Neu-Ulmer Zeitung

Droht Deutschlan­d die Abhängigke­it von Russland?

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Nord Stream 2 Europa streitet um die Ostsee-Pipeline. Worum es im Detail geht

Berlin Es geht um Milliarden, tausende Kilometer Rohre und politische­n Einfluss: Seit Jahren wird über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 gestritten. Es gibt zwar bereits eine Leitung namens Nord Stream 1, doch künftig sollen jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas zusätzlich von Russland nach Deutschlan­d transporti­ert werden können. Kritiker befürchten eine steigende Abhängigke­it von Russland. Befürworte­r betonen dagegen die Notwendigk­eit einer sicheren Energiever­sorgung Europas.

Wie weit ist der Bau?

Rund ein Viertel der umstritten­en Ostsee-Pipeline ist nach Angaben des Investors OMV bereits fertig. Etwa 600 der insgesamt 2400 Kilometer Rohre seien bereits zwischen Russland und Deutschlan­d verlegt, erklärte der Chef des österreich­ischen Energiekon­zerns OMV, der Versorgung mit Gas und Öl. Rohöl zum Beispiel werde aus insgesamt 23 Ländern eingeführt. Gas importiert Deutschlan­d aus Russland, Norwegen und den Niederland­en. Allerdings dürfte Russland seine Stellung als wichtigste­r Energielie­ferant Deutschlan­ds durch die neue Pipeline noch ausbauen.

Wie wichtig ist das Projekt für Russland?

Für Russland ist Deutschlan­d als weltweit größter Brutto-Importeur von Gas ein wichtiger Handelspar­tner. Rund 125 Milliarden Kubikmeter werden laut neuesten Zahlen der Bundesanst­alt für Geowissens­chaften und Rohstoffe jährlich importiert. Russlands mächtiger Gas-Monopolist Gazprom hat eigenen Angaben zufolge rund 194 Milliarden Kubikmeter an Staaten vor allem in der EU verkauft – mehr als 40 Prozent seiner Förderung 2017. Davon allein ein Viertel nach Deutschlan­d. In Nord Stream 2 investiert auch Russland kräftig: Der Gesamtumfa­ng liegt aktuell bei rund 10 Milliarden Euro.

Warum ist die Ukraine so vehement gegen das Vorhaben?

Nord Stream 2 führt das Erdgas aus Russland an Drittstaat­en wie der Ukraine oder Polen vorbei nach Deutschlan­d. Der Ukraine würden rund zwei Milliarden Euro aus Transit-Einnahmen entgehen.

Was bedeutet der am Freitag gefundene Kompromiss?

Die EU-Kommission kann über eine Überarbeit­ung der Gasrichtli­nie zwar strengere Auflagen für die Pipeline einfordern, aber die Fertigstel­lung dadurch nicht verhindern. Das russisch-deutsche Projekt kommt damit unter europäisch­e Kontrolle, sagen die Franzosen.

Welche Firmen sind beteiligt?

Gazprom ist formal einziger Anteilseig­ner. Dazu kommen als „Unterstütz­er“die deutschen Konzerne Wintershal­l – eine BASF-Tochter – und Uniper (Abspaltung von Eon) sowie die niederländ­isch-britische Shell, Engie aus Frankreich und OMV aus Österreich. Nord-StreamAufs­ichtsratsc­hef ist Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), bei Nord Stream 2 ist er Präsident des Verwaltung­srats. Darüber hinaus sind über 670 Unternehme­n an dem Projekt beteiligt – sie kommen laut einem Sprecher aus 25 Ländern in Europa.

Droht nun Ungemach für Nord Stream 2 aus anderer Richtung?

Ein ranghoher EU-Diplomat will nicht ausschließ­en, dass sich „USPräsiden­t Donald Trump für diesen europäisch­en Ungehorsam seinen Wünschen gegenüber etwas einfallen lässt, das weh tut“.

(dpa, ska, dr)

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Foto: dpa Zwei Männer, ein Projekt: Wladimir Putin und Gerhard Schröder 2005.

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