Aram Bani ist selbst Flüchtling aus dem Nordirak
sagt Aram Bani, landet das Fahndungsbild von Ali B. in allen Polizeistationen, an den Flughäfen, bei den Straßenkontrollposten im Nordirak – und über die sozialen Netzwerke bei allen Kurden. „Zum Glück ist Ramadan, da sind die Menschen fast die ganze Nacht wach und am Handy“, sagt Bani.
Der Rest ist bekannt: Wenige Stunden später, am Freitag gegen zwei Uhr morgens, nehmen kurdische Sicherheitskräfte Ali B. im Garten seines Onkels in Zakho fest, wo er im Innenhof unter einem Rosenstrauch schläft. „Im Nordirak ist alles überwacht“, erklärt Aram Bani. Jede Straße, jede Kreuzung. Vor allem aber ist die Bevölkerung wachsam – aus Angst vor Terroranschlägen. Wer fremd ist in einer Gegend, wird gemeldet. Wie Ali B., den ein Verwandter bei der Polizei verpfeift.
Aber wie kommt ein Arzt vom Bodensee dazu, sich in den Fall Susanna einzumischen? Aram Bani gehört selbst zur kurdischen Minderheit. Er arbeitet als leitender Neurochirurg am Hegau-Bodensee-Klinikum in Singen, betreibt dort auch eine eigene Praxis. Als der 54-Jährige an jenem Donnerstagnachmittag nach Stunden im OP, in denen er die Wirbelsäulen und den Kopf von vier Patienten operiert hat, zurück an seinen Schreibtisch kommt, entdeckt er die Eilmeldung. Sie besagt, dass die Leiche der gesuchten Susanna gefunden und Ali B. dringend tatverdächtig sei. „Er ist ein Landsmann, ein Kurde, der unser Volk in Verruf bringt“, sagt Bani. Da sei es eine Frage der Ehre, bei der Verhaftung zu helfen. Außerdem hat er selbst drei Töchter, zehn, zwölf und 18 Jahre alt. „Es hätte auch eins meiner Mädchen treffen können.“
Aram Bani wurde als Sohn eines Maurers in Sulaimania geboren. Nach dem Abitur und dem Medizinstudium ist er einer der Besten im Land, wie er sagt, scheitert aber immer wieder an den Restriktionen gegen die kurdische Minderheit. „Als Kurde hatte ich keine Chance im Irak.“Bani arbeitet als Arzt in Flüchtlingslagern im Iran und flüchtet 1992 über die Balkanroute mit einem gefälschten griechischen Pass nach Deutschland – für sein Ziel, Neurochirurg zu werden.
Dabei ist das Land das letzte auf seiner Liste. „Ich wollte in ein englischsprachiges Land“, erzählt er, „wegen der Sprache, die ich schon konnte.“Nach Deutschland will damals kaum einer, weil man immer wieder von Übergriffen auf Ausländer hört, sagt Bani. Und wegen der schweren Sprache. Doch ein Visum für Deutschland ist einfacher zu bekommen. Aram Bani wird als politischer Flüchtling anerkannt, lernt innerhalb eines halben Jahres Deutsch. Zwei Jahre nach seiner Ankunft in Köln beginnt er seine Facharztweiterbildung zum Neurochirurgen am Klinikum in Aachen. Den Facharzt für neurochirurgische Intensivmedizin und den Facharzt für Schmerztherapie legt er noch drauf.
Aram Bani hat sich als Neurochi- nicht nur in Deutschland, sondern auch in seiner Heimat einen Namen gemacht. Er hat Peschmerga-Kämpfer der dortigen Milizenarmee operiert, reiche und einflussreiche Kurden. Die kommen mitunter auch zu ihm an den Bodensee, um sich behandeln zu lassen. Daher hat Aram Bani Kontakte in die höchsten Kreise, daher lässt der kurdische Innenminister Karim Sinjari am Donnerstag ausrichten: „Sein Wunsch ist ein Befehl“– als er um die Verhaftung Ali B.s bittet, wie Regierungssprecher Vahal Ali Balatay unserer Redaktion sagt.
„Politik läuft bei uns nur über Beziehungen“, sagt Aram Bani. Und so ist der Arzt vom Bodensee ein Mosaikstein im Fall des flüchtigen Straftäters Ali B., der den Mord an Susanna inzwischen gestanden hat, die Vergewaltigung aber bestreitet. Der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, der persönlich in den Irak flog, um den angeblich 21-Jährigen abzuholen, ist ein anderer. Die Bild-Zeitung feiert ihn als Helden, als „Rominator“, der mit seinem Alleingang zeige, wie entschlossen deutsche Ermittlungsbehörden handeln können – und der das Vertrauen in den Rechtsstaat wieder hergestellt habe.
Romann will den schnellen Erfolg, er lässt ebenfalls persönliche Kontakte nach Erbil spielen. Zu Dilshad Barzani, dem kurdischen Botschafter in Berlin, mit dem er seit etwa zehn Jahren befreundet ist. Dilshad Barzani ist ein Bruder von Ex-Präsident Masud Barzani, dem mächtigen Mann Kurdistans, bei dem immer noch die Fäden zusammenlaufen.
Die Idee, die einflussreiche Barzani-Familie um Hilfe zu bitten, sei ihm am Donnerstagabend unter der Dusche gekommen, berichtet Romann am Mittwoch nach der Festnahme vor dem Innenausschuss des Bundestags. Noch am gleichen Abend habe er Botschafter Barzani angerufen. Wann er ihn schließlich erreicht, ist kein Thema im Innenausschuss. „Danach hat niemand gefragt“, berichtet Stephan Thomae, stellvertretender FDP-Fraktirurg onsvorsitzender aus Kempten, auf Anfrage unserer Redaktion.
Der Pressesprecher der Bundespolizei in Wiesbaden, Ivo Priebe, hat zuvor betont, dass sein Chef Romann bereits am Donnerstagvormittag Botschafter Barzani kontaktiert habe. Priebe hat auch gesagt, dass kein Bundespolizist das Flugzeug – und damit das deutsche Hoheitsgebiet – in Erbil verlassen hat, als sie den Tatverdächtigen abholten. Eine Aussage, die das Bundesinnenministerium inzwischen korrigieren musste: Romann habe das Flugzeug „aus protokollarischen Gründen“mit zwei Angehörigen seines Leitungsstabs verlassen und mit hochrangigen Vertretern der regionalen Sicherheitsbehörden und dem Innenminister der Regionalregierung gesprochen.
Fest steht: Zu der spektakulären Suche nach Ali B., der prompten Festnahme und der ebenso hemdsärmeligen wie juristisch zweifelhaften Rückholung bleiben Fragen offen. Fest steht auch: Ein offizielles Auslieferungsverfahren hätte Wochen,