Neu-Ulmer Zeitung

Grenzenlos Metallica!

Die Band gibt es seit 37 Jahren. Was macht die Metal-Helden aus? Eine Erkundung in München

- VON WOLFGANG SCHÜTZ VON DAGMAR HUB

Wahrschein­lich sind sie die jüngsten alten Rockhelden der Welt. Das zeigt sich schon am vermeintli­ch Normalsten: Metallica, vor inzwischen 37 Jahren gegründet, sind mal wieder auf Welttourne­e, sie treten am Donnerstag­abend in der Münchner Olympiahal­le auf und spielen in den zwei Stunden reichlich Songs vom Album „Hardwired…“– wie man das eben als Musiker tut, wenn man neues Material zu promoten hat. Aber Moment: Promoten? Metallica?

Längst gehören die Amerikaner zum Olymp des Rock, zu den Legenden des Metal. Sie haben Suchtprobl­eme, Kompetenzg­erangel, den Ausstieg von Mitglieder­n, Stilbrüche und den zwischenze­itlichen Aufstieg zu Popstars überlebt, wirken heute mehr bei sich als je zuvor, und vor allem: Als Monolith im sich hitzig wandelnden Musikgesch­äft wirken sie über alle Grenzen erhaben. Minuten hat es nur gedauert, bis die 15200 Karten für den Auftritt in München bei Preisen von durchweg über 100 Euro ausverkauf­t waren – womöglich ein Rekord für diese Halle, weil James Hetfield, Kirk Hammett, Robert und Lars Ulrich auf einer verhältnis­mäßig kleinen, quadratisc­hen Bühne mitten in der Arena auftreten und damit mehr Raum als gewöhnlich für die Fans lassen. Die nennen sich längst „Metallica Family“, was tatsächlic­h dreifach stimmt: 1. weil der Umgang dieser Helden der Härte mit ihren Verehrern von reinster Nettigkeit geprägt ist; 2. weil die Gemeinscha­ft der Millionen treuer Metallica-Shirt-Träger die Welt wie ein unverbrüch­liches Netz umgarnt; 3. weil auch hier in München von den gealterten Kuttenträg­ern über jüngere MetalHeads bis zu Kindern wirklich die ganze Familie zum Konzert strömt.

Denn man weiß: Mit Metallica kann man was erleben. Nicht einTrujill­o fach nur das übliche, routiniert­e Best-Of-Abschrubbe­n gealterter Rockhelden. Bei den letzten Tourneen haben die vier Mittfünzig­er Jubiläen genutzt, um ihr schwarzes Hit-Album und das legendäre „Master of Puppets“komplett live zu zelebriere­n oder auch mal ein Set sonst nie gespielter B-Seiten. Diesmal dagegen tun Metallica einfach

Vordergrün­dig inszeniert Oliver Haffner Georges Feydeaus 1907 uraufgefüh­rte Verwechslu­ngskomödie „Der Floh im Ohr“im Großen Haus des Theaters Ulm als rasantes Boulevards­tück. Doch steckt hinter dem Komödianti­schen nicht ein bisschen mehr? Haffners Inszenieru­ng entblößt die Wohlanstän­digkeit der Pariser Belle Époque: Hinter einer Fassade prüder Bürgerlich­keit blühen die Gelüste und Fantasien. Und auch wenn auf der Bühne nicht nur die Doppelmora­l entblößt wird, sondern so mancher in Unterhosen und weniger dasteht – die erotischen Träume bleiben Kopfkino, und das Publikum hat viel zu lachen.

Feydeaus Komödienti­tel „La puce à l’oreille“ist mit „Der Floh im Ohr“wörtlich übersetzt. Die Redewendun­g erfuhr über die Jahrhunder­te einen Bedeutungs­wandel. Im Französisc­hen beschreibt sie das beunruhige­nde Gefühl, zu merken, dass etwas nicht stimmt und hellhörig oder misstrauis­ch zu werden. Im Deutschen meint die Metapher, bei einem anderen eine fixe Idee zu wecken, die dieser nicht mehr loswird. Verblüffen­d an Oliver Haffners Inszenieru­ng: Beide Bilder funktionie­ren. Raymonde Chandebise­s „Floh im Ohr“meldet sich, als ihrem Ehemann seine Hosenträge­r aus einem Hotel mit zweifelhaf­tem Ruf zugeschick­t werden – und sie setzt ihrer Freundin Lucienne den Floh ins Ohr, den vermeintli­ch Untreuen überführen zu müssen.

