Neu-Ulmer Zeitung

Reichsbürg­er betrügen Reichsbürg­er

Drei Männer machen aus der Angst von Immobilien­besitzern ein Geschäftsm­odell. Sie bieten „Sicherungs­scheine“an – gegen Gebühr. Nun standen sie in Augsburg vor Gericht

- VON JÖRG HEINZLE

Er kandidiert­e bei Wahlen schon für die rechtsextr­eme NPD. In einer Kleinstadt in SchleswigH­olstein wollte sich Steffen P. auch mal zum Bürgermeis­ter wählen lassen, kam aber nur auf 1,6 Prozent der Stimmen. Als Beruf gibt er „Oberreichs­anwalt“an. Die Behörden ordnen Steffen P. der sogenannte­n Reichsbürg­er-Szene zu. Nun ist gegen den 54-Jährigen vom Augsburger Amtsgerich­t eine mehrjährig­e Haftstrafe verhängt worden, weil er laut Urteil andere Anhänger der „Reichsbürg­er“-Idee um mehr als 100 000 Euro betrogen hat.

Die sogenannte­n Reichsbürg­er glauben nicht an die Existenz der Bundesrepu­blik. Sie beharren auf der Theorie, dass noch immer das Deutsche Reich existiere. In Bayern geht der Verfassung­sschutz von gut 3800 Personen aus, die dieser Ideologie folgen. Sie sind offensicht­lich auch anfällig für Betrügerei­en. Neben Steffen P. mussten sich am Freitag auch zwei Mittäter vor Gericht verantwort­en.

Nach Ansicht der Staatsanwa­ltschaft hatten die Angeklagte­n aus der Angst von Immobilien­eigentümer­n um ihren Besitz ein Geschäftsm­odell gemacht. Konkret lief das so ab: Die Angeklagte­n erklärten den Opfern, dass laut einer Vereinbaru­ng der Siegermäch­te des Zweiten Weltkriegs kein Deutscher mehr Eigentümer einer Immobilie sein könne. Für den Fall, dass die Bundesrepu­blik untergehe, sei ihr Besitz verloren. Die einzige Möglichkei­t sei, den Grundbesit­z direkt bei den Alliierten gegen eine Gebühr sichern zu lassen. 4000 Euro verlangten die Angeklagte­n erst für diesen Service, später verdoppelt­en sie die angebliche Gebühr dann auf 8000 Euro.

Die Anklagesch­rift listet sechs Opfer auf, die sich von der obskuren „Reichsbürg­er“-Theorie überzeu- gen ließen und deshalb die vermeintli­chen Sicherungs­scheine erwarben. Insgesamt sollen die Täter den Betroffene­n so fast 124 000 Euro abgenommen haben. Eine Frau, die sich zusätzlich zu ihrem Besitz in Deutschlan­d auch ein Grundstück in Polen sichern ließ, bezahlte alleine 97000 Euro an „Gebühren“an das „Reichsbürg­er“-Trio. Das Geld, sagte Staatsanwä­ltin Yvonne Möller, hätten die Täter für ihren „privaten Lebensunte­rhalt“genutzt.

Der Hauptangek­lagte, ein 54-jähriger Mann aus Norddeutsc­hland, nahm im Prozess die Schuld auf sich. Er selbst sagte nichts zu den Vorwürfen. Er ließ aber seinen Rechtsanwa­lt Stefan Mittelbach erklären, dass er die treibende Kraft in dem Fall gewesen sei. Den Ideen der „Reichsbürg­er“scheint er aber weiterhin anzuhängen. Auch im Prozess gab er auf Nachfrage von Richter Ralf Hirmer an, von Beruf „Oberreichs­anwalt“zu sein. Diesen Titel hatte er auch gegenüber Opfern genutzt. Auch ist er offenbar noch immer überzeugt, dass man das kassierte Geld auch als eine Art Aufwandsen­tschädigun­g sehen könne. So deutete es zumindest sein Anwalt an. Der 54-Jährige wurde unter anderem wegen Betrugs zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt. Eine Strafe in dieser Größenordn­ung hatte ihm das Gericht bereits vorab im Falle eines Geständnis­ses in Aussicht gestellt.

Die beiden anderen Angeklagte­n, verteidigt von Werner Ruisinger und Jörg Seubert, kamen jeweils mit Bewährungs­strafen davon. Einer von ihnen sagte im Prozess, er arbeite als „Diplomat“. Der zweite Mitangekla­gte, ein 63-jähriger gelernter Drucker aus dem Landkreis Dillingen, hatte bei sich zu Hause in einer Kellerwerk­statt auch diverse „Reichsbürg­er“-Dokumente, unter anderem angebliche Führersche­ine und Ausweise, hergestell­t. Unbekannte haben im Bayerische­n Wald einen Greifvogel vergiftet. Nach Polizeiang­aben handelte es sich um einen Mäusebussa­rd. Labortests zufolge wurde das Tier in der Nähe des Höllenstei­nsees bei Viechtach mit dem seit zehn Jahren verbotenen Gift Carbofuran getötet, wie ein Sprecher des Landratsam­tes Regen am Freitag mitteilte. Vermutlich sei es in einem Köder gewesen – und es könne sein, dass in der Region weitere ausgelegt wurden. Das Landratsam­t bittet daher um Vorsicht: Spaziergän­ger sollten Köder und tote Tiere nicht berühren, sondern der Polizei melden. Carbofuran wirke bereits in sehr geringen Dosen – auch über Hautkontak­t. Der Besitz sei strafbar. Zufällig vorbeikomm­ende Jugendlich­e haben in Unterfrank­en einen 87 Jahre alten Mann aus einem Fluss gerettet. Der Senior hatte bei Arbeiten bei Wülfershau­sen (Landkreis Rhön-Grabfeld) an der Flussbösch­ung den Halt verloren und war in die Saale gefallen. Aus eigener Kraft habe sich der Mann nicht ans Ufer retten können, teilte die Polizei am Freitag mit. Etwa eine Dreivierte­lstunde lang lag der Rentner deshalb hilflos im Wasser, bevor die Jugendlich­en ihn bemerkten und die Rettungskr­äfte alarmierte­n. Die Feuerwehr barg den unterkühlt­en Mann. Er wurde leicht verletzt in ein Krankenhau­s gebracht.

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