Wird das Fernsehen prüder?
Nackte Haut ist heute überall zu sehen. Immer weniger aber in Filmen, behaupten Medienexperten. Wie sie sich das erklären, was Verantwortliche dazu sagen und ob die „MeToo“-Debatte etwas damit zu tun haben könnte
Die Werbung weiß das schon lange: Nackte Haut erhöht die Aufmerksamkeit. Deshalb hatte auch „mindestens die Hälfte der klassischen TV-Skandale mit Sex zu tun“, sagt Medienwissenschaftler Gerd Hallenberger. Die Reihe dieser Skandale ist in Deutschland lang. Man denke nur an die Aufregung um die entblößte Brust von Romy Schneider 1961 in „Die Sendung der Lysistrata“. Für Kopfschütteln und Ablehnung – zunächst einmal bei Filmverantwortlichen – sorgte auch der Kinofilm „Zur Sache, Schätzchen“von 1968 mit einer recht freizügigen Uschi Glas. Die 1968er-Bewegung formierte sich damals, Millionen Menschen wollten die Komödie schließlich sehen. Erst kürzlich lief sie im BR Fernsehen. Längst ist sie ein „Kultfilm“.
Bereits in den 1970ern gerieten dann angesichts der nackten Brüste von Ingrid Steeger im Comedyformat „Klimbim“(1973 bis 1979) nur noch männliche Jugendliche in Wallung. Heute, so stellt Hallenberger fest, „lohnt es sich für das Fernsehen nicht mehr, noch auf diese Weise Aufmerksamkeit zu erregen“. Internetseiten wie YouPorn erfüllten ohnehin alle Wünsche.
Obwohl nackte Haut omnipräsent zu sein scheint – im Fernsehen wird sie offenbar seltener. Jedenfalls auf den wichtigen Sendeplätzen der großen TV-Sender. Es gab eine Zeit, da wurden Autoren bei Drehbuchbesprechungen aufgefordert, noch eine Sexszene einzubauen. Heute findet der Sex zum Beispiel im Fernsehfilm in der Regel unter der Decke statt. Ursache, glaubt Hallenberger, sei ein neuer Puritanismus: „Sex im Film oder in der Werbung war das Symbol eines den Sinnen und der Welt zugewandten Lebens, in dem Lust und Genuss im Vordergrund standen. Diese Zeiten sind vorbei. Nackte Haut hat für viele Zielgruppen keinen Reizwert mehr oder ruft sogar Ablehnung hervor, und natürlich hat sich auch in den Redaktionen das Bild der Geschlechterrollen geändert.“
Das bestätigt Joachim von Gottberg. Während Sex früher regelmäßig ein Fall für den Jugendschutz war, kümmert sich die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) der Privatsender ihrem Geschäftsführer von Gottberg zufolge heute um ganz andere Dinge – allen voran „um TVFormate, die Kinder oder Jugendliche dazu animieren könnten, gefährliche Mutproben nachzuahmen“.
Joachim von Gottberg erklärt sich die Zurückhaltung beim Thema Nacktheit im Fernsehen unter anderem mit einer gestiegenen Sensibilität: „Wenn bei der FSF ein Prüfausschuss mehrheitlich männlich besetzt ist, haben Sexfilme deutlich Karten, weil Männer in einer Art vorauseilendem Gehorsam viel empfindlicher reagieren. Frauen sehen das meist deutlich lockerer.“
Von einem „neuen Puritanismus“im Fernsehen wollen dagegen gleich dem der Vermutung, Frauen in Schlüsselpositionen hätten maßgeblichen Anteil daran, dass es weniger Nacktheit gebe. Es gehe in den Filmen und Serien immer darum, „wie Körperlichkeit, Sinnlichkeit und Sexualität erzählt werden. Und wie die Haltung der Figuren dazu ist.“Biermann zählt eine ganze Reihe jüngerer SWR-Produktionen auf, „die ganz offen mit Nacktheit und Sexualität umgehen“, darunter der Stuttgarter RAF-„Tatort“von Dominik Graf („Der rote Schatten“) oder das Amour-fou-Drama „Sag mir nichts“. Immerhin: Barbara Buhl findet, dass sich „durch ein verändertes Rollenverständnis von Männern und Frauen auch die Darstellung von Sexualität verändert hat. Heute wird anders erzählt als in früheren Fernsehfilmen.“
Und wie denkt man bei den Privatsendern darüber, die einst mit „Lederhosenfilmen“(„Liebesgrüße aus der Lederhose“) oder ObenOhne-Shows wie „Tutti Frutti“Quote machten? Yvonne Weber, Redaktionsleitung Deutsche Fiction bei ProSiebenSat.1, kann der These vom Rückgang der Nacktheit durchaus folgen, bringt aber noch einen ganz anderen Aspekt ins Spiel: „Die Digitalisierung hat auch bei diesem Thema eine Trendwende eingeleitet“, erklärt sie. „Wir erleschlechtere ben immer häufiger, dass viele Schauspieler Vorbehalte haben, sich nackt zu zeigen, denn inzwischen weiß jedes Kind: einmal im Netz, immer im Netz.“
Die in Konstanz geborene Schauspielerin Barbara Auer ergänzt: „Es