Röntgen ist ihr Vorbild
Wettbewerb Sebastian Eisenbarth und Raphael Burger aus Neu-Ulm treten mit ihrer Forschung in die Fußstapfen des bekannten Physikers. Heute präsentieren die Zwölfjährigen ihre Arbeit bei „Schüler experimentieren“in Augsburg
Neu-Ulm Die Sonne gibt draußen vor den Türen des Lessing-Gymnasiums in Neu-Ulm noch mal alles, als die Schulglocke ertönt – es ist kurz nach halb vier. Raphael Burger stutzt kurz und sieht auf die Uhr. Dann setzt er seine leidenschaftlichen Erklärungen über sein gemeinsames Projekt mit Freund Sebastian Eisenbarth unbeirrt fort. Die beiden Zwölfjährigen erzählen abwechselnd vom bekannten Physiker Wilhelm Conrad Röntgen, von ihren Experimenten mit elektroaktiven Polymeren und von dem Wettbewerb, der seit gestern bis zum heutigen Donnerstag in Augsburg stattfindet: „Jugend forscht“und „Schüler experimentieren“.
Seit 54 Jahren experimentieren, tüfteln und untersuchen Schüler aus ganz Deutschland in Themengebieten ihrer Wahl und präsentieren im Rahmen der Veranstaltung ihre Ergebnisse. In Augsburg steht nun der Regionalentscheid an – im MANMuseum sind die Projekte ausgestellt und werden von einer Jury bewertet. Jeweils ein Sieger aus den Kategorien Arbeitswelt, Biologie, Chemie, Geo- und Raumwissenschaft, Mathematik/Informatik, Physik und Technik lösen Tickets für den Landesentscheid.
Die beiden Zwölfjährigen aus Neu-Ulm treten in der Kategorie Physik bei „Schüler experimentieren“an. Aufgeregt sind sie schon jetzt, zwei Tage vor der Entscheidung. Während sich ihre Mitschüler längst in den verdienten Feierabend verabschiedet haben und den lauen Frühlingsnachmittag im Freien genießen, tüfteln die beiden Siebtklässler noch an den Details ihrer Präsentation. „Wie wär’s, wenn wir über die Alufolie noch Pappe machen und nur einen kleinen Kreis für den Druckpunkt freilassen?“, fragt Raphael und erntet eifriges Kopfnicken seines Partners Sebastian: „Ja, das sieht bestimmt professioneller aus“, lautet seine Antwort.
Druckpunkt? Und wie war das vorher, elektroaktive Polymere? Das klingt alles furchtbar kompliziert – ist es aber nicht. Elektroaktiv bedeutet lediglich, dass das Material bei Stromeinwirkung seine Form ändert. Und Polymer bedeutet so viel wie „aus vielen Teilen aufgebaut“– die Moleküle des Materials können dabei natürlicher oder synthetischer Herkunft sein. Elektroaktive Polymere sind also nichts anderes als Materialien, die wie künstliche Muskeln funktionieren.
Sebastian und Raphael haben schon mit mehreren Stoffen experimentiert: Alufolie, Kohlenstoff-
Jugend forscht
Silberlack und Eisenstaub. Mal mit mehr, mal mit weniger deutlichen Ergebnissen. „Wir legen elektrische Spannung an das Material an, das wir zuvor auf eine spezielle Folie aufgetragen haben“, erklärt Sebastian. Die Folie müsse während des Versuchs über eine gewisse mechanische Grundspannung verfügen. Raphael: „Dann messen wir die Änderung der Dicke – bis zu zwei Millimeter bei acht Kilovolt, eine ganze Menge.“Den Versuch stellen die beiden sogar einmal auf den Kopf. Statt Spannung anzulegen, ändern sie einfach selbst die Dicke indem sie an der Folie ziehen. Das Ergebnis: „Es wird Spannung produziert“, berichtet Sebastian stolz.
Bei ihren Experimenten wandeln die beiden Nachwuchsforscher übrigens stets in ganz großen Fußstapstaub,
fen. Nämlich in denen des deutschen Physikers und Nobelpreisträgers Wilhelm Conrad Röntgen, Entdecker der nach ihm benannten Röntgenstrahlung. „Es ist einfach lustig, wenn man den Original-Versuch von Röntgen nachmachen kann“, sagt Raphael. Der Physiker entdeckte 1880 die elektroaktiven Polymere, als er ein Kautschukband auf einer Seite aufhängte, mit Gewichten
ausdehnte und an Strom anschloss. Er bemerkte eine deutliche Längenänderung – genau wie die Zwölfjährigen. Und das treibt sie an: „Es macht einfach Spaß, etwas auszuprobieren, bei dem man am Ende ein Ergebnis sieht“, sagt Sebastian und Raphael ergänzt: „Genau. Ein konkretes Ziel haben wir nicht. In der Forschung sollte man nie zufrieden sein.“»Senf dazu