Theaterpädagogik wirkt
Wissenschaft Die Akademie für darstellende Kunst hat zusammen mit der Uni Tübingen eine Pilotstudie an einer Ulmer Gemeinschaftsschule erstellt
Die Pilotstudie „Subject: acting!“bedeutete harte Arbeit, sagt Ralf Rainer Reimann, Leiter der Ulmer Akademie für darstellende Kunst (AdK). Und seine Dozenten Barbara Schmidt, Johnny Warrior und Claudia Steiner nicken zustimmend. Doch gelohnt hat sich der Einsatz für das Projekt auf jeden Fall. Von der Universität Tübingen begleitet, stellte sich die Schule dem ersten Versuch eines wissenschaftlichen Nachweises, dass professionelle theaterpädagogische Arbeit an Schulen die persönliche und soziale Entwicklung von Jugendlichen fördert. Die Leistung im Unterricht selbst, so ein Ergebnis der Studie von Marion Spengler, einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Universität Tübingen, veränderte sich nicht, wohl aber wurden die Schüler offener und neugieriger, zeigten mehr Interesse für Kunst, Literatur und die deutsche Sprache.
Am Pilotprojekt waren zwei siebte Klassen der Albrecht-BerblingerGemeinschaftsschule Ulm beteiligt. Beide Klassen werden jeweils ziemlich genau zur Hälfte von männlichen und weiblichen Jugendlichen besucht, beide Klassen haben einen Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund von 90 Prozent. Eine der beiden Klassen, die 7b, erhielt vier Stunden wöchentlich einen theaterpädagogischen Kurs in den Räumen der AdK, die 7a nicht. Ziel der Maßnahme: herauszufinden, ob sich nach einem Jahr Unterschiede in der Persönlichkeitsentwicklung, im Lern- und Sozialverhalten der Schüler zeigen würden.
Deutliche Tendenzen waren nach einem Jahr sichtbar, resümiert Forscherin Spengler: Die Sprachkompetenz der Schüler der 7b vergrößerte sich, ihre sozialen Fähigkeiten verbesserten sich trotz der Phase der Pubertät. In der Referenzklasse war bei den pubertären Schülerinnen und Schülern jeweils ein Abwärtstrend feststellbar. In Deutsch schätzten die Jugendlichen sich selbst, im Einklang mit dem Urteil der Lehrer, verbessert ein – ein Effekt, der verglichen dazu im Mathematikunterricht nicht auftrat.
Sie könne sich noch gut an die ersten Stunden erinnern, erzählt AdKDozentin Barbara Schmidt: An schreiende Jugendliche, die völlig unkonzentriert gewesen seien, an jede Menge Konflikte zwischen Jungen und Mädchen, die verschiedenen Religionen und Ethnien angehören. „Es musste ganz viel Basisarbeit gemacht werden“, erzählt sie. Doch im Lauf des Jahres tat sich eine Menge – die Schüler wurden mutiger, vor anderen zu sprechen; sie lernten zuzuhören und zeigten sich leistungsmotivierter im Umgang mit der deutschen Sprache. Eine Schülerin sei sogar so motiviert gewesen, dass sie mit ihrem Baby in die theaterpädagogischen Stunden kam, berichtet AdK-Leiter Reimann. Ihn wie auch seine Dozenten und Forscherin Spengler würde es interessieren, wie sich die erworbenen Fähigkeiten mittel- und langfristig auswirken und ob es den Jugendlichen gelingt, sie in andere Lebenssituationen einzusetzen.
Finanziert wurde das Pilotprojekt von Bayer Kultur. Deren Leiter Thomas Helfrich ist überzeugt von der Wichtigkeit von Musik, Kunst und Theater an den Schulen. „Wir werden kulturell immer ferner, auch aufgrund der Geschwindigkeit der Digitalisierung“, sagt er. „Aber nur über Kreativität können wir innovativ bleiben. In kreativfreien Bereichen werden die Horizonte immer enger.“
Spengler wünscht sich nach den positiven Erfahrungen des Projekts eine umfangreicher angelegte Studie über die Nachhaltigkeit von theaterpädagogischer Arbeit an Schulen. Und dafür, dass die Referenzklasse nach der Auswertung des Vergleichs keine Nachteile hatte, sondern ebenfalls in den Theatergenuss kam, sorgte die AdK: Die Schüler durften einen komprimierten WochenendWorkshop machen.
Die ersten Stunden waren für die Dozenten schwierig