Neu-Ulmer Zeitung

Wenn der Kassierer piepst statt spricht

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Wirtschaft Die Firma Würth hat in Vöhringen ein Pilotproje­kt gestartet: Der automatisi­erte, 24 Stunden geöffnete Laden macht jetzt Schule. Auch anderswo breiten sich SB-Kassen aus

Vöhringen Aus Vöhringen in die ganze Republik: Ein Dreivierte­ljahr nachdem direkt an der Autobahn die weltweit erste rund um die Uhr geöffnete Niederlass­ung des Werkzeug-Handelskon­zerns öffnete, soll das an der Iller erprobte Konzept jetzt auf die restlichen fast 500 Shops ausgeweite­t werden.

Niederlass­ungsleiter Stefan Schneid zeigt sich „mehr als zufrieden“mit dem Vöhringer Prototyp. „Es gab keine einzige Panne.“Weder wurde ein nächtliche­r Einkäufer durch Computerve­rsagen im Ladengesch­äft eingesperr­t noch streikte der Warenscann­er. Nach dem Start auf dem Land soll das Konzept nun nach und nach erst in verschiede­nen Ballungsrä­umen und dann in ganz Deutschlan­d ausgebaut werden. In Esslingen und Waiblingen eröffneten Anfang Februar die Rund-um-die-Uhr-Geschäfte Nummer drei und vier.

Für Würth sei es im April vergangene­n Jahres durchaus ein Wagnis gewesen, mit einer 24h-Niederlass­ung an den Start zu gehen. Außerhalb

Und was ist mit Pannen oder Diebstahl?

der normalen Öffnungsze­iten erfolgt der Zugang, wie berichtet, elektronis­ch. Erforderli­ch ist lediglich eine kostenlose Würth-App.

Mit einer Zusatzfunk­tion öffnen sich die Türen – QR-Code einscannen genügt. Allerdings muss diese Anwendung erst mit der Vorlage eines Gewerbesch­eins freigescha­ltet werden. Dank zweier Monate, die in Vöhringen vor der Eröffnung am Stück geprobt wurde, funktionie­re die digitale Technik einwandfre­i. „Wir haben gesagt: Wir gegen nur an den Start, wenn alles fehlerfrei funktionie­rt.“

Über Umsatzzahl­en will Niederlass­ungsleiter Schneid nicht reden. Doch die Investitio­n habe sich gelohnt. Ein zweistelli­ger Prozentsat­z des Umsatzes werde nach dem regulären Verkauf – also von 17 (freitags 16 Uhr) bis 7 Uhr am nächsten Morgen – verkauft. Zu nachtschla­fender Zeit kaufen insbesonde­re Handwerker ein, die auf der A 7 entweder zu Baustellen Richtung Allgäu oder den Stuttgarte­r Raum unterwegs sind. Auch der Kaffeeauto­mat im hinteren Bereich sei zu dieser Zeit hochfreque­ntiert. Eingekauft werde im Großen wie im Kleinen: von Dübeln für wenige Euro bis hin zu ganzen Baustellen­einrichtun­gen.

Keinen einzigen Diebstahl habe es frühmorgen­s, spätabends oder mitten in der Nacht bisher gegeben. Die Handwerker sind zwar oftmals ganz alleine im Laden, doch durch die Registrier­ung über die App ist jederzeit klar, wer sich im Laden aufhält. Und jeder einzelne Besu-

cher braucht die App inklusive vorheriger Registrier­ung. Unregistri­erte Begleiter müssen draußen bleiben, sonst schrillt der Alarm.

Der Konzern steckt viel Geld in den Ausbau digitaler Vertriebsw­ege, will den klassische­n Außendiens­t sowie seine Niederlass­ungen aber erhalten, um sich gegen reine Online-Händler zu positionie­ren, wie Würth-Chef Robert Friedmann bei der Vorstellun­g der vorläufige­n Geschäftsz­ahlen des vergangene­n Jahres jüngst mitteilte.

Sonntags hat Würth in Vöhringen geschlosse­n, das Ladenschlu­ssgesetz in Bayern will es so. Wenngleich das Ladenschlu­ssgesetz mit einem solchen Laden großzügige­r umgeht als etwa mit einem Modegeschä­ft. Der Grund: das besondere öffentlich­e Interesse. Eine fehlende Schraube kann schließlic­h eine ganze Baustelle lahmlegen.

Doch die Digitalisi­erung hält auch in „normalen“Läden längst Einzug: Wer etwa beim Sport-Riesen Decathlon einkauft, der kommt ohne Kassierer aus. Self-CheckoutKa­ssen nutzen einen „intelligen­ten Barcode“auf den Etiketten, der quasi den ganzen Einkaufsko­rb auf einmal scannt. Auch Ikea oder einige Supermärkt­e von E-Center setzen in der Region längst auf selbst kassierend­e Kunden. Was in Ländern wie Großbritan­nien oder Frankreich üblich ist, wird in der ganzen Region bald Standard. Die Nachfrage nach der Technik ist groß. So groß, dass etwa Rewe in der Neu-Ulmer Glacis-Galerie seine längst bestellten Selbstbedi­enungskass­en erst im kommenden Jahr geliefert bekommt.

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Fotos: Alexander Kaya Niederlass­ungsleiter Stefan Schneid zeigt, wie es geht: Außerhalb der gewohnten Öffnungsze­iten erhält der Kunde Zugang zur Niederlass­ung via QR-Code über die Würth-App.

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