Wie der Kreuzzug doch noch Erleuchtung bringen kann
Ministerpräsident Söder hat mit seinem Vorstoß allerhand ausgelöst – nur eben leider keine fruchtbare Debatte. Er hat aber nach wie vor die Chance, dies zu ändern
krachend gescheitert. Denn zwar reden alle über das Kreuz, nur nicht miteinander. Der Rest Deutschlands schimpft über die CSU, der im Kampf um die absolute Mehrheit kein Mittel mehr heilig sei. Deren neuer Generalsekretär Markus Blume – gerne als besonnener Zeitgenosse beschrieben – weiß sich nicht anders zu helfen, als solche Kritiker eine „unheilige Allianz aus Religionsfeinden und Selbstverleugnern“zu nennen. Dabei rumort es gar in Söders Kabinett. Wissenschaftsministerin Marion Kiechle hielt seinen Vorstoß für „keine besonders kluge Idee“– und ruderte erst zurück, nachdem sie wohl einen Rüffel erhalten hatte.
Nicht einmal die Kirchen, die sich eigentlich über so viel Aufmerksamkeit für ihr Symbol freuen müssten, können den Ansatz einer frohen Botschaft erkennen. Kein Geringerer als der Chef der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, spricht über Söders Erlass, als handele es sich um einen Gewaltakt gegen das Kreuz – er sieht dieses von Söder zu einer Art bayerischer Traditions-Trophäe umgedeutet.
Liegt es an Religionsfeindlichkeit im Rest der Republik, dass die Debatte so entgleist ist? Auch an Verzagtheit der Christen im Angesicht angeblicher „Islamisierung“? Nein, diese traurige Woche hat sich Markus Söder selber zuzuschreiben – weil es ihm um diese ehrliche Debatte niemals ging. Wer keinen Unterschied macht, ob er das Kreuz für die Kameras inszeniert oder Spargel aus Franken, verliert als Debatten-Initiator so gut wie jede Glaubwürdigkeit. Uns ist an Islamisten so unheimlich, dass sie keine Grenze zwischen Religion und Politik ziehen. Muss das Bundesverfassungsgericht nun den bayerischen Ministerpräsidenten an solche Grenzen erinnern?
Und doch könnte Söder seinen Fehler wieder ausmerzen und die ausgeuferte Diskussion in fruchtbare Bahnen lenken. Kardinal Marx hat angedeutet, wie dies gelingen könnte. Man solle ruhig über die Rolle von Kreuzen diskutieren, sagte er – aber in einer breiten Debatte mit allen Gruppen der Gesellschaft. Ein anspruchsvolles Unterfangen, gewiss, aber notwendig für den Zusammenhalt in unserem Land. Warum also sollte der Ministerpräsident nicht einen Runden Tisch einberufen, der über die Bedeutung des Kreuzes diskutiert und dazu gezielt Vertreter einlädt, die dieses Kreuz ablehnen, es vielleicht sogar fürchten?
Schließlich hat Söder gesagt, er sähe das Kreuz als kulturelles Symbol. Debatten über unsere Kultur betreffen alle. Und, ja, dazu gehört die Frage, warum so viele derzeit über christliche Werte und das Abendland reden, diese Werte aber nicht mehr so gerne praktizieren.
So ein Schritt wäre keine Blamage für Söder. Er würde beweisen, dass sich aus Fehlern Erleuchtung gewinnen lässt – und das wäre, frei nach dem CSU-Wahlprogramm, gerade das Beste für Bayern. Zum selben Thema: In diesem Artikel lassen Sie kein gutes Haar an Bischof Konrad Zdarsa! Unter anderem werden mindestens drei Priester anonym zitiert. Warum stellen diese Priester ihrem Bischof nicht persönlich diese Fragen, haben sie nicht den Mumm dazu? Erinnern sie sich nicht mehr an ihre Priesterweihe, was sie dem Bischof und den folgenden versprochen haben? In der Gewissenserforschung steht: „Achte ich auf meine Worte, ob sie wahrhaftig oder falsch sind? Wertschätzend, heilend oder verletzend? Aufrichtig oder entwertend? Spaltend oder verbindend?“Das trifft leider weder für die zitierten Priester noch für die beiden Journalisten zu.
Stadtbergen Zum Pro und Contra „Mit gutem Gefühl zum Impfen?“(Wochenend Journal) vom 28. April: Eine der größten Errungenschaften der Menschheit so zur Diskussion zu stellen, macht mich fassungslos. Jemandem wie Frau Worschech, die solch hanebüchene, durch zahlreiche und jahrzehntelange Studien widerlegte „Argumente“ins Feld führt, ein solches Podium zu bieten, ist verantwortungslos. Mithilfe von Impfungen konnten Krankheiten wie etwa die Pocken nahezu ausgerottet werden. In Entwicklungsländern sterben viele Menschen weiterhin qualvoll an Krankheiten wie Kinderlähmung oder Tetanus, wohingegen bei uns die große Mehrheit eben durch Impfungen gegen Derartiges geschützt ist. Die üblichen Argumente contra Impfen werden gebetsmühlenartig fast komplett ins Feld geführt und zeigen: Leider sind sie rationalen Argumenten gegenüber nicht mehr zugänglich.
Augsburg Zu „Weihbischof Losinger verteidigt Hartz IV“(Wirtschaft) vom 27. April: Es ist immer einfach, Hartz IV zu verteidigen, solange man es selber nicht am eigenen Leib erfahren hat. Weihbischof Losinger wird wohl nie von Hartz IV betroffen sein und bis ins hohe Alter von der katholischen Kirche finanziell abgesichert bleiben. Selber satte Selbstzufriedenheit genießen, aber anderen sagen, wie sie mit ihrem Elend zurechtkommen sollen. Er sieht keine Alternative zu Hartz IV. Warum auch? Obwohl sein Blick angeblich denen gilt, die in der Gesellschaft benachteiligt sind. Das ist doch ein Witz, oder? Bad Wörishofen Zu „Immer weiter, immer mehr?“(Feuil leton) vom 24. April: Dieser Artikel passt sehr gut zum Karl-Marx-Geburtstagsjahr. Das hier beschriebene Wirtschaften ist Kapitalismus, wie er ihn analysierte. Marx sagte über jedes kapitalistische Unternehmen „Stillstand heißt Rückschritt“. Das ist der Zwang kapitalistischer Verwertungslogik unter Konkurrenzbedingungen. Folglich Wachstum bis zu der Grenze, an der sich alles Kapital selbst entwertet … Dass Wachstum erst mal nichts mit Wohlstand zu tun hat, ist ein alter Hut: Kapitalakkumulation in wenigen Händen (1%). Diese Anhäufung hat auch keinen Gebrauchswert mehr, sondern ist Selbstzweck. Und da sind noch die Konkurrenzbedingungen, die Ausweitung und Reinvestition erzwingen bei Strafe des Untergangs. Alles keine Anreize zu Nullwachstum oder gar gerechterer Verteilung, im Gegenteil: das ist das Schreckgespenst!
Die meisten hier vorgestellten Alternativvorschläge kranken allerdings an zu viel Moral bzw. Idealismus und – um beim Thema zu bleiben – an zu wenig materialistisch-marxistischer Analyse. Dass dieses Dilemma bereits Marx bekannt war, wogegen er heftig wetterte, macht die Sache nicht tröstlicher. Einzig die Politik kann es richten! So die letzte Feststellung des Artikels. Ja, stimmt, aber…
Friedberg