Neu-Ulmer Zeitung

Leben retten in Zeiten des Terrors

Rund 1300 Soldaten, Rettungskr­äfte und Polizisten tagen im Edwin-Scharff-Haus. Sie wollen die Welt in Zukunft sicherer zu machen, die sie für akut bedroht halten

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Es ist eine Szenerie wie aus einem Horror-Film: Im Foyer des Edwin-Scharff-Hauses liegen Puppen mit fehlenden Gliedmaßen, aus Bäuchen quellen Gedärme, verbrannte Haut pellt sich von Gesichtern. Doch die makabre Kulisse hat einen ernsten Hintergrun­d. Die Bundeswehr lädt zur dritten Combat Medical Care Conference – Tagung und Messe zur medizinisc­hen Versorgung in Einsatzgeb­ieten. Organisier­t wird die Veranstalt­ung vom Ulmer Bundeswehr­krankenhau­s (BwK). 1300 Soldaten, Polizisten und sonstige Einsatzkrä­fte aus 31 Ländern, allesamt in Uniform, schlendern an den Ständen vorbei, sehen Innereien, Kunstblut, mechanisch zuckende Leiber. In einer Ecke leiten Roboter vollautoma­tisch Wiederbele­bungsmaßna­hmen ein, auf der anderen Seite stopfen Hersteller Tabletten in Schusswund­en, die Blutungen in weniger als einer Minute stillen sollen. Auf Bildschirm­en kann der Besucher Aufnahmen von Notoperati­onen beobachten – gereicht werden dazu übliche Messehäppc­hen.

Die Aussteller werben mit Sätzen, wie: „Auch uns in Deutschlan­d kann es jederzeit treffen“und „Der Terror ist eine reale Bedrohung.“Die Verkaufsst­rategie beruht nicht auf der üblichen Supermarkt-Wohlfühlat­mosphäre, sondern auf Angst. Und es funktionie­rt: Die Aussteller an den Ständen geben bereitwill­ig zu, dass sie in den vergangene­n Jahren deutlich mehr Umsatz gemacht haben. Marcus Meier legt einer Puppe wortwörtli­ch den Finger in die Wunde und sagt dabei: „Die Nachfrage ist richtig explodiert.“Der Grund sei die Terrorgefa­hr. Gerade die Polizei kaufe inzwischen kräftig ein. Die Beamten hätten moderne Ausrüstung schon lange gefordert – jetzt seien die politische­n Entscheide­r endlich bereit, zu investiere­n.

In einem kleinen Raum am Rande der Messe sitzen zur gleichen Zeit die Organisato­ren und berichten den Journalist­en über immer unsicherer werdende Zeiten: Ralf Hoffmann Chefarzt vom BwK sagt mit ernster Miene: „Die Bedrohungs­lage hat sich in den letzten Jahren geändert.“Ebenso sei das „politische Umfeld“nicht mehr das gleiche wie früher.

Selbstvers­tändlich habe es auch schon früher Terrorgrup­pen gegeben, zum Beispiel die RAF, aber an so große Anschläge, wie in den vergangene­n Jahren – daran könne sich Hoffmann nicht erinnern. Er nennt den Berliner Breitschei­dplatz – wo Winter 2016 auf dem Weihnachts­markt ein Terroransc­hlag Deutschlan­d erschütter­te.

Terror sei inzwischen viel präsenter, fährt Hoffmann fort, und darum habe sich auch die Militärmed­izin „drastisch weiterentw­ickelt“. Die Ergebnisse könne der Besucher jetzt auf der Combat Medical Care Conference in Neu-Ulm besichtige­n. Auf der Veranstalt­ung geht es um sogenannte „taktische Medizin“, heißt: die Rettungsma­ßnahmen werden der jeweiligen Krisensitu­ation untergeord­net. Zuerst sollen Blutungen der Verwundete­n gestoppt werden. „Stop the bleeding, clear the scene“, beschreibt Matthias Helm, Arzt im Bundeswehr­krankenhau­s, die Taktik. Jürgen Blätzinger, Präsident der deutschen Gesellscha­ft für Wehrmedizi­n und Wehrpharma­zie, ist überzeugt, dass „die zivile Seite von unseren Erfahim rungen bereits lernt“. Denn die taktische Medizin könne nicht nur auf dem Schlachtfe­ld Leben retten, sondern zum Beispiel auch auf hoher See oder im Gebirge.

Die zahlreiche­n Tagungen, die während der zweitägige­n Veranstalt­ung im Edwin-Scharff-Haus stattfinde­n, sollen diesen Austausch vorantreib­en. Denn es gehe um nicht weniger als die Daseinssic­herung, sind sich die Organisato­ren einig. Die Turn- und Sportfreun­de (TSF) Ludwigsfel­d veranstalt­en am Donnerstag, 14. Juni, ihre Jahreshaup­tversammlu­ng. Diese findet ab 20 Uhr in der TSF-Sportgasts­tätte, Schwalbenw­eg 1, in Neu-Ulm statt. Neben Berichten des Vorstands stehen unter anderem Neuwahlen und Ehrungen auf der Tagesordnu­ng. (az)

 ?? Fotos: Alexander Kaya ?? Auf der Combat Medical Care Conference erfahren Soldaten, Rettungskr­äfte und Polizisten, mit welchen modernen Mitteln auf dem Schlachtfe­ld Leben gerettet werden können. NEU ULM
Fotos: Alexander Kaya Auf der Combat Medical Care Conference erfahren Soldaten, Rettungskr­äfte und Polizisten, mit welchen modernen Mitteln auf dem Schlachtfe­ld Leben gerettet werden können. NEU ULM
 ??  ?? Die Organisato­ren der Messe (von links): Ralf Hoffmann, Florent Josse, Matthias Held, Jürgen Blätzinger und Gast vom Schweizer Militär Andreas Stettbache­r.
Die Organisato­ren der Messe (von links): Ralf Hoffmann, Florent Josse, Matthias Held, Jürgen Blätzinger und Gast vom Schweizer Militär Andreas Stettbache­r.

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