Was hinter der Zweck-Ehe der Autobauer steckt
Digitalisierung Tesla verlässt die analoge Welt und schließt fast alle Autohäuser. Google ist beim autonomen Fahren weit voraus. Nun arbeiten BMW und Daimler künftig zusammen, um Schritt zu halten. Gelingt die Aufholjagd?
Augsburg Tesla-Chef Elon Musk hält wenig von Konventionen, denn sie bremsen Innovation. Gelegentlich tritt er im T-Shirt auf. Verganenes Jahr offenbarte er, wie die Arbeit ihm den Schlaf raubt. Und auf Twitter kündigte er im selben Jahr an, Tesla von der Börse zu nehmen – später zog er das Vorhaben zurück. Über Besonnenheit, Diskretion, Zurückhaltung – klassische Eigenschaften eines Managers – verfügt er nicht. So hat Tesla am Donnerstag kurzerhand bekannt gegeben, fast alle Autohäuser zu schließen und künftig nur noch im Internet Autos zu verkaufen.
Daimler-Chef Dieter Zetsche trägt zwar nicht T-Shirt, aber immerhin Jeans und aufgeknöpftes Hemd. Und auch er traf nun eine überraschende Entscheidung: Daimler und BMW gehen eine enge Partnerschaft ein. Die beiden Autokonzerne möchten das automatisierte Fahren gemeinsam weiterentwickeln. Zuletzt hatten die Unternehmen schon verkündet, ihre Carsharing-Firmen Drivenow und Car2go zusammenzulegen. Jetzt wollen die Unternehmen gemeinsam bis Mitte des kommenden Jahrzehnts erreichen, dass ihre Fahrzeuge auf Autobahnen selbstständig fahren. Nach der Abfahrt muss aber trotzdem der Fahrer wieder übernehmen. Bis vor einigen Jahren war eine solche Kooperation noch nicht denkbar. Zu abgeschottet waren die Konzerne, zu groß die Angst, dass der Konkurrent die eigenen Ideen stehlen könnte. Mittlerweile hat die deutsche Industrie jedoch eingesehen, dass sie handeln muss. „Es ist klar, dass niemand die Herausforderungen des vernetzten und automatisierten Fahrens alleine schaffen kann“, sagt Eckehart Rotbeiden ter, Sprecher des Verbands der deutschen Automobilindustrie.
Auch, weil Google bereits deutlich weiter ist als die deutschen Anbieter. Wenige Kilometer von der Küste des Pazifischen Ozeans entfernt fahren schon jetzt Autos ohne Fahrer. Das Tochterunternehmen Waymo des Internetkonzerns bietet in der Nachbarschaft des Silicon Valley einen Taxidienst mit selbstfahrenden Autos an. Perfekt fahren sie offenbar noch nicht, denn andere Autofahrer ärgern sich über die Fahrzeuge, wie der amerikanische Fernsehsender berichtet. „Ich hasse sie“, wird eine Frau zitiert. Sie sei fast auf ein Waymo-Auto aufgefahren, weil es ohne Grund plötzlich angehalten habe.
Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, warnt vor dem Vorsprung der Internetkonzerne. „Waymo ist deutschen Autobauern in allen Belangen voraus“, sagte er unserer Redaktion. Die Kooperation zwischen BMW und Daimler sei deshalb richtungsweisend. Die Unternehmen müssten ihre Kompetenz und Finanzen büneinzelnen deln, um Schritt zu halten. Die Investition in die Entwicklung automatisierter Fahrzeuge sei teuer und riskant. Erst in einigen Jahren könnte sie Geld in die Kassen spülen.
Auch beim Vertrieb sieht Dudenhöffer Nachholbedarf. Autos wie Tesla online zu verkaufen, hält er für zeitgemäß. Er geht aber noch einen Schritt weiter: Kunden könnten mittlerweile Auto-Abos abschließen, bei denen sie täglich ein anderes Auto wählen. Neuwagen könne man in Deutschland bisher aber nur bei Vertragshändlern kaufen – und das koste den Kunden etwa zehn Prozent des Kaufpreises. „Die Autobauer müssen den Vertrieb öffnen. Sie sind noch in der lokalen Welt und haben in mehr als 20 Jahren Internet nichts gemacht, außer eine Website gebaut.“
Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft, sieht hingegen weiterhin eine Notwendigkeit für Händler – auch wenn er Teslas Schritt als sinnvoll erachtet. Von der Kooperation zwischen BMW und Daimler ist er nicht überrascht. Im Vergleich zu dem Vorreiter Waymo seien die Errungenschaften der deutschen Autobauer überschaubar: „Ein Audi A8 ist technisch darauf vorbereitet, bis 60 Stundenkilometer auf der Autobahn selbstständig zu fahren.“Allerdings fehle dafür in Deutschland die rechtliche Grundlage. Die Hersteller kämen schlechter voran als erhofft. Die Kooperation von BMW und Daimler sei ein erster Schritt. Nun stelle sich allerdings die Frage: „Was macht Volkswagen?“
Ob auch das Wolfsburger Unternehmen ein Bündnis für autonomes Fahren eingeht, ist ungewiss. Derzeit prüft der Konzern eine Kooperation mit Ford. Im Januar war eine gemeinsame Entwicklung von Nutzfahrzeugen bekannt gegeben worden. Jedenfalls kleidet sich auch der Vorstandsvorsitzende Herbert Diess immer häufiger wie Musk und Zetsche: ohne Krawatte.