„Wir haben fast nie ehrlich verhandelt“
Obwohl er vor 19 Jahren seinen Dienst als israelischer Botschafter in Deutschland beendet hat, ist Avi Primor eine der profiliertesten Stimmen seines Landes geblieben. Das liegt auch an den kritischen Tönen gegenüber der eigenen Regierung
Sie sind jetzt 83 Jahre alt. Werden Sie es noch erleben, dass es im Nahen Osten Frieden gibt?
Das ist die entscheidende Frage. Wir leben im Kriegszustand seit unserer Unabhängigkeit vor 70 Jahren. Nicht dass es vorher so ruhig war. Aber vorher waren die Briten da und haben geherrscht. Jetzt ist es so: Viele Jahre konnten wir keinen Frieden haben, weil unsere Nachbarn die Existenz eines jüdischen Staates nicht hinnehmen wollten. Sie wollten den Staat Israel im Keim ersticken, was ihnen nicht gelang. Nach dem Unabhängigkeitskrieg 1948 kam noch einer und noch einer. Ägypten hat mit uns inzwischen Frieden geschlossen, Jordanien hat mit uns Frieden geschlossen, die Golfstaaten – zwar nicht offiziell, aber in der Tat. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite haben auch wir einen Teil Palästinas erobert, den Teil, der nach 1948 Teil Jordaniens geworden ist. Und wir herrschen dort bis heute. Dort leben Millionen Palästinenser. Sie haben keine Wahlberechtigung, leben unter brecher. Es wurde der Bevölkerung regelrecht eingeimpft. Und dann wurde 1993 ohne Vorwarnung über die Medien verbreitet, die Rabin-/ Peres-Regierung verhandle nun doch mit den Palästinensern. Man sollte davon ausgehen, dass die Menschen in Israel nach ihrer langjährigen „Erziehung“Sturm gelaufen wären. Aber nichts ist geschehen. Das bedeutet, dass die Israelis mit ihrer Regierung gehen. Ist sie nationalistisch, sind auch sie es. Ist sie kompromissbereit, sind auch sie es. Die Regierung ist Ihnen zufolge aus ideologischen Gründen nicht bereit, das Westjordanland den Palästinensern zu überlassen. Wie ist es mit der Lösung, Araber wie bereits 1948 bei der Staatsgründung als gleichberechtigte Bürger aufzunehmen?
Die Frage, was mit der Bevölkerung passiert, ist unbeantwortet. Würden wir den Palästinensern die israelische Staatsangehörigkeit geben, würden sie angesichts ihrer Geburtenraten in 20 Jahren die Mehrheit des Landes stellen und
Mehr als 15 Monate hat man in Berlin auf den neuen US-Botschafter gewartet. Nun ist Richard Grenell da und sorgt für Unmut am laufenden Band, aktuell mit Äußerungen, die konservativen Kräfte in Europa stärken zu wollen. Die Bundesregierung reagiert mit Unverständnis und verlangt von amerikanischer Seite Aufklärung darüber, wie die in diplomatischen Kreisen ungewöhnlichen Einlassungen Grenells zu verstehen seien. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagt, Grenell bekomme dort am Mittwoch bei seinem Antrittsbesuch Gelegenheit, die Äußerungen selbst zu erklären. Der 51-Jährige ist seit Anfang Mai Botschafter in Berlin.
Nun sagt Grenell der erzkonservativen Plattform Breitbart: „Ich denke, die Wahl Donald Trumps hat die Menschen befähigt zu sagen, dass sie es einfach nicht zulassen können, dass die politische Klasse (in Europa) vor einer Wahl entscheidet, wer diese gewinnt und wer kandidiert.“Den Aufschwung der Konservativen erklärt er mit dem Scheitern linker Konzepte. Und er sagt, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe politisch dafür gebüßt, dass sie in der Flüchtlingskrise keinen umsetzbaren Plan gehabt habe. Lobendes dagegen über Österreichs konservativen Kanzler Sebastian Kurz: Den hält Grenell („Ich bin ein großer Fan“) für einen „Rockstar“.
Die Reaktionen aus Deutschland lassen nicht lange auf sich warten. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel twittert: „Europas Bürgerinnen und Bürger lassen sich von einem Trump-Vasallen nicht sagen, wie sie wählen sollen.“Der frühere SPDChef Martin Schulz sagt, Grenell benehme sich „wie ein rechtsextremer Kolonialoffizier“. Europaabgeordneter Elmar Brok (CDU) kritisiert: „Die rechten Parteien in Europa, die US-Botschafter Grenell aktiv fördern will, sind gleichzeitig die Parteien, die antiamerikanisch sind, mit dem russischen Präsidenten Putin zusammenarbeiten und teilweise Geld von ihm annehmen und die gegen Sanktionen gegenüber Russland sind“.