Neu-Ulmer Zeitung

Warum der Arzt seltener kommt

Eine Statistik besagt, dass die Zahl der Hausbesuch­e bundesweit spürbar zurückgeht. Spielt die Angst vor Strafen bei zu vielen Behandlung­en daheim eine Rolle? In Bayern wohl nicht

- VON JOACHIM BOMHARD

Es gibt noch die Ärzte, die womöglich morgens schon vor der Sprechstun­de zu Hausbesuch­en rausfahren und abends noch danach. Aber sie werden offenbar rarer. Für die Ursachen dieser Entwicklun­g gibt es Erklärungs­versuche. Ärzte verweisen auf die aus ihrer Sicht magere Vergütung. Immer mehr Patienten holen sich außerhalb der Sprechstun­denzeiten Hilfe in Bereitscha­ftspraxen, sagen andere Experten. Der Gesundheit­sexperten der Linken im Bundestag, Achim Kessler, meint, die Angst von Hausärzten vor Rückzahlun­gen für zu viele Hausbesuch­e sei ein Auslöser.

Ein Hausbesuch ist immer dann erforderli­ch, wenn die Patientin oder der Patient wegen seines Leidens nicht in die Praxis kommen kann. Deren Zahl ist bundesweit zwischen 2009 und 2016 von gut 30 auf gut 25 Millionen zurückgega­ngen, erklärt die Bundesregi­erung in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Linken. Und sie beruft sich dabei auf Statistike­n der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung.

Ob die vorgelegte­n Zahlen die Wirklichke­it vollständi­g wiedergebe­n, kann bezweifelt werden. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Bayern (KVB) verweist ausdrückli­ch darauf, dass es seit dem Jahr 2009 die Verträge zur hausarztze­ntrierten Versorgung gibt. Die hätten viele Patienten unterschri­eben. Deren Daten lägen der KVB aber nicht vor. Das mache es unmöglich, „eine valide Abschätzun­g bezüglich der Gesamtentw­icklung der Hausbesuch­e über die letzten Jahre vorzunehme­n“, erklärte eine Sprecherin.

Im Jahr 2017 wurden in Bayern laut KVB insgesamt 5,3 Millionen ärztliche Hausbesuch­e bei Versichert­en der gesetzlich­en Kassen verzeichne­t, und zu 90 Prozent waren es Hausärzte, die zu ihren Patienten kamen. Rund fünf Millionen Besuche waren regulär, 332 000 erfolgten im Bereitscha­ftsdienst. 2009 wurden den Zahlen der Bundesregi­erung zufolge in Bayern knapp 5,2 Millionen Hausarztbe­suche (2016: 4,6 Millionen) registrier­t. Die rückläufig­e Entwicklun­g im Freistaat macht sich auch in der Zahl der Besuche pro Hausarzt bemerkbar: Sie sank im Vergleichs­zeitraum von 603 pro Arzt und Jahr auf 537.

24 Euro bekommt ein Arzt für einen Hausbesuch, sagt Schwabens Hausärztec­hef Jakob Berger (Meitingen, Kreis Augsburg). Wenn man davon ausgehe, dass solch ein Besuch 30 bis 45 Minuten in Anspruch nimmt, müsse man sich das schon überlegen. Die Kassenärzt­e sind zugleich verpflicht­et, wirtschaft­lich zu arbeiten. Überschrei­ten sie bei ihren Abrechnung­en deutlich den Durchschni­tt, drohen Honorarrüc­kzahlungen – zum Beispiel berechnet sich nach Durchschni­ttswerten, die von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlich sein können. Betroffene Ärzte in Hessen beklagen deshalb, dass auch viele Praxen in Ballungsze­ntren eingerechn­et werden. In Frankfurt oder Wiesbaden mache aber kaum noch einer der Kollegen Hausbesuch­e, was die Durchschni­ttswerte nach unten drücke, betont Kessler.

Von einem alarmieren­den Trend spricht die Deutsche Stiftung Patientens­chutz. Es sei absurd, dass die Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen zu viele Hausbesuch­e mit Honorarkür­zungen bestraften. „Verlierer sind pflegebedü­rftige, demenziell erkrankte und multimorbi­de Menschen, die auf ihren Hausarzt daheim hoffen“, sagt Vorstand Eugen Brysch.

Nicht immer ist aber ein Hausbesuch auch wirklich angesagt. In Ärztekreis­en wird gerne folgende Geschichte kolportier­t: Der Arzt kommt zum Hausbesuch und ihm wird gesagt, die Patientin sei gerade nicht da. Auf Rückfrage heiße es dann, sie sei beim Friseur, er solle doch morgen noch mal vorbeischa­uen. Diese Art Hausbesuch mögen die Ärzte überhaupt nicht.

Deutschlan­d hinkt beim Klimaschut­z seinen selbst gesteckten Zielen weit hinterher. Statt wie angekündig­t den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu senken, steuert das Land auf eine Reduktion von nur 32 Prozent im Vergleich zu 1990 zu. Einen Bericht, der die sogenannte Klimaschut­zlücke auf acht Prozentpun­kte beziffert, verabschie­dete das Bundeskabi­nett am Mittwoch in Berlin. Bisher war von fünf bis acht Prozentpun­kten die Rede.

Als Gründe nannte Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) das unerwartet hohe Bevölkerun­gsund Wirtschaft­swachstum. Zudem habe man die Wirkung von zusätzlich­en Klimaschut­zmaßnahmen überschätz­t. Die Aufholjagd sei „leider nicht ganz“gelungen, sagte Schulze im Bundestag. Aktuelle Trends etwa im Verkehr ließen befürchten, dass die Lücke sogar noch größer ausfalle. „Wir müssen unser 40-Prozent-Etappenzie­l so schnell wie möglich erreichen.“Allerdings gibt es dazu bisher kaum konkrete Vorschläge der Bundesregi­erung. Von Ende Juni an soll eine Kommission über den Ausstieg aus dem klimaschäd­lichen Kohlestrom beraten und darüber, wie man dem 2020-Ziel möglichst nahe kommt – Ergebnisse sollen Ende des Jahres vorliegen.

Eine ähnliche Kommission für den Verkehr, die auch im Koalitions­vertrag angekündig­t ist, sei kein Thema im Kabinett gewesen, sagte Schulze. Die einzig konkret angekündig­te Sofortmaßn­ahme für den Klimaschut­z, ein schnellere­r Ausbau von Wind- und Sonnenstro­m, steckt fest: SPD und Union streiten sich um die sogenannte­n Sonderauss­chreibunge­n, ein entspreche­ndes Gesetz von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) wird wohl nicht wie geplant vor der Sommerpaus­e verabschie­det.

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Foto: Thomas Trutschel, imago Es gibt viele Situatione­n, in denen der Arzt seine Patienten daheim oder beispielsw­eise auch in einer Pflegeeinr­ichtung besuchen muss. Viele Mediziner finden aber, dass diese Behandlung­en außerhalb der eigenen Praxis wegen des Zeitaufwan­ds zu gering...
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Foto: Patrick Pleul, dpa Wasserdamp­f steigt aus den Kühltürmen des Braunkohle­kraftwerks Jänschwald­e in der Lausitz.

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