Im Zweifel für das Leben
Es ist eine der schwierigsten Fragen des Lebens, weil sie genau über dieses entscheidet: Wann darf, wann sollte, wann muss das Leben eines kranken Menschen beendet werden? Man wünscht es niemandem, diese Frage für einen anderen beantworten zu müssen. Doch Ärzten und Angehörigen bleibt häufig keine andere Wahl – zu oft äußern Patienten ihren eigenen Willen nicht rechtzeitig oder nicht ausdrücklich genug und zwingen damit anderen die Entscheidung über Leben oder Tod auf. So auch im Falle des Münchners, über den nun der Bundesgerichtshof zu befinden hat.
Ein Urteil haben die Richter noch nicht verkündet, doch sie ließen durchblicken, dass sie sich nicht anmaßen wollen, darüber zu entscheiden, ob das Leben des 80-Jährigen zuletzt noch lebenswert war oder nicht. Das ist auch gut so. Es sollte die Aufgabe der Richter sein, festzustellen, ob der Arzt bei der Behandlung des Mannes Fehler gemacht hat. Sollte dies der Fall sein, müsste der Mediziner dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Es sollte jedoch nicht die Aufgabe der Richter sein, darüber zu mutmaßen, was denn der demente Senior selbst gewollt, aber nie artikuliert hatte.
Mit einem Verzicht auf eine Patientenverfügung legte der Mann die letzte Entscheidung seines Lebens – bewusst oder nicht – in die Hände anderer. Der Arzt meinte es gut, als er den kranken Mann mittels künstlicher Ernährung weiter am Leben hielt. Ihn dafür zu bestrafen, wäre ein Urteil gegen die Menschlichkeit.