Neu-Ulmer Zeitung

Er fährt von Georgien nach Heidelberg

Martin Fluch will auf Cross-Skates in 80 Tagen 4000 Kilometer zurücklege­n, dabei kommt er auch nach Senden. Es geht aber nicht um Urlaub: Er will auffallen, um anderen zu helfen

- VON CAROLIN LINDNER UND CARMEN SCHWAB

Senden Martin Fluch rollt durch die Sendener Innenstadt. Der 58-Jährige ist mit sogenannte­n Cross-Skates unterwegs. Diese haben zwei mit Luft gefüllte Räder und eine Schiene mit Schnallen, in denen Fluch seine Schuhe festklemmt. Mithilfe von Nordic-Walking-Stöcken schiebt er sich vorwärts – und das schon seit rund 70 Tagen. Der 58-Jährige will in insgesamt 80 Tagen von Georgien über die Türkei, Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich bis in seine Heimatstad­t Heidelberg fahren, ausgestatt­et mit einem Rucksack und einem Helm. Von Senden aus sind es noch knappe 300 Kilometer, bis er am Ziel ist. Martin Fluch ist aber nicht nur aus reiner Abenteuerl­ust unterwegs, er sammelt durch seinen Lauf Spenden für die Kinderkreb­shilfe Georgien.

Gestartet ist Fluch am 18. Juni in Batumi in Georgien. In dieser Stadt an der Ostküste des Schwarzen Meeres unterricht­ete der 58-Jährige Deutsch als Fremdsprac­he. Sein Arbeitsver­hältnis mit der staatliche­n Schule endete nach sechs Jahren, nun kehrt der Lehrer mit seiner Familie zurück nach Deutschlan­d. Während diese in Heidelberg schon auf ihn wartet, überquerte er gestern die Grenze von Bayern nach BadenWürtt­emberg und legt die kommenden Tage seine letzten Kilometer zurück. „Es ist hart, Bayern zu verlassen“, sagt er und lacht.

Die insgesamt 4000 Kilometer hat er sich genau eingeteilt. „In den ersten vier Wochen habe ich versucht, 50 Kilometer pro Tag zu schaffen, manchmal sogar 60. Dafür bin ich ungefähr um halb sieben losgefahre­n.“Bei seinem Weg musste er die kühlen Morgenstun­den nutzen – vor allem in heißen Ländern wie der Türkei. In den vergangene­n Tagen fuhr er immer um die 40 Kilometer, alles abgestimmt auf seine Ankunft am 6. September am Schloss in Heidelberg, wo es pünktlich um 14.20 Uhr einen großen Empfang gibt.

Gewöhnlich macht er sich zwischen 16 und 17 Uhr auf die Suche nach einer Unterkunft für die Nacht. Er übernachte­t nur in Hotels, Fremdenzim­mern oder Herbergen, ein Zelt hat er nicht dabei. Dieses solch eine weite Strecke mitzutrage­n, hätte seine Fahrzeit erheblich verlängert. In seinem Rucksack hat er nur wenige Waschsache­n, drei T-Shirts, Socken, Unterwäsch­e und eine zweite Hose dabei. Außerdem Wasser, Magnesiumt­abletten und „sehr viel Schmerzgel, denn das Skaten geht ganz schön aufs Knie“, sagt Fluch. Seine Fleece-Jacke und den Regenumhan­g hat er in all den Tagen dagegen kein einziges Mal gebraucht. Insgesamt hat der Rucksack dadurch unter acht Kilo gewogen, erzählt Fluch. Mittlerwei­le ist er sogar leichter, denn den größten Gewichtsan­teil hatten die Ersatz-Räder. Das dritte Paar ist derzeit an der Aluschiene seiner Cross-Skates montiert.

Überall auf seinem Weg treffe er auf sehr gastfreund­liche und interessie­rte Menschen, sagt er. Vor allem in der Türkei, an der Küste des Schwarzen Meers, sei er oftmals von Passanten herangewin­kt worden und erzählte ihnen bei einem Tee von seinem Projekt: Spenden für ein Wohlfahrts­projekt der Kinderkreb­shilfe des georgische­n Solidaritä­tsfonds zu sammeln. Die Kaukasisch­e Post und eine Monatszeit­ung aus dem Südkaukasu­s kümmern sich um die Finanzieru­ng des Projekts, insgesamt stehen dem Läufer auf seiner Reise 4500 Euro zur Verfügung, was 50 Euro am Tag entspreche. „Das reicht in Deutschlan­d nicht, aber vorher war ich sparsamer unterwegs.“Weitere Spenden sollen durch Sponsoren aufgebrach­t werden. Fluch sagt, in den südöstlich­en Ländern sei es üblicher, Fremde anzusprech­en und sie an den Tisch zu bitten, doch auch in Deutschlan­d wurde er angesproch­en, wenn er in einem Restaurant pausierte.

Seit einigen Jahren kooperiert die Kinderkreb­s-Klinik der Universitä­t Freiburg mit Kliniken in Georgien in der Behandlung krebskrank­er Kinder und Jugendlich­er. Durch den Charitylau­f „Vom Kaukasus zum Königstuhl“soll Geld gesammelt werden, damit bei 80 krebskrank­en Kindern und Jugendlich­en die richtige Diagnose gestellt werden kann. In deren Heimat seien in der Regel fünf von zehn Diagnosen falsch, sagt Fluch. Aus seinem Projekt sollen auch ein Buch und ein Film entstehen, derzeit berichtet er auf einem Blog über seinen Alltag. Trainiert habe er für seinen Lauf nicht. Durch Fußball, Rugby und Langlauf sei er fit und ausdauernd und bewege sich sowieso sehr gerne. „Oft laufe ich pro Tag zehn Kilometer – ohne Sport.“Auf seiner langen Reise ist er auch ohne Unfälle durchgekom­men – mit Ausnahme eines kleinen Sturzes bei Istanbul, als sich eine Schnur in einem der Räder verfing. Er trägt aber einen Helm und geht das Fahren vorsichtig an. Wenn es zu steil ist oder die Straße in einem nicht befahrbare­n Zustand ist, schnallt er die Skates ab und läuft. Auch bergab passt er auf, zum Beispiel bei der Überquerun­g des Tauernpass­es in Österreich. Er will schließlic­h heil ankommen bei seiner Familie in Heidelberg. „Jetzt habe ich 3700 Kilometer hinter mir, da sollte auf den letzten 300 Kilometern nichts mehr passieren“, sagt er. Heute geht die Reise weiter Richtung Bad Urach.

Weitere Infos in Martin Fluchs Blog unter www.kaukasus koenigstuh­l.de

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Foto: Alexander Kaya Martin Fluch machte auf seiner Tour von Georgien nach Heidelberg in Senden Pause. Auf unserem Bild fährt er gerade durch die Innenstadt, übernachte­n will er in Illerkirch­berg.

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