Die Mülldebatte kommt zu spät
Haben Sie eigentlich vor Kurzem bei Anne Will die Debatte über die Stickoxidbelastung in deutschen Städten gesehen? Da beharkten sich jener Lungenfacharzt, der Grenzwerte und Fahrverbote für Mumpitz hält, und ein Epidemiologe, der die Ansichten seines Gegenübers als Humbug verdammte. Sie stritten sich auf so hohem Niveau, dass einem nicht vom Schnaufen, sondern allein vom Zuhören schwindelig werden konnte. Unter dem Strich lässt sich das Hauptargument so zusammenfassen: Ich habe recht und du nicht.
An die Dieseldebatte erinnert auch die wieder aufgeflammte Diskussion um die Verbrennung von freigemessenen Abfällen in Weißenhorn. Während die Betreiber des AKW sich im Einklang mit Recht und Gesetz sehen, zweifeln Atomkraftgegner wie die Ulmer Ärzteinitiative das komplette Grenzwertverfahren an. Tatsache bleibt aber: Freigemessene Abfälle in Weißenhorn zu verfeuern, ist legal, solange das Material nicht stärker strahlt, als es das sogenannte 10-Mikrosievert-Konzept vorsieht. Somit ist auch fraglich, ob sich die Müllehe mit dem Landkreis Günzburg in diesem einen Punkt aufkündigen lässt, wie das in Weißenhorn gefordert wird.
Dass Material aus Gundremmingen ebenfalls zu den Lieferungen der Nachbarn gehört, hatten die Kreispolitiker und Landrat Thorsten Freudenberger einfach nicht auf dem Zettel, sonst wäre die Debatte noch vor dem Vertragsabschluss mit Günzburg hochgekocht. Der Chef des Abfallwirtschaftsbetriebs Thomas Moritz wusste offenbar um die Problematik und fragte schon frühzeitig bei der Regierung von Schwaben nach, ob Bedenken bestehen. Von dort kam, wie er selbst sagte, die Antwort, bei dem Gundremminger Abfall handle es sich nicht um radioaktives Material, somit sei die Entsorgung in Weißenhorn zulässig. Somit hat er seinen Job korrekt erledigt – aber offenbar unterschätzt, wie viele Emotionen das Thema auslösen kann.
Sonst wäre es schon mal im Kreistag oder dem zuständigen Ausschuss zur Sprache gekommen. Aber daran kann sich nicht mal der Landrat erinnern, der die Sitzungen leitet. Um es mal so zu formulieren: Das ist ausgesprochen suboptimal gelaufen – ganz egal, wie man zum Thema Freimessung steht. Darüber hätte vor Vertragsabschluss geredet werden müssen, und zwar in öffentlicher Sitzung. Das holt nun der Umwelt- und Werkausschuss nach – mehr als drei Jahre zu spät.