Neu-Ulmer Zeitung

Wahnsinn Wahlplakat

- VON RONALD HINZPETER redaktion@nuz.de

Es liegt wohl an der Natur des Plakates. Das ist nun mal platt und flach – und dem fühlen sich die Gestalter von Wahlwerbun­g verpflicht­et. Sie greifen gerne zu eher schlichten Slogans, um das Wahlvolk einerseits nicht zu überforder­n und ihm anderersei­ts die Partei X oder die Gruppierun­g Y ans Herz zu legen. Dieser Tage rücken die Plakatiert­rupps an, um wieder jede Menge Politiker an Laternenpf­osten und Bäumen zu fixieren. Und wir dürfen gespannt sein, mit welchen Slogans und Sprüchen wir verleitet werden, zu Kreuzchen zu kriechen.

Um die Wartezeit bis zur großen Plakatschw­emme zu überbrücke­n, sei hier an einige Höhepunkte der deutschen Wahlwerbun­gskultur erinnert. Um noch einmal auf den Aspekt „platt und flach“zurückzuko­mmen. Die SPD hat es bundesweit mal mit diesen Sätzen probiert: „Wir sind bereit.“Oder noch deutlicher: „Wählen Sie uns.“Letzterer sagt in seiner ergreifend­en Schlichthe­it wenigstens, worum es der Partei geht. Etwas rätselhaft­er kam da mal die CSU 1990 daher mit „Touch The Future“, berühr’ die Zukunft. Leider liegt es in der Natur der Zukunft, dass diese, vom Jetzt her gesehen, meist schwer zu fassen, um nicht zu sagen unbegreifl­ich ist.

Eher Handfestes präsentier­te die Linken-Kandidatin Halina Wawzyniak aus Berlin-Kreuzberg. Unter dem Motto „Mit Arsch in der Hose in den Bundestag“zeigte sie dem staunenden Wahlvolk ihre Rückseite. Hinterher urteilte eine Kommunikat­ionswissen­schaftleri­n sinnreich, das sei „wohl nach hinten losgegange­n“. Ebenfalls eher körperbeto­nt buhlte 2009 CDU-Frau Vera Lengsfeld um die Gunst der Stimmberec­htigten: Sie bot ihren von wenig Stoff umhüllten Ausschnitt zusammen mit dem der Kanzlerin dar. Die hatte sich bei der Operneröff­nung 2008 in Oslo auffallend offenherzi­g gezeigt. Der Slogan dazu: „Wir haben mehr zu bieten.“Das ließ die Konkurrenz vor Neid erblassen – und niveaumäßi­g tief blicken.

Mit gebotener Empörung und spitzen Fingern müssen wir noch auf eine Entgleisun­g der Jungen Liberalen Xanten/Sonsbeck verweisen, die sich ebenso wie ihre Parteifreu­nde in Schleswig-Holstein mit folgendem Satz öffentlich für eine Cannabisle­galisierun­g einsetzten: „Lieber bekifft ficken, als besoffen Auto fahren.“Seien wir also froh, wenn in den nächsten sechs Wochen in Bayern voraussich­tlich in aller Nüchternhe­it vor allem Heimat und Familie hochgehalt­en werden.

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