Wenn der Kassierer piepst statt spricht
Wirtschaft Die Firma Würth hat in Vöhringen ein Pilotprojekt gestartet: Der automatisierte, 24 Stunden geöffnete Laden macht jetzt Schule. Auch anderswo breiten sich SB-Kassen aus
Vöhringen Aus Vöhringen in die ganze Republik: Ein Dreivierteljahr nachdem direkt an der Autobahn die weltweit erste rund um die Uhr geöffnete Niederlassung des Werkzeug-Handelskonzerns öffnete, soll das an der Iller erprobte Konzept jetzt auf die restlichen fast 500 Shops ausgeweitet werden.
Niederlassungsleiter Stefan Schneid zeigt sich „mehr als zufrieden“mit dem Vöhringer Prototyp. „Es gab keine einzige Panne.“Weder wurde ein nächtlicher Einkäufer durch Computerversagen im Ladengeschäft eingesperrt noch streikte der Warenscanner. Nach dem Start auf dem Land soll das Konzept nun nach und nach erst in verschiedenen Ballungsräumen und dann in ganz Deutschland ausgebaut werden. In Esslingen und Waiblingen eröffneten Anfang Februar die Rund-um-die-Uhr-Geschäfte Nummer drei und vier.
Für Würth sei es im April vergangenen Jahres durchaus ein Wagnis gewesen, mit einer 24h-Niederlassung an den Start zu gehen. Außerhalb
Und was ist mit Pannen oder Diebstahl?
der normalen Öffnungszeiten erfolgt der Zugang, wie berichtet, elektronisch. Erforderlich ist lediglich eine kostenlose Würth-App.
Mit einer Zusatzfunktion öffnen sich die Türen – QR-Code einscannen genügt. Allerdings muss diese Anwendung erst mit der Vorlage eines Gewerbescheins freigeschaltet werden. Dank zweier Monate, die in Vöhringen vor der Eröffnung am Stück geprobt wurde, funktioniere die digitale Technik einwandfrei. „Wir haben gesagt: Wir gegen nur an den Start, wenn alles fehlerfrei funktioniert.“
Über Umsatzzahlen will Niederlassungsleiter Schneid nicht reden. Doch die Investition habe sich gelohnt. Ein zweistelliger Prozentsatz des Umsatzes werde nach dem regulären Verkauf – also von 17 (freitags 16 Uhr) bis 7 Uhr am nächsten Morgen – verkauft. Zu nachtschlafender Zeit kaufen insbesondere Handwerker ein, die auf der A 7 entweder zu Baustellen Richtung Allgäu oder den Stuttgarter Raum unterwegs sind. Auch der Kaffeeautomat im hinteren Bereich sei zu dieser Zeit hochfrequentiert. Eingekauft werde im Großen wie im Kleinen: von Dübeln für wenige Euro bis hin zu ganzen Baustelleneinrichtungen.
Keinen einzigen Diebstahl habe es frühmorgens, spätabends oder mitten in der Nacht bisher gegeben. Die Handwerker sind zwar oftmals ganz alleine im Laden, doch durch die Registrierung über die App ist jederzeit klar, wer sich im Laden aufhält. Und jeder einzelne Besu-
cher braucht die App inklusive vorheriger Registrierung. Unregistrierte Begleiter müssen draußen bleiben, sonst schrillt der Alarm.
Der Konzern steckt viel Geld in den Ausbau digitaler Vertriebswege, will den klassischen Außendienst sowie seine Niederlassungen aber erhalten, um sich gegen reine Online-Händler zu positionieren, wie Würth-Chef Robert Friedmann bei der Vorstellung der vorläufigen Geschäftszahlen des vergangenen Jahres jüngst mitteilte.
Sonntags hat Würth in Vöhringen geschlossen, das Ladenschlussgesetz in Bayern will es so. Wenngleich das Ladenschlussgesetz mit einem solchen Laden großzügiger umgeht als etwa mit einem Modegeschäft. Der Grund: das besondere öffentliche Interesse. Eine fehlende Schraube kann schließlich eine ganze Baustelle lahmlegen.
Doch die Digitalisierung hält auch in „normalen“Läden längst Einzug: Wer etwa beim Sport-Riesen Decathlon einkauft, der kommt ohne Kassierer aus. Self-CheckoutKassen nutzen einen „intelligenten Barcode“auf den Etiketten, der quasi den ganzen Einkaufskorb auf einmal scannt. Auch Ikea oder einige Supermärkte von E-Center setzen in der Region längst auf selbst kassierende Kunden. Was in Ländern wie Großbritannien oder Frankreich üblich ist, wird in der ganzen Region bald Standard. Die Nachfrage nach der Technik ist groß. So groß, dass etwa Rewe in der Neu-Ulmer Glacis-Galerie seine längst bestellten Selbstbedienungskassen erst im kommenden Jahr geliefert bekommt.