Vom Sauhaufen zur Staatspartei
Keine andere Partei hat es verstanden, ihren Namen so eng mit dem Schicksal eines Landes zu verknüpfen wie die CSU. Wie aus anfänglichem Chaos eine straff geführte Organisation wurde und was das älteste Mitglied dazu sagt
„Eigentlich“, sagt Paul Aufheimer und lächelt verschmitzt, „eigentlich ist es gar nicht gut, wenn eine Partei so lange regiert. Aber die CSU macht es gut“. Dann fallen ihm kurz vor Müdigkeit die Augen zu.
Paul Aufheimer ist 106 Jahre alt. Er lebt in einem Seniorenheim in Kempten. In seinem Zimmer hängt ein großes Kreuz. Markus Söder würde das gefallen. Paul Aufheimer ist das älteste Mitglied der Christlich-Sozialen Union. Als er im März 1912 geboren wurde, war der Erste Weltkrieg noch nicht ausgebrochen und Franz Josef Strauß noch nicht auf der Welt. Und bis zur Gründung der CSU sollte es noch 33 Jahre dauern.
Aber was ist denn mit den vielen Affären, der Spezlwirtschaft? Aufheimer schlägt die Augen wieder auf. Affären? „Bayern geht es doch gut“, sagt er und lächelt wieder. So kann man das sehen. Vor allem, wenn man seit 72 Jahren Mitglied in der CSU ist.
Paul Aufheimer ist im Frühjahr 1946 kurz nach der Gründung der Partei eingetreten. Weil er froh war, dass „nach Hitler jetzt neue Leute kommen“. Und weil er wollte, dass „das Christliche“zu seinem Recht kommt. Ziemlich chaotisch und unstrukturiert sei es am Anfang noch zugegangen, erzählt der Senior. Ein rechter Sauhaufen war es offensichtlich, wie in alten Texten nachzulesen ist. Mit der modernen, straff geführten Partei, die heute für ihre Schlagkraft und Disziplin bekannt ist, hatte die CSU in den Gründungsjahren nichts zu tun.
Die brutalen Grabenkämpfe und Attacken auf Parteifreunde waren allerdings früh angelegt. Vom 2. April 1946 ist folgende Begebenheit überliefert: Im „Dienstag-Club“, einer lockeren Vereinigung von CSU-Nachwuchskräften, holzte ein gewisser Franz Heubl, später Landtagspräsident, gegen Führungsfiguren der Partei. Einen „Klotz“und „Saubauern“nannte er den einen. Und den ersten CSU-Vorsitzenden Josef Müller („Ochsensepp“) beschimpfte er als „typische Schieberfigur“.
Zu dieser Zeit war die CSU offiziell gerade mal ein Vierteljahr alt. Am 8. Januar 1946 hatte sie ihre Lizenz von der amerikanischen Militärregierung erhalten, nachdem sich in den Monaten zuvor zahlreiche Grüppchen gebildet hatten. Wie erfolgreich diese Partei einmal werden sollte, war damals nicht abzusehen. Dass sie ab 1957 ununterbrochen im Freistaat regieren würde, davon die allermeiste Zeit mit absoluter Mehrheit, auch nicht. Die CSU ist zur alles dominierenden Staatspartei in Bayern geworden. Keine andere Partei hat es verstanden, ihren Namen so eng mit dem Schicksal eines Landes zu verknüpfen. „Ohne CSU geht es doch gar nicht mehr“, sagt Paul Aufheimer.
Trotz aller Verwurzelung in Bayern hat sich die CSU zugleich aber immer als Bundespartei verstanden. Mit der 1945 neu gegründeten Schwesterpartei CDU gab es in Bonn Anfang an eine Fraktionsgemeinschaft. Bei dieser Form der Zusammenarbeit ist es geblieben. Sie sichert der CSU einerseits den größtmöglichen Einfluss auf die Meinungsbildung der großen Schwesterpartei, lässt aber andererseits ihre Unabhängigkeit unangetastet.
Sieht man einmal von der kurzzeitigen Verwirrung nach dem Kreuther Trennungsbeschluss von 1976 ab, so haben noch alle CSU-Führungen dieses Erbstück der Gründungsphase wie ein Juwel gehütet. Ob sich dies in der heftigen Debatte um die Flüchtlingspolitik bald ändert, kann derzeit noch niemand so recht sagen. Jedenfalls schwebt der Geist von Kreuth immer ein wenig im Raum, wenn die CSU mal wieder auf ihre Eigenständigkeit pocht.
Zur Symbolfigur für diesen kantigen Kurs wurde Franz Josef Strauß, der der CSU in 17 Amtsjahren als Parteichef seinen Stempel aufdrückte wie kein anderer. Unter ihm verlor die Partei den Ruf eines katholischen Männervereins – sie wurde zur konservativ-christlichen Volkspartei. In Bonn zog das politische Schwergewicht alle Register, um den bayerischen Löwen besonders in der Innen-, Rechts- und Deutschlandpolitik vernehmbar zu machen. In Bayern galt er als politischer Motor für die Entwicklung vom Agrarstaat zum Hightech-Land.
Zugleich steht der Name Strauß für die größte Zerreißprobe in der Geschichte der CSU. Die Altlasten seiner Regierungs-Ära mit Filz- und Spezlwirtschaft gipfelte vor genau 25 Jahren in der Amigo-Affäre. Einige führende Köpfe der Partei – allen voran Ministerpräsident Max Streibl – mussten ihren Hut nehmen.
Nachfolger Edmund Stoiber markierte einen Neubeginn. Nach dem zermürbenden Machtkampf mit Parteichef Theo Waigel um den Revon gierungssessel räumte der „Saubermann“die Hinterlassenschaft gründlich auf und konnte bei den Landtagswahlen 1994 die absolute Mehrheit erneut sichern.
Dass der erfolgreiche Stoiber dann 2007 als Ministerpräsident abgesägt wurde, gehört ebenso zur Geschichte der Partei. Die CSU reagiert extrem empfindlich, wenn ihr Wahlerfolg in Gefahr gerät. Zuletzt musste das Parteichef Horst Seehofer erfahren, der aus dem Ministerpräsidentenamt gedrängt wurde. Da geht es der CSU dann auch nicht nur um das Wohl des Landes.
Und Markus Söder? Der versucht seit drei Monaten als Ministerpräsident, mit einem wahren Feuerwerk von Ideen, der CSU im Herbst wieder zur absoluten Mehrheit zu verhelfen. Bisher ohne Erfolg, besagen die Umfragen. „Von Söder habe ich persönlich wenig Eindrücke“, sagt CSU-Urgestein Paul Aufheimer. „Aber er hat sich seit vielen Jahren sehr hervorgetan. Er scheint der richtige Mann zu sein.“ Mit einer mehrere Kilometer langen Fahrt auf den Puffern eines Regionalzuges hat sich ein Jugendlicher in Lebensgefahr gebracht. Der 16-Jährige ist am Dienstagmorgen in Kissing (Kreis Aichach-Friedberg) auf die Puffer zwischen zwei aneinandergekoppelten Zügen geklettert und nach Augsburg gefahren. Dort geht er zur Schule. Laut Bundespolizei wurde die Strecke Augsburg–München gesperrt. Einsatzkräfte suchten nach dem Passagier und fanden den Jugendlichen in der Nähe des Zuges. Nach einer Belehrung des 16-Jährigen und einem Anruf der Polizei bei seinen Eltern durfte er zur Schule gehen. (AZ)