Weberei: Sozialquartier vom Tisch
Städtebau Die Idee des Bürgermeisters findet aus finanziellen Gründen keine Mehrheit. Im Gegenteil: Stadträte werfen ihm vor, millionenschwere Fördergelder „verpennt“zu haben
Senden Sind der Stadt Senden mehrere Millionen an Fördergeldern vom Bund durch die Lappen gegangen, weil die Verwaltung ein entsprechendes Programm schlicht übersehen hat? Diesen Vorwurf äußerte Grünen-Stadtrat Helmut Meisel in der jüngsten Sitzung. Er spielte damit auf den Neubau der großen Kindertagesstätte auf dem Webereigelände an. Um diese Flächen ging es nämlich im Stadtrat – doch mit anderer Zielsetzung vonseiten des Sendener Bürgermeisters.
Raphael Bögge hatte zuvor Ideen geäußert, das Webereigelände zu einem sozialen Quartier umzugestalten. Dafür, so warb er, wie berichtet, auf seiner Facebook-Seite, gebe es ein Förderprogramm des Bundes. Mit dem Investitionspakt „Soziale Integration im Quartier“würden der Stadt einige Kosten abgenommen werden: Bis zu 90 Prozent der förderfähigen Kosten übernehmen Bund und Länder. Das Programm gibt es bereits seit dem Jahr 2017 – eine Zahl, die mehreren Räten ins Auge stach.
Denn laut Programm werden auch Kindertagesstätten gefördert und bekanntermaßen baut die Stadt diese auf dem Webereigelände. Der Bau der Kita wurde im Jahr 2017 konkreter, die Planung der Entwürfe Anfang 2018 abgesegnet. Genau in diese Zeit fällt eben jenes Förderprogramm, das der Bürgermeister nun vorstellte – jedoch zu spät, wie die Räte kritisierten. Sie warfen der Verwaltung vor, Millionen an Fördergeldern „verpennt“zu haben, wie es Meisel ausdrückte.
Bögge wehrte sich am Ende der Sitzung damit, dass Kindergärten nicht zulässig seien. Das stehe im Förderprogramm anders, sagte Meisel. Und meinte: „Man hätte das damals prüfen müssen.“Denn selbst wenn für eine Förderung zusätzliche soziale Angebote nötig gewesen wären, hätte man diese in die Kita eben mit eingeplant. „Wir haben in Senden ja sowieso Bedarf an Sprachförderung oder anderen Beratungsstellen“, so der GrünenChef. Auch andere Räte kritisierten dies in der Sitzung. Der Bürgermeister hingegen war der Ansicht, dass auch die Stadträte das Förderprogramm des Bundes hätten entdecken können. Dies sorgte für Gelächter in der Sitzung. „Muss ich jetzt als Ehrenamtlicher die Förderprogramme durchforsten, die es gibt?“, fragte Meisel.
Die Idee des Bürgermeisters, jetzt noch ohne den Kindergarten in das Förderprogramm einzusteigen, lehnten die Räte ab. Walter Wörtz (CSU) sagte kurz und knapp: Es klinge alles wunderbar, doch man könne sich dieses Projekt nicht leisten. Schon jetzt stehen die Großprojekte Kitas, Hallenbad und Bahnhofsumfeld auf „äußerst wackeligen Beinen“. Der Stadtrat trage die Gesamtverantwortung und da komme „Pflicht vor Kür“. Auch Franz-Josef Wolfinger (Freie Wähler) würdigte die Ideen als schön, doch mit einem Eigenanteil von zehn Prozent sei es eben nicht getan. „Wir müssen danach zu hundert Prozent für den Unterhalt und die Betriebskosten aufkommen, das können wir uns nicht leisten“, so Wolfinger.
Die Räte störten sich auch an der Art, wie der Bürgermeister die Idee anging. „Wenn ein Bürgermeister so etwas ehrlich möchte, bringt er die Idee nicht nur werbewirksam und populistisch auf Facebook, sondern bespricht diese mit dem Stadtrat“, sagte Claudia Schäfer-Rudolf (CSU). Ein ganzes Quartier einzurichten, gehe schließlich nicht von heute auf morgen, doch die guten Ideen verkommen so zu einem „neuen Teil der Bögge-Show“, so die CSU-Chefin. Meisel sagte, er hätte ebenso gerne zuerst über die Idee gesprochen, bevor er diese auf der Facebook-Seite des Stadtoberhaupts lese. Die Vorgehensweise sei „unter aller Kanone“, früher habe man über so etwas noch vorher geredet. „Die Leute finden die Idee toll, das ist klar, aber sie kennen eben auch den Hintergrund nicht“, so der Grünen-Chef. Er betonte wie die anderen auch: „Wir können uns das nicht leisten.“Zudem sei die Bauverwaltung jetzt schon überlastet – und einige Projekte wie Straßensanierungen noch nicht einmal einkalkuliert. Laut dem SPD-Vorsitzenden Georg Schneider „dreht er wieder am Rad, bevor andere Projekte nur teilweise fertig sind“. Lediglich der Stadtrat „stellt sich schützend vor die Mitarbeiter des Rathauses“.
Raphael Bögge reagierte auf die Kritik hauptsächlich mit dem Hinweis, dass die Regierung von Schwaben einen Umbau-Manager für das Areal um die alte Weberei empfehle. Doch dafür fand sich ebenso wenig Zuspruch. Der Vorschlag der Regierung von Schwaben wurde bereits im Mai vergangenen Jahres abgelehnt. Damals waren nur die CSU und ein Stadtrat aus der SPD dafür – der Bürgermeister selbst hingegen stimmte mit der Mehrheit gegen den Umbau-Manager. Zudem, so Bögge, sei sein Vorschlag eine Alternative für die Tafel gewesen, die am Freitag „noch keinen Standort hatte“. Dem widersprachen die Räte: Der Platz an der Kirchensteige sei beschlossen gewesen.