Neu-Ulmer Zeitung

Provokateu­r mit Feingefühl

- VON BIRGIT HOLZER

Zeichner und Autor: Tomi Ungerer ist tot

Paris Wer so intensiv gelebt hat wie Tomi Ungerer, wer immer neue Kunstforme­n ausprobier­te und dahinter stets dieselbe ironisch-lebensbeja­hende Philosophi­e gestellt hat, für den mag das Sterben nur eine neue Etappe darstellen. So schilderte er es jedenfalls selbst. „Der Tod ist ein Ereignis wie die anderen auch“, sagte Ungerer 2016 der Zeitung Le Monde. „Ich sehe ihn wie einen Grenzkontr­olleur: Man kann davor stehen, ohne zu wissen, was uns auf der anderen Seite erwartet.“An diesem unbekannte­n Ort befindet sich der französisc­he Zeichner, Illustrato­r und Autor nun, der in der Nacht zum Samstag im Haus seiner Tochter im irischen Cork gestorben ist. Und der in seine 87 Jahre Leben so viel gepackt hat. Dreimal heiratete er, war Vater von vier Kindern, überstand drei Herzinfark­te und eine Krebserkra­nkung.

Ungerers Federstric­h war so feinfühlig wie provoziere­nd, so politisch wie philosophi­sch. Er setzte sich gegen Rassismus und für die deutschfra­nzösische Verständig­ung ein, war Kinderbuch­autor mit Werken wie „Die drei Räuber“, schuf zugleich explizite erotische Zeichnunge­n wie im „Kamasutra der Frösche“. In Deutschlan­d besonders bekannt ist „Das große Liederbuch“, eine illustrier­te Sammlung von Volks- und Kinderlied­ern. Mehr als 40000 Zeichnunge­n hat Ungerer angefertig­t, über 150 Bücher veröffentl­icht, hinzukomme­n Plakate, Lithografi­en, Skulpturen, Collagen. Ein Teil seines Werks, das er Straßburg überlassen hat, ist im dortigen Tomi-Ungerer-Museum zu sehen.

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Foto: dpa Er schuf Kinderbüch­er ebenso wie Pornografi­sches: Tomi Ungerer.

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