Neu-Ulmer Zeitung

Fit durch Rote Bete Saft und Sport

Lorenz Scherer aus Oberelchin­gen feiert heute seinen 95. Geburtstag. Als junger Mann hatte er große Pläne – dann musste er in den Krieg ziehen

- VON STEFAN KÜMMRITZ

Oberelchin­gen Bei Lorenz Scherer dürften sich die Gratulante­n heute in seinem Haus in Oberelchin­gen die Klinke die Hand geben: Denn Scherer, der heute seinen 95. Geburtstag feiert, hat nicht nur drei Kinder, sieben Enkel und drei Urenkel, sondern auch sonst im Leben viel erlebt, er war beruflich erfolgreic­h und ist künstleris­ch begabt. Unter den Gästen, das weiß Scherer, wird auch Elchingens Bürgermeis­ter Joachim Eisenkolb sein.

95 Jahre muss man erst einmal werden. Vor allem, wenn man im Zweiten Weltkrieg als Soldat an der Ostfront kämpfen musste, zweimal wegen Krankheit und einmal wegen einer schweren Verwundung ins Lazarett kam – und jedes Mal erneut in den Krieg ziehen musste. Scherer hatte damals gerade ein Semester Maschinenb­au studiert, da erhielt er den Einberufun­gsbefehl. Der in Oberfahlhe­im geborene und in Schönebach bei Dinkelsche­rben aufgewachs­ene Scherer musste nach Russland an die Front.

Zuvor hatte er zu Hause viel mitarbeite­n müssen: Der Vater war Schmiedeme­ister und hatte einen kleinen Betrieb, dazu Landwirtsc­haft. Aber Lorenz Scherer wollte später nicht als Schmied arbeiten – er hatte andere Pläne, die er durch Fernstudiu­m, Studien daheim bei Nacht und durchs Maschinenb­austudium in Augsburg nach Kriegsende umsetzte. Die Lehrer hatten seinen Eltern die höhere Ausbildung angeraten, „weil ich in der Schule so ziemlich der Beste war“, wie er nicht ohne Stolz berichtet.

Der Zweite Weltkrieg brachte alles durcheinan­der. „Ich wollte eigentlich mit dem Militär nichts zu tun haben“, so Scherer. „Aber man konnte nichts machen, wenn man eingezogen wurde. An der Neisse bin ich Anfang ’45 wieder krank geworden“, erinnert sich der heute 95-Jährige, der seit 1963 – erst mit seiner Frau Agnes, die er 1952 heiratete, dann alleine – in Oberelchin­gen wohnt. „Der Arzt wollte mich damals nicht krank schreiben. Als sich mein Zustand verschlimm­erte, tat er es doch und ich musste zu Fuß ins Lazarett gehen. Dann kamen die Russen und es ging weiter. Dann kamen wieder die Russen und am Ende landete ich in einem Lazarett in der Nähe von Chemnitz.“

Scherer erinnert sich, dass auf einmal die Amerikaner unten vorbei gelaufen sind, er kam in ihre Gefangensc­haft. Der Krieg war vorbei – doch plötzlich kam die Meldung, die Russen übernehmen als Besatzungs­macht den Osten. „Da bin ich zusammen mit einem Kameraden abgehauen. Wir haben uns durch die Wälder geschlagen, ohne Essen und Trinken. Wir haben einen großen Bogen durch Thüringen bis nach Hof gemacht. Wir wurden von Amis entdeckt und kamen wieder in Gefangensc­haft. Es ging nach Nürnberg. Dort geschah das Wunder: Ich bekam meinen Entlassung­sschein.“Lorenz Scherer war ein freier Mann. Er wollte dann nach Augsburg, aber der Zug mit den Viehwagen war absolut voll mit Menschen. „Ich bekam nur die Erlaubnis, aufs Dach eines Waggons zu klettern. Und dort traf ich einen alten Kumpel, der mit mir an der Neisse gekämpft hatte.“

Es herrschte wieder Frieden und Lorenz Scherer fand auch seinen inneren Frieden. Was stark daran lag, dass er in der Wirtschaft ein gefragter Mann war: Zunächst war er bei der Ulmer Firma Gebrüder Eberhardt beschäftig­t, die landwirtsc­haftliche Maschinen herstellte. Sie schickte ihn zu zahlreiche­n Infor- mations- und Arbeitsrei­sen in fast alle europäisch­en Länder, in die USA und nach Nordafrika. Er wurde in seiner Firma Konstrukti­onsleiter und Oberingeni­eur, dazu beim Ackerschle­pper- und Landmaschi­nen-Verband Vorsitzend­er einer Normengrup­pe. 1971 wechselte er zu Magirus und wurde Leiter des Entwicklun­gsbereichs.

1961 hatte Scherer einen schweren Unfall mit einem Schädelhir­ntrauma. Auf Rat seines Arztes ging es deshalb 1984 vorzeitig in den Ruhestand. „Trotz der starken berufliche­n Belastung war ich in mehreren Vereinen Mitglied und 26 Jahre Vorstand des Obst- und Gartenbauv­ereins.“Auch die Malerei gehört zu seinem Leben dazu.

Die Platten mit Häppchen für seine heutigen Gäste bereitet der Jubilar übrigens eigenhändi­g vor. Er ist noch sehr rüstig und versorgt sich und den geliebten Garten fast nur in Eigenregie. Auch seine Einkäufe und Besorgunge­n erledigt er selbst – mit seinem Elektromob­il. Mit der Familie wird am Sonntag nachgefeie­rt. „Früher, als meine Frau noch lebte, haben wir unsere Geburtstag­e immer in einem Lokal gefeiert“, berichtet der Senior. Vor drei Jahren starb sie und es gab keine Feiern mehr. „Jetzt haben meine Kinder und Enkel gemeint, ich sei doch noch gut beieinande­r und mein Geburtstag solle entspreche­nd begangen werden.“Also wird es in Seligweile­r ein Familienfe­st mit ungefähr 30 Gästen geben.

Über seine 95 Jahre sagt der gläubige Katholik: „Ich bin nicht schuld, dass ich so alt bin, das hat ein anderer bestimmt.“Ein bisschen hat er es aber auch selbst bestimmt: „Ich pflege eine gesunde Lebensweis­e, mache noch Lauf- und Hantelübun­gen – und trinke jeden Tag meinen Rote-Bete-Saft“, erzählt Scherer.

 ?? Foto: Stefan Kümmritz ?? Lorenz Scherer versorgt sich und seinen geliebten Garten in Oberelchin­gen fast nur in Eigenregie. Mit Lauf und Hantelübun­gen sowie Rote Bete Saft hält er sich fit.
Foto: Stefan Kümmritz Lorenz Scherer versorgt sich und seinen geliebten Garten in Oberelchin­gen fast nur in Eigenregie. Mit Lauf und Hantelübun­gen sowie Rote Bete Saft hält er sich fit.

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