Mit dem „Bullen“kam der Erfolg
Der Schriftsteller Franz Dobler veröffentlicht seit 30 Jahren Bücher. Es gab Zeiten, da musste er durch andere Jobs dazuverdienen. Dann landete er einen Bestseller
Franz Dobler hat in den vergangenen Monaten viel in Klammern geschrieben. Es waren nicht kleine Zusatzinformationen, mit denen Journalisten manchmal Situationen in Interviews beschreiben: etwa „(lacht)“oder „(lacht laut)“. Es waren ganze Abhandlungen. Mit dem in Klammern Gesetzten hat Dobler Atmosphärisches beschrieben, Charaktere und Hintergründe erläutert. Im Auftrag des Bayerischen Rundfunks verfasste er ein Hörspiel.
Es ist nicht das erste Drehbuch, das der 58-jährige Schriftsteller für eine Radiosendung geschrieben hat, genauso wenig, wie die beiden erfolgreichen Fallner-Geschichten seine ersten Romane waren. Dobler veröffentlichte bereits vor 30 Jahren sein erstes Buch. Viele weitere folgten. Manche fanden den Zuspruch der Leser, manche nicht. Letzteres war für Dobler nie ein Grund hinzuwerfen, er machte einfach weiter: schrieb weiter Romane und Radiotexte, hielt weiter Lesungen und legte als DJ auf.
Und auch, wenn er schon immer „alles gemacht“hat, wie er gerne betont, ist heute doch etwas Entscheidendes anders. „Jetzt kann ich mich auf Sachen konzentrieren, die ich machen will. Ich bin freier.“Dobler hat immer einen Auftrag in der Warteschleife, meistens sind es zwei oder drei Projekte, mit denen er sofort loslegen könnte. Als Nächstes will er an einem Gedichtband arbeiten – oder an einem neuen Roman. Der Klett-Cotta-Verlag hat ihm grünes Licht für beide Projekte gegeben und ihm überlassen, was er als erstes anpackt. Unzufrieden ist er also nicht mit seiner momentanen Lebenssituation. Müsste er sie in einer Klammer beschreiben, würde da wohl stehen: (läuft gut).
Dobler ist in Schongau aufgewachsen und hat früh mit dem Schreiben begonnen. Erst bei der Lokalzeitung seiner Heimatstadt, später schrieb der Musikliebhaber für die Süddeutsche Zeitung und das Magazin für Popkultur Spex. In den 80ern lebte er in München. Dort half er von 1983 bis 1989 bei der Organisation des Literaturfestivals „Sage & Schreibe“mit. „Das war eine tolle Zeit, das war Punk“, sagt er. Man war frei, erhielt zwei, drei Mal eine kleine Unterstützung des Kulturreferats und behalf sich ansonsten mit seiner Do-it-yourselfEinstellung. Für Dobler waren diese Abende Abenteuer. „Wir konnten uns austoben“, erinnert er sich.
Seit 1991 wohnt er in Augsburg. Er ist verheiratet, Tochter Pola lebt inzwischen in München. München oder Augsburg – für ihn macht das keinen großen Unterschied. „Mün- chen ist für mich keine andere Welt. Die Stadt ist einfach größer.“Auch in Augsburg tobt er sich aus – literarisch und musikalisch. Er mag die Abwechslung: Er schreibt über Johnny Cash, über sich, über den alternativen Münchner Buch- und Musikverlag Trikont, er schreibt Erzählungen, Krimis, Gedichte. Und wenn er nicht gerade an einem Projekt arbeitet, schreibt er Ideen auf einen Zettel und legt sie in eine Kladde.
Vor dem Erscheinen der FallnerGeschichten gab es auch Durststrecken. Da arbeitete er als Spüler in der Kulperhütte, einem beliebten Augsburger Ausflugslokal an der Wertach. Dobler kennt beide Seiten des Künstlerdaseins. Der Spaß daran ging ihm nie verloren. Auch nicht, vor Publikum aufzutreten. Nicht die Unterhaltung reizt ihn, die Auseinandersetzung mit den Besuchern ist es, die ihn immer wieder eine neuen Veranstaltung organisieren und ihn immer wieder Ja zu einem neuen Projekt sagen lässt. „Ich finde es selber nicht so spannend, 20 Mal denselben Text zu lesen. Ich bin ja kein Vorleser. Es gibt andere Gestaltungsmöglichkeiten: Sachen, die währenddessen passieren können, Zwischenrufe.“
In der jetzt zu Ende gehenden Spielzeit veranstaltete er gemeinsam mit seinem Freund, dem Münchner Autor Friedrich Ani, das „BennoOhnsorg-Theater“im Augsburger Hofmannkeller. In der launigen Literaturrunde wurden Gäste eingeladen, Texte und Musik präsentiert. Dabei blieb Zeit zur zum Philosophieren, über Alltägliches und Grundlegendes zu reden. Friedrich Ani ist inzwischen ausgestiegen. „Ihm war das zu stressig“, sagt Dobler. Ob er das Format in der kommenden Spielzeit weiterführen wird, weiß er noch nicht. Wenn nicht, kommt etwas anderes.
