisiert die Haltung der Großen Koalition zu den Plänen des französischen Präsidenten als zu zögerlich. „Die Töne, die man aus der Unionsfraktion jetzt hört, sind nicht hinnehmbar. Sie gefährden den ganzen Aufbruch für Europa“, sagte er. „Macron hat es verdient, dass Deutschland ihn nicht länger hinhält“, sagte Oettinger. „Die deutsche Politik kann nicht all seine Vorschläge skelettieren, auseinandernehmen und dann ablehnen.“
Andererseits warnt SPD-Finanzminister Olaf Scholz vor Euphorie: Präsident Macron wisse, „dass sich nicht alle seine Vorschläge umsetzen lassen“, sagte Scholz. Bei der Reform der Grundsteuer sollten Eigenheimbesitzer und Mieter nicht generell mit einer Entlastung rechnen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erwartet, dass es für etliche Steuerzahler teurer wird. „Egal, welches Modell kommt – es wird bei einigen Bürgern zu höherer Belastung, bei anderen zu einer Entlastung führen“, sagte IW-Wohnungsmarktexperte Ralph Henger. Das Bundesverfassungsgericht hatte am Dienstag geurteilt, dass die Bemessung der Grundsteuer verfassungswidrig ist und bis Ende 2019 vom Gesetzgeber neu geregelt werden muss. Das Kölner Institut favorisiert ebenso wie der Mieterbund und viele Bürgermeister eine einfache Bodenwertsteuer. Für Hausbesitzer in guten Lagen und teuren Städten dürfte das zum Teil kräftige Aufschläge bedeuten, weil ihre Grundstücke meistens im Wert gestiegen sind. Der Fernbusanbieter Flixbus will elektrisch angetriebene Busse auch in Deutschland ausprobieren. „Wir testen gerade den weltweit ersten elektrischen Fernbus im Linienbetrieb zwischen Paris und Amiens (Frankreich). Wir wollen das Pilotprojekt bald auch in Deutschland fortsetzen“, sagte Firmenchef André Schwämmlein der Rheinischen Post. Zudem will Flixbus auch sein Angebot auf der Schiene ausbauen. „Wir werden weitere Trassen beantragen“, kündigte Schwämmlein an. Seit Ende März verkehrt zwischen Köln und Hamburg ein „Flixtrain“.