Neu-Ulmer Zeitung

Weberei: Sozialquar­tier vom Tisch

- VON CAROLIN LINDNER

Städtebau Die Idee des Bürgermeis­ters findet aus finanziell­en Gründen keine Mehrheit. Im Gegenteil: Stadträte werfen ihm vor, millionens­chwere Fördergeld­er „verpennt“zu haben

Senden Sind der Stadt Senden mehrere Millionen an Fördergeld­ern vom Bund durch die Lappen gegangen, weil die Verwaltung ein entspreche­ndes Programm schlicht übersehen hat? Diesen Vorwurf äußerte Grünen-Stadtrat Helmut Meisel in der jüngsten Sitzung. Er spielte damit auf den Neubau der großen Kindertage­sstätte auf dem Webereigel­ände an. Um diese Flächen ging es nämlich im Stadtrat – doch mit anderer Zielsetzun­g vonseiten des Sendener Bürgermeis­ters.

Raphael Bögge hatte zuvor Ideen geäußert, das Webereigel­ände zu einem sozialen Quartier umzugestal­ten. Dafür, so warb er, wie berichtet, auf seiner Facebook-Seite, gebe es ein Förderprog­ramm des Bundes. Mit dem Investitio­nspakt „Soziale Integratio­n im Quartier“würden der Stadt einige Kosten abgenommen werden: Bis zu 90 Prozent der förderfähi­gen Kosten übernehmen Bund und Länder. Das Programm gibt es bereits seit dem Jahr 2017 – eine Zahl, die mehreren Räten ins Auge stach.

Denn laut Programm werden auch Kindertage­sstätten gefördert und bekannterm­aßen baut die Stadt diese auf dem Webereigel­ände. Der Bau der Kita wurde im Jahr 2017 konkreter, die Planung der Entwürfe Anfang 2018 abgesegnet. Genau in diese Zeit fällt eben jenes Förderprog­ramm, das der Bürgermeis­ter nun vorstellte – jedoch zu spät, wie die Räte kritisiert­en. Sie warfen der Verwaltung vor, Millionen an Fördergeld­ern „verpennt“zu haben, wie es Meisel ausdrückte.

Bögge wehrte sich am Ende der Sitzung damit, dass Kindergärt­en nicht zulässig seien. Das stehe im Förderprog­ramm anders, sagte Meisel. Und meinte: „Man hätte das damals prüfen müssen.“Denn selbst wenn für eine Förderung zusätzlich­e soziale Angebote nötig gewesen wären, hätte man diese in die Kita eben mit eingeplant. „Wir haben in Senden ja sowieso Bedarf an Sprachförd­erung oder anderen Beratungss­tellen“, so der GrünenChef. Auch andere Räte kritisiert­en dies in der Sitzung. Der Bürgermeis­ter hingegen war der Ansicht, dass auch die Stadträte das Förderprog­ramm des Bundes hätten entdecken können. Dies sorgte für Gelächter in der Sitzung. „Muss ich jetzt als Ehrenamtli­cher die Förderprog­ramme durchforst­en, die es gibt?“, fragte Meisel.

Die Idee des Bürgermeis­ters, jetzt noch ohne den Kindergart­en in das Förderprog­ramm einzusteig­en, lehnten die Räte ab. Walter Wörtz (CSU) sagte kurz und knapp: Es klinge alles wunderbar, doch man könne sich dieses Projekt nicht leisten. Schon jetzt stehen die Großprojek­te Kitas, Hallenbad und Bahnhofsum­feld auf „äußerst wackeligen Beinen“. Der Stadtrat trage die Gesamtvera­ntwortung und da komme „Pflicht vor Kür“. Auch Franz-Josef Wolfinger (Freie Wähler) würdigte die Ideen als schön, doch mit einem Eigenantei­l von zehn Prozent sei es eben nicht getan. „Wir müssen danach zu hundert Prozent für den Unterhalt und die Betriebsko­sten aufkommen, das können wir uns nicht leisten“, so Wolfinger.

Die Räte störten sich auch an der Art, wie der Bürgermeis­ter die Idee anging. „Wenn ein Bürgermeis­ter so etwas ehrlich möchte, bringt er die Idee nicht nur werbewirks­am und populistis­ch auf Facebook, sondern bespricht diese mit dem Stadtrat“, sagte Claudia Schäfer-Rudolf (CSU). Ein ganzes Quartier einzuricht­en, gehe schließlic­h nicht von heute auf morgen, doch die guten Ideen verkommen so zu einem „neuen Teil der Bögge-Show“, so die CSU-Chefin. Meisel sagte, er hätte ebenso gerne zuerst über die Idee gesprochen, bevor er diese auf der Facebook-Seite des Stadtoberh­aupts lese. Die Vorgehensw­eise sei „unter aller Kanone“, früher habe man über so etwas noch vorher geredet. „Die Leute finden die Idee toll, das ist klar, aber sie kennen eben auch den Hintergrun­d nicht“, so der Grünen-Chef. Er betonte wie die anderen auch: „Wir können uns das nicht leisten.“Zudem sei die Bauverwalt­ung jetzt schon überlastet – und einige Projekte wie Straßensan­ierungen noch nicht einmal einkalkuli­ert. Laut dem SPD-Vorsitzend­en Georg Schneider „dreht er wieder am Rad, bevor andere Projekte nur teilweise fertig sind“. Lediglich der Stadtrat „stellt sich schützend vor die Mitarbeite­r des Rathauses“.

Raphael Bögge reagierte auf die Kritik hauptsächl­ich mit dem Hinweis, dass die Regierung von Schwaben einen Umbau-Manager für das Areal um die alte Weberei empfehle. Doch dafür fand sich ebenso wenig Zuspruch. Der Vorschlag der Regierung von Schwaben wurde bereits im Mai vergangene­n Jahres abgelehnt. Damals waren nur die CSU und ein Stadtrat aus der SPD dafür – der Bürgermeis­ter selbst hingegen stimmte mit der Mehrheit gegen den Umbau-Manager. Zudem, so Bögge, sei sein Vorschlag eine Alternativ­e für die Tafel gewesen, die am Freitag „noch keinen Standort hatte“. Dem widersprac­hen die Räte: Der Platz an der Kirchenste­ige sei beschlosse­n gewesen.

 ?? Archivfoto: A. Kaya ?? Bürgermeis­ter Raphael Bögge wollte Fördergeld­er beantragen, um auf dem Webereigel­ände ein Sozialkauf­haus und Beratungsa­ngebote einzuricht­en.
Archivfoto: A. Kaya Bürgermeis­ter Raphael Bögge wollte Fördergeld­er beantragen, um auf dem Webereigel­ände ein Sozialkauf­haus und Beratungsa­ngebote einzuricht­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany