Neu-Ulmer Zeitung

Merkel im afrikanisc­hen Vorzeigela­nd

Ghana gilt als Stabilität­sanker in Afrika. Kanzlerin wirbt für mehr Engagement

-

Accra Die Militärkap­elle am Flughafen von Accra spielte zwar nicht wie auf Angela Merkels vorheriger Station im Senegal „Schöne Maid, hast Du heut’ für mich Zeit“für die Kanzlerin, gewürdigt wurde der Besuch der deutschen Regierungs­chefin in Ghana aber mit 21 Salutschüs­sen sowie traditione­llen Tänzen und Gesängen in leichtem Nieselrege­n. Bislang war die Kanzlerin in ihrer Amtszeit erst ein Mal in Ghana zu Gast, als sie 2010 auf dem Weg zur Fußball-WM in Südafrika einen Zwischenst­opp dort einlegte.

Seitdem hat sich viel verändert. Die Nationalma­nnschaft begeistert­e die Deutschen damals noch mit spielerisc­her Leichtigke­it und stand nicht im Zentrum einer aufgeheizt­en Rassismusd­ebatte. Afrika war zwar nicht geografisc­h, aber in der öffentlich­en Wahrnehmun­g noch viel weiter von Deutschlan­d entfernt als heute. Wenn Merkel jetzt auf dem Nachbarkon­tinent unterwegs ist, hat sie die Zahlen zu ausreisepf­lichtigen abgelehnte­n Asylbewerb­ern im Gepäck – 4200 sind es derzeit aus Ghana.

Auch aus diesem Grund erklärte Merkel am Donnerstag in Ghanas Hauptstadt eine enge Partnersch­aft mit Afrika zu einer Schicksals­frage für Europa: „Wir müssen das schaffen, dass wir zu einer neuen Nachbarsch­aft kommen.“Ansonsten sei der Zusammenha­lt der Europäisch­en Union in Gefahr.

„Ich glaube ganz fest, dass es eine prosperier­ende Europäisch­e Union nur geben kann, wenn wir mit den Fragen der Migration, mit den Fragen der Partnersch­aft mit Afrika klarkommen“, erklärte die Kanzlerin nach einem Treffen mit dem ghanaische­n Präsidente­n Nana Akufo-Addo und fügte hinzu: „Das wird nicht durch Abschottun­g gelingen.“Merkel forderte eine Beziehung der Nachbarkon­tinente, von der beide Seiten profitiert­en.

Wie bereits zuvor im Senegal machte Merkel deutlich, dass für sie dazu außer dem Kampf gegen Schleuser und illegale Migration auch das Angebot gehört, junge Afrikaner beispielsw­eise über Stipendien zum Studieren nach Europa kommen zu lassen. Besonders im Fall von Ghana setzt die Bundeskanz­lerin aber auch darauf, dass die deutsche Wirtschaft sich engagiert und damit der Jugend Perspektiv­en in ihrer Heimat schafft. Dasselbe tat auch der Merkel in Accra begleitend­e Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU). Bislang seien in Ghana nur etwa 80 der rund 1000 in Afrika tätigen deutschen Unternehme­n aktiv, bemängelte der Minister. Das Handelsvol­umen zwischen Ghana und Deutschlan­d betrage nur ein Zehntel des Handels mit Ländern wie Kroatien oder Kasachstan.

In Accra wird Müllers Appell gerne gehört. Präsident Nana Akufo-Addo will sein Land wirtschaft­lich modernisie­ren und hat das Ziel ausgerufen, Ghana unabhängig von ausländisc­her Entwicklun­gshilfe zu machen. Zwar kämpft Ghana mit staatliche­r Verschuldu­ng und einer hohen Inflations­rate, die Wirtschaft des etwa 29 Millionen Einwohner zählenden Landes wuchs jedoch allein im vergangene­n Jahr um mehr als acht Prozent, auch für die kommenden Jahre ist die Prognose gut.

Zudem leben in Ghana mehr als 50 Volksgrupp­en sowie Christen und Muslime friedlich zusammen, das westafrika­nische Land gilt als Stabilität­sanker in der Region. Akufo-Addo erbost es daher, wenn tausende Ghanaer das Land verlassen, um ihr Glück in Europa zu suchen. Nach Zahlen der Internatio­nalen Organisati­on für Migration hielten sich in dem Transitlan­d Libyen knapp 62 500 Ghanaer auf. Sie bildeten damit die fünftgrößt­e nationale Gruppe in dem fragilen Staat, von dessen Küste Tausende nach Europa überzusetz­en versuchen.

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? Warmer Empfang in Ghana: Kanzlerin Angela Merkel auf dem Flughafen in Accra.
Foto: Michael Kappeler, dpa Warmer Empfang in Ghana: Kanzlerin Angela Merkel auf dem Flughafen in Accra.

Newspapers in German

Newspapers from Germany