Wahnsinn Wahlplakat
Es liegt wohl an der Natur des Plakates. Das ist nun mal platt und flach – und dem fühlen sich die Gestalter von Wahlwerbung verpflichtet. Sie greifen gerne zu eher schlichten Slogans, um das Wahlvolk einerseits nicht zu überfordern und ihm andererseits die Partei X oder die Gruppierung Y ans Herz zu legen. Dieser Tage rücken die Plakatiertrupps an, um wieder jede Menge Politiker an Laternenpfosten und Bäumen zu fixieren. Und wir dürfen gespannt sein, mit welchen Slogans und Sprüchen wir verleitet werden, zu Kreuzchen zu kriechen.
Um die Wartezeit bis zur großen Plakatschwemme zu überbrücken, sei hier an einige Höhepunkte der deutschen Wahlwerbungskultur erinnert. Um noch einmal auf den Aspekt „platt und flach“zurückzukommen. Die SPD hat es bundesweit mal mit diesen Sätzen probiert: „Wir sind bereit.“Oder noch deutlicher: „Wählen Sie uns.“Letzterer sagt in seiner ergreifenden Schlichtheit wenigstens, worum es der Partei geht. Etwas rätselhafter kam da mal die CSU 1990 daher mit „Touch The Future“, berühr’ die Zukunft. Leider liegt es in der Natur der Zukunft, dass diese, vom Jetzt her gesehen, meist schwer zu fassen, um nicht zu sagen unbegreiflich ist.
Eher Handfestes präsentierte die Linken-Kandidatin Halina Wawzyniak aus Berlin-Kreuzberg. Unter dem Motto „Mit Arsch in der Hose in den Bundestag“zeigte sie dem staunenden Wahlvolk ihre Rückseite. Hinterher urteilte eine Kommunikationswissenschaftlerin sinnreich, das sei „wohl nach hinten losgegangen“. Ebenfalls eher körperbetont buhlte 2009 CDU-Frau Vera Lengsfeld um die Gunst der Stimmberechtigten: Sie bot ihren von wenig Stoff umhüllten Ausschnitt zusammen mit dem der Kanzlerin dar. Die hatte sich bei der Operneröffnung 2008 in Oslo auffallend offenherzig gezeigt. Der Slogan dazu: „Wir haben mehr zu bieten.“Das ließ die Konkurrenz vor Neid erblassen – und niveaumäßig tief blicken.
Mit gebotener Empörung und spitzen Fingern müssen wir noch auf eine Entgleisung der Jungen Liberalen Xanten/Sonsbeck verweisen, die sich ebenso wie ihre Parteifreunde in Schleswig-Holstein mit folgendem Satz öffentlich für eine Cannabislegalisierung einsetzten: „Lieber bekifft ficken, als besoffen Auto fahren.“Seien wir also froh, wenn in den nächsten sechs Wochen in Bayern voraussichtlich in aller Nüchternheit vor allem Heimat und Familie hochgehalten werden.