Eine Ruine im Herzen Neu Ulms
Ende Juli soll entschieden werden, ob ein Insolvenzverfahren gegen Steinle Wohnbau eröffnet wird. Danach gibt es verschiedene Optionen für Ex-Renftle und den Pfuhler Saalbau
Neu Ulm Bilder des Verfalls: Eine Bauruine wie in vielen Ecken Südosteuropas steht mitten in NeuUlm. Das Gerüst ist längst abmontiert. Wie mahnende Zeigefinger ragen rostende Eisenträger in die Höhe, lose Folien flattern im Wind, der Putz bröckelt. Nach dem Insolvenzantrag der Firma SteinleWohnbau sieht es so aus, als würde das Ex-Renftle-Gebäude am Petrusplatz nur auf seinen Abriss warten.
Möglicherweise kommt es sogar so weit: „Wir prüfen alle Optionen“, sagt Wirtschaftsjuristin Kim Johnson, die von Insolvenzverwalter Martin Hörmann mit dem Fall betraut wurde. Vergangenen Freitag habe sich ein öffentlich bestellter und vereidigter „Sachverständiger für die Bewertung von Gebäuden“die zwei im luftleeren Raum schwebenden Steinle-Projekte angeschaut. Das ist neben dem Eckgebäude am Petrusplatz/Marienstraße noch der Saalbau in Pfuhl. Der Auftrag des Sachverständigen: Ein Gutachten inklusive Bewertung der zwei Gebäude zu erstellen. Auf der Basis dieses Papiers soll dann das weitere Vorgehen abgestimmt wer- „Uns fehlen noch sämtliche Grundlagen“, sagt Johnson. Grundsätzlich, so die Insolvenz-Anwältin, gehe es darum, im Auftrag der Gläubiger zu ermitteln, wie viel Werte Steinle noch hält.
Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hat Hörmann mehre Optionen. Er könnte Steinle Wohnbau beauftragen, den Bau zu vollenden. Das gilt unter Beobachtern als eher unwahrscheinlich. Steinle selbst sei nicht zu sprechen, sagt eine Mitarbeiterin seiner Firma.
Der Insolvenzverwalter könnte auch unter eigener Regie die Bauten vollenden. Dabei geht es auch ums Thema Gewährleistung. „Das wird sicher ein wichtiger Punkt werden“, sagt Johnson. Durch ein gesetzlich verankertes Recht auf Gewährleistung haben Bauherren auch Jahre nach der Bauabnahme ein Recht auf Nachbesserung von Baumängeln an der Immobilie. Kompliziert wird es, wenn eine Firma den Bau beginnt und ihn eine andere vollendet.
Die Ultima Ratio des Insolvenzverwalters wäre es, die Projekte an den Meistbietenden per Zwangsversteigerung zu veräußern. Der Erlös würde dann an die Gläubiger gehen, also auch jene Menschen, die bereits eine Wohnung in einem der Steinle- Bauruinen gekauft beziehungsweise angezahlt haben. Im Falle der Generalsanierung des Wohn- und Geschäftskomplexes am Petrusplatz, die ursprünglich die Bezeichnung „P 3“tragen sollte, würde das wohl einem Abriss gleichkommen.
Für den weiter fortgeschrittenen Saalbau wäre das keine Option: Das markante rote Gebäude in Pfuhl steht unter Denkmalschutz. Ursprünglich wollte Steinle das 1906 errichtete Wahrzeichen dem Erdboden gleichmachen. Zahlreiche Pfuhler liefen vor über fünf Jahren Sturm gegen die Pläne und schafften es am Ende, dass der Saalbau mit seiner markanten Fassade unter Denkmalschutz gestellt und somit vor dem Abriss verschont wurde.
„P3 – Wohnen und Arbeiten am Petrusplatz“, die Werbung für die Pleite-Ruine ist im Internet noch zu finden. Zwischen 299 000 und 1,1 Millionen Euro sollten die zehn Wohneinheiten am Petrusplatz kosten. Bezugstermin Sommer 2017, heißt es in einer Anzeige von Tentschert-Immobilien, der die Steinleden. Projekte vermarktete. Chef Martin Tentschert sei jedoch wegen eines Urlaubs die kommenden zwei Wochen nicht zu sprechen, erteilt eine Mitarbeiterin Auskunft.
Der altehrwürdige Saalbau in der Mitte Pfuhls ist auch als halb fertiger Bau hübsch anzusehen. Das Gerippe auf dem Petrusplatz hingegen nicht. Und das wird wohl noch eine Weile so bleiben. Neu-Ulms Oberbürgermeister Gerold Noerenberg lässt auf Anfrage mitteilen, dass die Stadt hier „leider keinen Einfluss“hat. Der Ball liege im Feld des Insolvenzverwalters.
Das Rätselraten wie Steinle, der immer mit der großen Nachfrage an seinen Objekten prahlte, in einem boomenden Umfeld derart unter die Räder kommen konnte, geht unter dessen weiter. Insolvenzanwältin Johnson wollte sich „zum gegenwärtigen Zeitpunkt“nicht zu den Hintergründen der Schieflage äußern.
Übrigens: Die „wahrscheinlich kleinste Destillerie in Deutschland“des Steinle-Sohns hat im Gegensatz zum väterlichen Betrieb offenbar keine Probleme. Der Verkauf von Gin aus der „Château Steinle Manufaktur, die unter einem ähnlichen Logo wie die Wohnbau-Firma firmiert, geht weiter.
Verkauf von Gin des Sohnes geht weiter