Für die letzte Schauspiel-Premiere der Intendanz von Andreas von Studnitz bietet das Theater Ulm sein ganzes Ensemble auf, um zu zeigen, wie in einer rasanten Farce der gute Ruf aller in Stücke geht, ausgelöst von einem so simplen wie falschen Verdacht. Raymondes Mutmaßunge­n nähren sich aus dem plötzlich erloschene­n sexuellen Interesse ihres Ehemannes, des biederen Lebensvers­icherungsd­irektors Victor Emanuel, und sie lockt über ihre Freundin Lucienne (Aglaja Stadelmann) den lustlosen Gatten in das Stundenhot­el „Zum galanten Kätzchen“. Dieses ist wohlbekann­t bei der gesamten Gesellscha­ft – außer bei Victor Emanuel und Raymonde (Tini Prüfert), die sich bislang sehr zugetan gewesen waren.

Im großbürger­lichen Bühnenbild so, als wären sie eine ganz normale Rockband, mit neuem Material, das dazwischen Evergreens wie „Sad But True“und „One“, „Seek & Destroy“und zum Abschluss „Enter Sandman“mischt – und dadurch im Vergleich zu vielen anderen zeigt: Sie wollen und können Gegenwart und, wenn die Spielfreud­e nicht nachlässt, auch Zukunft.

Apropos Spielfreud­e und Zukunft: Wie in jeder Stadt dieser Tour servieren Metallica auch in München ein passendes Cover – in Wien war’s Falcos „Rock Me Amadeus“, in Stuttgart „Major Tom“vom dort stammenden Peter Schilling. Hier ist es „Skandal im Sperrbezir­k“, das Bassist Robert Trujillo singt, begleitet von Kirk Hammett an der Gitarre. Wirklich witzig und mitreißend. Und mitten im Konzert öffnen sich im Boden der ohnehin effektstar­ken Zentralbüh­ne Luken, und es erhebt sich eine Hundertsch­aft an kleinen Drohnen, die dann über den Köpfen der Band zum Lichtertan­z in Formatione­n schweben. Wirklich originell und schön!

So wirken Metallica immer alterslose­r, grenzenlos­er – eine Band, von der nach bald 40 Karriereja­hren tatsächlic­h noch einiges zu erwarten ist. Die lebt! Fasziniere­nd. von Britta Lammers geht es zwischen bürgerlich­er Eleganz, Sockenhalt­ern und Hosenträge­rn um männliche Versagensä­ngste und um überpotent­e Träume, um das Klischee vom feurig-eifersücht­igen Spanier und vor allem darum, dass ausgerechn­et der angesehene Herr Direktor einen Doppelgäng­er hat, den wermutseli­gen Windbeutel Poche, Portier im Stundenhot­el. Gunther Nickles spielt seine Lust am permanente­n Wechsel der beiden Figuren gekonnt aus. Benedikt Paulun springt in der Rolle des Neffen Camille Chandebise sicher zwischen ausgespiel­tem Sprachfehl­er und Momenten des fehlerfrei­en Sprechens hin und her. Fabian Gröver mimt den Lebemann Roman Tournel, und Franziska Maria Pößl setzt als attraktive Bedienstet­e den Männern aller gesellscha­ftlichen Schichten feuchte Träume ins Gehirn, während ihr Ehemann, Kammerdien­er Etienne (Jakob Egger), immer wieder wegen seines „delikaten“Problems Doktor Finache (Timo Ben Schöfer) aufsucht. Ein einem Comic entsprunge­ner Cowboy (Florian Stern), optisch vom Typ Lex Barker und schießwüti­g wie Lucky Luke, mischt das Rotlicht-Hotel vergnüglic­h auf.

Gewinner sind sie alle nicht, die Besucher im Stundenhot­el. Und auch dessen Belegschaf­t nicht. Vielleicht will Oliver Haffner seinem Publikum genau dies sagen – versteckt hinter der Maske des Lachens. O 12., 16. und 18. Mai 3., 6.,

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Foto: Imago Metallarbe­iter: Robert Trujillo, James Hetfield, Lars Ulrich und Kirk Hammett in Aktion.
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Foto: M. Kaufhold, TU Dem Manne kann geholfen werden: Gun ther Nickles (links) und Christel Mayr im Rotlicht Hotel.

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