Die Öffentlichkeit ist für ihn nicht alles. Viele Jahre besuchte Dobler die Jugendlichen, die in einem Jugendgefängnis in Augsburg einsaßen, um mit ihnen über Texte zu sprechen. Heute engagiert er sich im Augsburger Flüchtlingsrat. Umgekehrt hat die Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren mehr und mehr Notiz von dem Schriftsteller genommen. Feuilletons und Leser waren gleichermaßen angetan von seinen beiden Kriminalromanen „Ein Bulle im Zug“(ein Verkaufserfolg, für den er 2015 den Deutschen Krimi-Preis erhielt) und „Ein Schlag ins Gesicht“: Der viel beschriebene Dobler-Sound, die schnörkellose Schreibe, die mal tiefgründig, mal verzweifelt und auch mal komisch ist und so den Leser packt, hatte ihre Fans gefunden.
Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass es einen dritten Roman über den Ex-Kommissar Fallner gehen wird. Wann, das weiß Dobler allerdings noch nicht. Er hat keine Eile, keinen Zwang, schnell ein weiteres Abenteuer des beliebten Kommissars nachlegen zu müssen. Im Gegensatz zu anderen Krimi-Reihen will er Fallner kein festes Profil verpassen. „Es ist keine Person, die immer gleich handeln muss.“Franz Dobler ist das auch nicht. Ihr großer Traum sei es, 95 zu werden, sagte die Schriftstellerin Judith Kerr im Alter von 93 Jahren in einem Beitrag für die Zeit, weil sie bis dahin noch das Buch, an dem sie gerade arbeite, zu Ende schreiben könne. Der Traum ist in Erfüllung gegangen: Heute feiert Kerr ihren 95. Geburtstag, in wenigen Tagen erscheint ihr Bilderbuch „Meine Katze Katinka“. „Mehr will ich nicht, ich habe in meinem Leben schon sehr viel Glück gehabt“, fügte Kerr damals noch hinzu. Damit spielte sie darauf an, dass sie, die Tochter des berühmten Berliner Feuilletonisten Alfred Kerr, mit ihren Eltern und ihrem Bruder der Verfolgung der Nationalsozialisten entkommen konnte. In dem Kinderbuch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“hat Kerr von dieser Flucht, die über die Schweiz und Frankreich nach England führte, erzählt. Das Buch ist auch fast 50 Jahre nach seinem Erscheinen noch Schullektüre.
Erst im Alter von 40 Jahren hatte Kerr, die ein Kunststudium in London absolviert hatte, begonnen, Bücher zu verfassen und zu illustrieren. „Ich bin zuerst Zeichnerin, dann Kinderbuchautorin und dann Schriftstellerin“, hat sie einmal gesagt. Das Zusammenspiel von Wort und Bild war ihr immer besonders wichtig. Kerrs erster großer Erfolg wurde das Bilderbuch „Ein Tiger kommt zum Tee“, gefolgt von „Mog, der vergessliche Kater“. Des von ihr so verehrten und geliebten Vaters, der einer kleinen Robbe auf dem Balkon seiner Berliner Wohnung Asyl gewährt hatte, gedachte sie in ihrem Kinderbuch „Ein Seehund für Herrn Albert“.
In ihrem Haus im Südwesten Londons blickt Judith Kerr auf ein glückliches Leben zurück. Dazu gehört neben der gelungenen Flucht auch die über ein halbes Jahrhundert dauernde Ehe mit dem britischen Fernsehautor Nigel Kneal. Das einzige, was sie seit dessen Tod 2006 tröste, sei die Tatsache, dass sie nun 24 Stunden am Tag arbeiten könne, erzählte Judith Kerr in einem Interview. Gut möglich, dass es bei diesem Arbeitseifer nun Judith Kerrs großer Traum ist, 100 Jahre alt zu werden, damit sie noch einige Bücher vollenden kann.