Die CSU gibt nicht nach
Parteichef Seehofer attackiert die CDU – und Generalsekretär Blume verspricht eine Asylwende, zu der auch das Abweisen von Flüchtlingen an den Grenzen gehört.
Die CSU lässt im Asylstreit nicht locker: „Für uns ist ganz entscheidend, dass wir in diesem Land die Asylwende schaffen“, betonte Generalsekretär Markus Blume im Gespräch mit unserer Zeitung. „Hier liegt die Wahrheit an der Grenze. Nirgendwo sonst.“Deshalb sei die Frage, wer dort in Zukunft zurückgewiesen werde, auch so wichtig. Der Staat dürfe seine Handlungsfähigkeit nicht verlieren.
Vor der möglicherweise entscheidenden Sitzung des CSU-Vorstandes am Montag sind die beiden Schwesterparteien damit nach wie vor auf Kollisionskurs. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf einer gemeinsamen europäischen Lösung beharrt, will Innenminister Horst Seehofer (CSU) notfalls im Alleingang handeln und Flüchtlinge an den Grenzen zurückweisen, wenn diese bereits in anderen Ländern registriert sind. Nicht seine CSU, sondern die CDU sei es gewesen, „die mit der Flüchtlingsentscheidung 2015 die Spaltung Eu- ropas herbeigeführt hat“, betonte Seehofer in der Süddeutschen Zeitung. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer dagegen stelle die CSU „als Provinzfürsten aus Bayern hin, die die europäische Idee nicht verstanden haben.“
Zwar beteuern beide Parteien, sie stellten die Koalition nicht in Frage. In der Sache aber deutet sich bisher kein Kompromiss an. „Die Zustimmung ist sehr breit, nicht nur in der Union, sondern in der gesamten Bevölkerung“, betonte Blume. Auch die CSU-Landtagsfraktion drängt auf eine schnelle Zurückweisung von Flüchtlingen. „Wir sind schon mal von der Bundeskanzlerin gebeten worden, ihr bis zum nächsten Gipfel Zeit zu geben“, kritisierte Fraktionschef Thomas Kreuzer. „Das war vor 877 Tagen und vielen weiteren zwischenzeitlichen Gipfeln.“Im „Deutschlandtrend“der ARD sprachen sich 62 Prozent der Deutschen dafür aus, Flüchtlinge ohne Papiere nicht mehr einreisen zu lassen. 86 Prozent verlangen eine konsequentere Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern.
Der CDU-Bundestagsabgeordne- te Christian von Stetten forderte die Kanzlerin auf, auf ihre Kritiker zuzugehen „und auch zu sagen, dass Fehler gemacht wurden“. SPDChefin Andrea Nahles stellte sich dagegen auf die Seite der Kanzlerin: In der Flüchtlingspolitik könne nur mit Europa eine vernünftige Lösung gefunden werden. „Schlechterdings ist eine Lösung im Alleingang nicht denkbar und auch nicht sinnvoll.“
Für den Fall, dass die Koalition allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz doch auseinanderbricht, bietet sich die FDP bereits für ein neues Bündnis an. Merkels Politik der Formelkompromisse sei keine solide Basis mehr für die gegenwärtige Koalition, kritisierte Fraktionsvize Michael Theurer gegenüber unserer Zeitung. „Die Union ist sich intern nicht einig – und mit der SPD auch nicht.“Sollte die Große Koalition scheitern, so Theurer weiter, sei die FDP „bereit zur Verantwortung“. Vor allem die CSU teile neuerdings in vielen Fragen der Steuerund Abgabenpolitik die Positionen der Liberalen. Für einen neuen Anlauf zu einer sogenannten JamaikaKoalition spricht danach auch die personelle Neuaufstellung der Grünen: „Sie haben jetzt einen Erneuerungsprozess begonnen, wie ihn die FDP zuvor bewältigt hat.“Die Linkspartei forderte die Kanzlerin auf, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Fraktionschef Dietmar Bartsch betonte gegenüber der Zeitung Die Welt: „Dass Seehofer glaubt, im Alleingang das deutsche Asylrecht aushebeln zu können, zeigt, wie angeschlagen Angela Merkels Amtszeit ist.“
Wie realistisch ist Angela Merkels europäische Lösung? Lesen Sie dazu auch den In der geht es um das schwierige Verhältnis zwischen Kanzlerin und Innenminister und um das Binnenklima in der CSU. Zunächst ist es „nur“ein Streit. Doch dann rast ein 32-Jähriger mit dem Auto in das Haus, in dem seine Ex-Freundin wohnt.