Ein Plädoyer für weniger Gift und mehr Vielfalt
Die frühere Bundesumweltministerin Barbara Hendricks diskutiert mit Bürgern über Glyphosat und Insektensterben
Neu Ulm Die vielen Wespen in diesem Sommer täuschen lediglich darüber hinweg: Es gibt immer weniger Insekten, auch in der Region. Als ein Grund dafür gilt die industrielle Landwirtschaft mit dem massiven Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln wie Glyphosat. Darüber sprach nun die frühere Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) auf Einladung des SPD-Landtagskandidaten Daniel Fürst im Restaurant Jakobsruhe in Neu-Ulm mit Bürgern.
Die Politikerin vom Niederrhein hielt vor etwa 70 Besuchern ein Plädoyer für mehr Artenvielfalt und weniger Gift. „Wir haben in der Koalition beschlossen, den Einsatz von Glyphosat zurückzudrängen“, sagte Hendricks. Voraussetzung sei jedoch eine neue Ackerbaustrategie, die erst noch erprobt werden müsse. Wichtig sei, Raum für Wildkräuter an den Ackerrändern zu lassen, aber auch in den städtischen Anlagen. Doch nicht nur Landwirte und Politiker könnten etwas tun, sondern auch jeder Hausbesitzer mit Garten: „Wir müssen uns selber in die Pflicht nehmen“, forderte Hendricks. Wer Wildblumen vor der eigenen Haustür pflanze, werde mit schnellen Erfolgen belohnt, etwa vielen Schmetterlingen.
Für Ökobauer Hubert Krimbacher aus Kammeltal ist völlig klar: „Es ist an der Zeit, umzudrehen.“ Die Landwirtschaft sei sehr lange ohne Glyphosat ausgekommen. Dieses Gift zerstöre sämtliche grüne Pflanzen, und damit vernichte der Mensch seine Lebensgrundlagen. Welche dramatischen Folgen der Einsatz von Pestiziden haben könne, sehe man in Amerika: Dort seien riesige Flächen für die Landwirtschaft nicht mehr nutzbar, weil die Pflanzen resistent gegen die Mittel geworden seien.
Und auch hierzulande seien die
Landwirte oft einfach schlecht beraten: „Die Bauern sind ja nicht dumm, sie sind nur getrieben.“
Glyphosat & Co. nicht komplett verteufeln will Andreas Wöhrle, der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands in Neu-Ulm: „Die Dosis macht halt das Gift“, sagte er. Es könne schon mal sein, dass ein Acker total verkrautet sei. Auch beim Anbau von Zuckerrüben könne der Einsatz von Pestiziden sinnvoll sein. Man müsse zudem bedenken, dass die hiesigen Bauern in Konkurrenz zu ausländischen Märkten stünden. Äußerst kritisch sieht er die Strategie von Agrarkonzernen wie Monsanto, die mit Saatgut und Pestiziden Abhängigkeiten schafften und so aus der Landwirtschaft ein gigantisches Geschäft machten.
Sabine Brandt vom Naturschutzbund in Biberach sprach sich dafür aus, Glyphosat nur noch im Notfall einzusetzen und stattdessen in der Landwirtschaft auf Zwischenfrüchte, anderen Feldbau und kleinere Flächen zu setzen. „Wenn wir jetzt etwas machen, haben wir noch eine Chance, etwas zu erreichen.“