Leben retten in Zeiten des Terrors
Rund 1300 Soldaten, Rettungskräfte und Polizisten tagen im Edwin-Scharff-Haus. Sie wollen die Welt in Zukunft sicherer zu machen, die sie für akut bedroht halten
Es ist eine Szenerie wie aus einem Horror-Film: Im Foyer des Edwin-Scharff-Hauses liegen Puppen mit fehlenden Gliedmaßen, aus Bäuchen quellen Gedärme, verbrannte Haut pellt sich von Gesichtern. Doch die makabre Kulisse hat einen ernsten Hintergrund. Die Bundeswehr lädt zur dritten Combat Medical Care Conference – Tagung und Messe zur medizinischen Versorgung in Einsatzgebieten. Organisiert wird die Veranstaltung vom Ulmer Bundeswehrkrankenhaus (BwK). 1300 Soldaten, Polizisten und sonstige Einsatzkräfte aus 31 Ländern, allesamt in Uniform, schlendern an den Ständen vorbei, sehen Innereien, Kunstblut, mechanisch zuckende Leiber. In einer Ecke leiten Roboter vollautomatisch Wiederbelebungsmaßnahmen ein, auf der anderen Seite stopfen Hersteller Tabletten in Schusswunden, die Blutungen in weniger als einer Minute stillen sollen. Auf Bildschirmen kann der Besucher Aufnahmen von Notoperationen beobachten – gereicht werden dazu übliche Messehäppchen.
Die Aussteller werben mit Sätzen, wie: „Auch uns in Deutschland kann es jederzeit treffen“und „Der Terror ist eine reale Bedrohung.“Die Verkaufsstrategie beruht nicht auf der üblichen Supermarkt-Wohlfühlatmosphäre, sondern auf Angst. Und es funktioniert: Die Aussteller an den Ständen geben bereitwillig zu, dass sie in den vergangenen Jahren deutlich mehr Umsatz gemacht haben. Marcus Meier legt einer Puppe wortwörtlich den Finger in die Wunde und sagt dabei: „Die Nachfrage ist richtig explodiert.“Der Grund sei die Terrorgefahr. Gerade die Polizei kaufe inzwischen kräftig ein. Die Beamten hätten moderne Ausrüstung schon lange gefordert – jetzt seien die politischen Entscheider endlich bereit, zu investieren.
In einem kleinen Raum am Rande der Messe sitzen zur gleichen Zeit die Organisatoren und berichten den Journalisten über immer unsicherer werdende Zeiten: Ralf Hoffmann Chefarzt vom BwK sagt mit ernster Miene: „Die Bedrohungslage hat sich in den letzten Jahren geändert.“Ebenso sei das „politische Umfeld“nicht mehr das gleiche wie früher.
Selbstverständlich habe es auch schon früher Terrorgruppen gegeben, zum Beispiel die RAF, aber an so große Anschläge, wie in den vergangenen Jahren – daran könne sich Hoffmann nicht erinnern. Er nennt den Berliner Breitscheidplatz – wo Winter 2016 auf dem Weihnachtsmarkt ein Terroranschlag Deutschland erschütterte.
Terror sei inzwischen viel präsenter, fährt Hoffmann fort, und darum habe sich auch die Militärmedizin „drastisch weiterentwickelt“. Die Ergebnisse könne der Besucher jetzt auf der Combat Medical Care Conference in Neu-Ulm besichtigen. Auf der Veranstaltung geht es um sogenannte „taktische Medizin“, heißt: die Rettungsmaßnahmen werden der jeweiligen Krisensituation untergeordnet. Zuerst sollen Blutungen der Verwundeten gestoppt werden. „Stop the bleeding, clear the scene“, beschreibt Matthias Helm, Arzt im Bundeswehrkrankenhaus, die Taktik. Jürgen Blätzinger, Präsident der deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie, ist überzeugt, dass „die zivile Seite von unseren Erfahim rungen bereits lernt“. Denn die taktische Medizin könne nicht nur auf dem Schlachtfeld Leben retten, sondern zum Beispiel auch auf hoher See oder im Gebirge.
Die zahlreichen Tagungen, die während der zweitägigen Veranstaltung im Edwin-Scharff-Haus stattfinden, sollen diesen Austausch vorantreiben. Denn es gehe um nicht weniger als die Daseinssicherung, sind sich die Organisatoren einig. Die Turn- und Sportfreunde (TSF) Ludwigsfeld veranstalten am Donnerstag, 14. Juni, ihre Jahreshauptversammlung. Diese findet ab 20 Uhr in der TSF-Sportgaststätte, Schwalbenweg 1, in Neu-Ulm statt. Neben Berichten des Vorstands stehen unter anderem Neuwahlen und Ehrungen auf der Tagesordnung. (az)