„Wie komme ich bei Schülern an?“
Das Schulwerk der Diözese startet ein einzigartiges Projekt
Petra Müller ist die dienstälteste Lehrerin an der Grundschule St. Michael in Neu-Ulm. In fast 30 Jahren Unterricht hat sie viele Neuerungen und Reformen mitgemacht: neue Lehrpläne rauf und runter, neue Methoden, neue Schwerpunkte, zurück zu alten Methoden – die dann wieder erneuert wurden.
Was sie heute erlebt, widerfährt ihr zum ersten Mal: Petra Müller und ihre Kolleginnen befassen sich mit der Frage Wie kommen wir als Pädagogen bei unseren Schülern an? Wie können wir unsere Schüler da abholen, wo sie stehen? „Vieles, was ich heute höre, klingt vertraut. Es kommt im schulischen Alltag aber zu kurz“, stellt Petra Müller fest.
„Streck deine Hand aus“heißt das Weiterbildungsprojekt, das das Schulwerk der Diözese Augsburg zunächst in vier seiner Schulen in der Region gestartet hat. Diesmal geht es nicht um irgendeine brandneue Unterrichtsmethode, sondern „um das, was uns als Lehrer ausmacht“, wie es Kathrin Betz, eine der beiden Trainer, formuliert – um Haltung und Persönlichkeit des Lehrers.
Kathrin Betz ist ebenfalls Lehrerin – an der Franz-von-Assisi-Mittelschule in Augsburg. Als das Schulwerk Trainer für sein in Süddeutschland einzigartiges Projekt suchte, hat sie sich freiwillig gemeldet. „Ich kann da soviel rausziehen. Das Projekt motiviert“, ist die Pädagogin im 15. Berufsjahr überzeugt.
Gleich in doppelter Hinsicht ist ihr Trainerkollege Franz Kögel in das Programm eingebunden. Zum einen begleitet er das durchweg weibliche Lehrerkollegium der Neu-Ulmer St. Michael Grundschule durch die acht Workshops und die anschließende Erprobungsphase. Zum anderen ist seine Stammschule, das Kolleg der Schulbrüder in Illertissen, ebenfalls schon jetzt bei „Streck deine Hand aus“dabei: Dort ist er einer der Teilnehmer in seinem fast 60 Lehrer umfassenden Kollegium. „Man kann in diesem Projekt so viel bewegen, gestalten und sich einbringen“, schwärmt er.
Gemeinsam mit dem Augsburger Pädagogikprofessor Klaus Zierer das komplett aus Lehrern bestehende Trainerteam die acht Workshops erarbeitet. Die Einheiten sind interaktiv, versetzen die Lehrer immer wieder in die Lage eines Lernenden, fordern zur Selbstreflexion auf und basieren in vielen Gruppenarbeiten auf dem Austausch mit den Kollegen. Und sie drehen sich alle um die zentrale These, dass die Persönlichkeit des Lehrers eine ganz entscheidende Rolle für den Lernerfolg der Schüler spielt.
„Es wird so viel über Whiteboards und Tablets geredet“, berichtet Petra Müller, die an ihrer Schule auch Konrektorin ist, „aber über den Einfluss und die Rolle des Lehrers kaum.“Sie möchte in diesem Projekt ihr eigenes Verhalten reflektieren, mehr über ihren eigenen Einfluss auf den Unterrichtserfolg lernen und neue Impulse setzen. „Wie kommt das rüber, wenn ich vor der Klasse stehe?“, formuliert sie die zentrale Frage. Die Auseihat nandersetzung mit dieser Fragestellung hat sie nach eigener Aussage immer vermisst. Und nicht nur sie als erfahrene Lehrkraft: Ihre Tochter unterrichtet seit kurzem ebenfalls an einer Grundschule: „Sie hat zu diesen Themen auch noch nie etwas gehört.“O
Unsere Zeitung wird Petra Mül ler auf ihrem Weg durch das Projekt „Streck deine Hand aus“begleiten und immer wieder darüber berichten.
Digitalkonzept für die Schule erarbeiten. Vertretungsplan für erkrankte Lehrer organisieren. Ganztagsbetreuung sicherstellen. Inklusion bewältigen. In Lehrerkonferenzen gibt es viel zu klären und abzustimmen. Über ein Thema wird laut Gymnasiallehrer Andreas Walch so gut wie nie geredet: „über unser pädagogisches Kerngeschäft“. Über die Frage also, wie macht der Lehrer seinen Job? Wie vermittelt er sein Wissen? Und wie viel kommt davon bei den Schülern an?
Die Qualität des Unterrichts zu optimieren, steht im Fokus des in Süddeutschland einzigartigen Weiterbildungsprojektes, das das Schulwerk der Diözese Augsburg zunächst an vier seiner Schulen in der Region als Pilot gestartet hat, und das bis 2024 auf alle 39 Schulen und damit rund 1700 Lehrer ausgedehnt werden soll.
In Zusammenarbeit mit Prof. Klaus Zierer von der Universität Augsburg hat das Schulwerk acht Workshops für Lehrer entwickelt, an denen die Pädagogen über zwei Schulhalbjahre verteilt teilnehmen. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung mit Fragen wie: Wie lernen unsere Schüler? Wie sieht eine positive Schüler-Lehrer-Beziehung aus? Wie gibt man zielführend Feedback? Pädagogische Kernfragen, mit denen sich Lehrer nach Andreas Walchs Erfahrung im Alltag viel zu selten auseinandersetzen. Walch koordiniert das Projekt und das Trainerteam, das neben ihm aus sieben Lehrern besteht, die jeweils zu zweit ihre Kollegen an den Pilotschulen betreuen. Im Anschluss an die acht Workshops sollen die Schulen dann individuelle Entwicklungskonzepte erarbeiten.
Die wissenschaftliche Erfolgskontrolle stellt eine Doktorarbeit sicher, in der außer den Pilotschulen eine Kontrollschule ohne Weiterbildungsprogramm untersucht wird. In diese Arbeit fließen auch die Feedbacks der Schüler ein – denn deren Meinung ist ebenfalls regelmäßig gefragt. (say)