Fit durch Rote Bete Saft und Sport
Lorenz Scherer aus Oberelchingen feiert heute seinen 95. Geburtstag. Als junger Mann hatte er große Pläne – dann musste er in den Krieg ziehen
Oberelchingen Bei Lorenz Scherer dürften sich die Gratulanten heute in seinem Haus in Oberelchingen die Klinke die Hand geben: Denn Scherer, der heute seinen 95. Geburtstag feiert, hat nicht nur drei Kinder, sieben Enkel und drei Urenkel, sondern auch sonst im Leben viel erlebt, er war beruflich erfolgreich und ist künstlerisch begabt. Unter den Gästen, das weiß Scherer, wird auch Elchingens Bürgermeister Joachim Eisenkolb sein.
95 Jahre muss man erst einmal werden. Vor allem, wenn man im Zweiten Weltkrieg als Soldat an der Ostfront kämpfen musste, zweimal wegen Krankheit und einmal wegen einer schweren Verwundung ins Lazarett kam – und jedes Mal erneut in den Krieg ziehen musste. Scherer hatte damals gerade ein Semester Maschinenbau studiert, da erhielt er den Einberufungsbefehl. Der in Oberfahlheim geborene und in Schönebach bei Dinkelscherben aufgewachsene Scherer musste nach Russland an die Front.
Zuvor hatte er zu Hause viel mitarbeiten müssen: Der Vater war Schmiedemeister und hatte einen kleinen Betrieb, dazu Landwirtschaft. Aber Lorenz Scherer wollte später nicht als Schmied arbeiten – er hatte andere Pläne, die er durch Fernstudium, Studien daheim bei Nacht und durchs Maschinenbaustudium in Augsburg nach Kriegsende umsetzte. Die Lehrer hatten seinen Eltern die höhere Ausbildung angeraten, „weil ich in der Schule so ziemlich der Beste war“, wie er nicht ohne Stolz berichtet.
Der Zweite Weltkrieg brachte alles durcheinander. „Ich wollte eigentlich mit dem Militär nichts zu tun haben“, so Scherer. „Aber man konnte nichts machen, wenn man eingezogen wurde. An der Neisse bin ich Anfang ’45 wieder krank geworden“, erinnert sich der heute 95-Jährige, der seit 1963 – erst mit seiner Frau Agnes, die er 1952 heiratete, dann alleine – in Oberelchingen wohnt. „Der Arzt wollte mich damals nicht krank schreiben. Als sich mein Zustand verschlimmerte, tat er es doch und ich musste zu Fuß ins Lazarett gehen. Dann kamen die Russen und es ging weiter. Dann kamen wieder die Russen und am Ende landete ich in einem Lazarett in der Nähe von Chemnitz.“
Scherer erinnert sich, dass auf einmal die Amerikaner unten vorbei gelaufen sind, er kam in ihre Gefangenschaft. Der Krieg war vorbei – doch plötzlich kam die Meldung, die Russen übernehmen als Besatzungsmacht den Osten. „Da bin ich zusammen mit einem Kameraden abgehauen. Wir haben uns durch die Wälder geschlagen, ohne Essen und Trinken. Wir haben einen großen Bogen durch Thüringen bis nach Hof gemacht. Wir wurden von Amis entdeckt und kamen wieder in Gefangenschaft. Es ging nach Nürnberg. Dort geschah das Wunder: Ich bekam meinen Entlassungsschein.“Lorenz Scherer war ein freier Mann. Er wollte dann nach Augsburg, aber der Zug mit den Viehwagen war absolut voll mit Menschen. „Ich bekam nur die Erlaubnis, aufs Dach eines Waggons zu klettern. Und dort traf ich einen alten Kumpel, der mit mir an der Neisse gekämpft hatte.“
Es herrschte wieder Frieden und Lorenz Scherer fand auch seinen inneren Frieden. Was stark daran lag, dass er in der Wirtschaft ein gefragter Mann war: Zunächst war er bei der Ulmer Firma Gebrüder Eberhardt beschäftigt, die landwirtschaftliche Maschinen herstellte. Sie schickte ihn zu zahlreichen Infor- mations- und Arbeitsreisen in fast alle europäischen Länder, in die USA und nach Nordafrika. Er wurde in seiner Firma Konstruktionsleiter und Oberingenieur, dazu beim Ackerschlepper- und Landmaschinen-Verband Vorsitzender einer Normengruppe. 1971 wechselte er zu Magirus und wurde Leiter des Entwicklungsbereichs.
1961 hatte Scherer einen schweren Unfall mit einem Schädelhirntrauma. Auf Rat seines Arztes ging es deshalb 1984 vorzeitig in den Ruhestand. „Trotz der starken beruflichen Belastung war ich in mehreren Vereinen Mitglied und 26 Jahre Vorstand des Obst- und Gartenbauvereins.“Auch die Malerei gehört zu seinem Leben dazu.
Die Platten mit Häppchen für seine heutigen Gäste bereitet der Jubilar übrigens eigenhändig vor. Er ist noch sehr rüstig und versorgt sich und den geliebten Garten fast nur in Eigenregie. Auch seine Einkäufe und Besorgungen erledigt er selbst – mit seinem Elektromobil. Mit der Familie wird am Sonntag nachgefeiert. „Früher, als meine Frau noch lebte, haben wir unsere Geburtstage immer in einem Lokal gefeiert“, berichtet der Senior. Vor drei Jahren starb sie und es gab keine Feiern mehr. „Jetzt haben meine Kinder und Enkel gemeint, ich sei doch noch gut beieinander und mein Geburtstag solle entsprechend begangen werden.“Also wird es in Seligweiler ein Familienfest mit ungefähr 30 Gästen geben.
Über seine 95 Jahre sagt der gläubige Katholik: „Ich bin nicht schuld, dass ich so alt bin, das hat ein anderer bestimmt.“Ein bisschen hat er es aber auch selbst bestimmt: „Ich pflege eine gesunde Lebensweise, mache noch Lauf- und Hantelübungen – und trinke jeden Tag meinen Rote-Bete-Saft“, erzählt Scherer.