Kunst: Wenn eine Hand die andere wäscht
Sponsoren verlangen für ihre Hilfe mitunter eine Gegenleistung. Dann kann es heikel werden
Köln Der Hamburger Kunstsammler Harald Falckenberg erzählte neulich bei einer Podiumsdiskussion eine kaum zu glaubende Geschichte: 2009 wurde er mit dem Preis der Kunstmesse Art Cologne ausgezeichnet. Und da wenige Wochen zuvor das Kölner Stadtarchiv eingestürzt war, wollte er sein Preisgeld sofort an die Stadt weiterreichen, damit es für die Restaurierung der verschütteten Dokumente verwendet werden konnte. Eineinhalb Jahre später landete der Scheck jedoch wieder auf seinem Schreibtisch in Hamburg: Es habe sich als unmöglich erwiesen, ihn einer bestimmten Behörde zuzuordnen, ließ ihn die Stadt Köln wissen. Deshalb mit Dank zurück.
Das Verhältnis zwischen öffentlicher Hand und privaten Wohltätern ist kompliziert. Ganz besonders gilt das für Museen und Mäzene. Da sich Kunst zu einer Geldanlage wie Aktien und Immobilien entwickelt hat, sind die Preise dermaßen gestiegen, dass sich die meisten Museen, wenn sie denn überhaupt noch einen Ankaufsetat besitzen, kaum etwas leisten können. Sie sind auf private Gönner angewiesen, die ihnen etwas schenken oder vererben. Das Problem dabei: Die Sammler sind meist nicht so selbstlos, dies ohne Gegenleistung zu tun. Sie fordern zum Beispiel, dass ein bestimmter Prozentsatz ihrer Bilder ständig zu sehen sein muss oder gar dass ein Erweiterungsbau errichtet wird. Oder sie verlangen, dass das Museum ihre ganze Sammlung übernimmt – obwohl eigentlich nur zwei oder drei Werke wirkliche Top-Stücke sind.
Für die fachgerechte Lagerung der Arbeiten bleiben dann aber ständige Kosten für das Museum. Deshalb sagt Kasper König, 74, einer der wichtigsten deutschen Ausstellungskuratoren: Viele Museen seien „voller Sachen, die einfach aus Nettigkeit und Wichtigtuerei geschenkt wurden“. Und was den Wunsch der Sammler betrifft, ihre Bilder auch ausgestellt zu sehen, so stellt er klar: „Ein Museum ist ein Depot mit Schauräumen und nicht umgekehrt.“
Es geht aber nicht nur um Zugewinne für die ständige Sammlung, es geht auch um Leihgaben für Sonderausstellungen. Diese Schauen sind es, die den Großteil der Besucher anziehen. Von Kuratoren und Direktoren werden deshalb erstklassige Kontakte nicht nur zu anderen Museen, sondern auch in die private Sammlerszene erwartet. Diese Netzwerke sind das Kapital, das in der Kunstszene zählt.
Dabei entsteht oft ein geschlossener Kreislauf, in dem sich Öffentliches und Privates so stark verschränken, dass es nicht mehr auseinanderzuhalten ist. So es passiert dann, dass ein Kurator eine Ausstellung zu einem jungen Künstler macht, den er gleichzeitig als Jurymitglied mit einem Preis bedenkt und seinen Galeristen- und Sammlerfreunden empfiehlt. „Die Unabhängigkeit der Museen wird dadurch sehr strapaziert“, meint Kasper König. „Es hat auf jeden Fall ein Geschmäckle.“
Wenn man sich die heutigen Ausstellungen anschaut, dann werden dort eigentlich durchweg Künstler gefeiert. Eine kritische Würdigung findet kaum statt. Indem man den Künstler zum Genie hochjubelt, sollen Besucher und Sponsoren begeistert werden.
Als ein Paradebeispiel für eine zwischen dem „Public“- und „Private“-Sektor hin- und hergleitende Netzwerkerin gilt die aus Singen stammende Kuratorin Beatrix Ruf. Rankings zufolge ist sie eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der internationalen Kunstszene. Ruf war Direktorin der Kunsthalle Zürich, dann übernahm sie die Leitung des Stedelijk Museum Amsterdam. Dort trat sie 2017 wegen umstrittener Nebentätigkeiten zurück; ihr war vorgeworfen worden, nebenher ein Beratungsunternehmen für Kunstsammler zu betreiben und dies verschwiegen zu haben. Kürzlich aber wurde sie juristisch voll rehabilitiert. Ruf: „Die Probleme rund um privates und öffentliches Geld, mit denen wir uns auseinandersetzen mussten, die gibt es überall.“Sie sehe auf diesem Feld aber große Chancen. Das Stedelijk Museum sei von Privatsammlern gegründet worden, „und es gibt heute wieder viele Sammler, die etwas für das Museum tun wollen. Nicht weil sie das Museum übernehmen wollen oder glauben, dass ihre eigene Kunst dadurch wertvoller wird, sondern weil sie eine große Verantwortung empfinden, etwas für die Gemeinschaft zu tun.“
König gehört zu den Insidern, die die Motive vieler Sammler kritisch einschätzen. Für ihn ist wichtig: „Alles muss in Offenheit und Transparenz geschehen.“Der beste Mäzen ist also wohl derjenige, der einfach nur Geld gibt – und dieses nicht mit einer Gegenleistung verknüpft, sodass man einfach nur seinen Scheck einlösen muss. Obwohl auch das – siehe Köln – ein Problem sein kann.
Von Geschenken, die mehr kosten, als dass sie Nutzen bringen