Neu-Ulmer Zeitung

Merkel wird noch gebraucht

- VON STEFAN LANGE

Debatte Ständig wird über einen vorzeitige­n Rückzug der Bundeskanz­lerin spekuliert. Warum das Unsinn ist

Angela Merkel wurde 2005 das erste Mal als Kanzlerin gewählt, sie will 2021 aufhören. Das erste Jahr ihrer letzten Amtsperiod­e ist am 14. März vorbei und es ist gleichzeit­ig das erste Jahr, in dem so heftig wie noch nie über ein vorzeitige­s Ausscheide­n spekuliert wird. Die Debatte über Merkel wird nicht von ihr selber befeuert. Im Gegenteil. Sie wirkt putzmunter und kein bisschen amtsmüde.

Auslöser der Merkel-Turbulenze­n sind politische Rechenspie­le. Für die Union wäre es der Idealzusta­nd, wenn vor der nächsten Bundestags­wahl 2021 der Stabwechse­l bereits vollzogen und Annegret Kramp-Karrenbaue­r Kanzlerin wäre. Denn ein Amtsbonus wirkt wie ein Staubsauge­r beim Stimmenfan­g. Doch eine Kanzlerin lässt sich nicht mal eben so austausche­n, davor steht das Grundgeset­z.

Artikel 63 der Verfassung regelt, dass die Kanzlerin „auf Vorschlag des Bundespräs­identen vom Bundestag ohne Aussprache gewählt“wird. Da die Union keine Mehrheit hat, müsste die SPD mit ran. Einige rote Spitzenpol­itiker haben aber bereits angekündig­t, AKK in diesem Fall die Stimme zu verweigern.

Klar, AKK könnte auch mit den Stimmen von FDP und Grünen zur Kanzlerin gewählt werden. Das würde eine Jamaika-Koalition vo- raussetzen. Die Grünen sind jedoch gerade so stark, dass sie sich kaum der FDP und einem liberalen Vizekanzle­r unterordne­n werden. Was sie im Fall von Jamaika tun müssten, denn im Parlament sind sie die schwächste Fraktion.

Am Ende blieben nur Neuwahlen, eingeleite­t durch eine Vertrauens­frage. Merkel müsste allerdings einen vernünftig­en Grund für eine Vertrauens­frage finden. Nachdem Helmut Kohl 1982 die Vertrauens­frage mit dem Ziel gestellt hatte, Neuwahlen einzuleite­n, zweifelten einige Abgeordnet­e seine Begründung an und klagten vor dem Bundesverf­assungsger­icht. Karlsruhe gab Kohl zwar rückwirken­d recht, die Richter betonten gleichzeit­ig aber, dass die Vertrauens­frage nur in einer „echten“Krise zulässig sei.

Mal abgesehen davon, dass der Ausgang von Neuwahlen ungewiss wäre – tatsächlic­h gibt es ernsthaft keinen „echten“Grund zum Rücktritt für die amtierende Kanzlerin. Merkel wurde im Trendbarom­eter der Sender und gerade erst bescheinig­t, dass zwei Drittel der Deutschen gegen ihren vorzeitige­n Rücktritt sind. Wenn sie in den Geschichts­büchern einen Eindruck hinterlass­en wird, dann als Europa-Kanzlern. Sie verhandelt­e während der Finanzkris­e alle anderen EU-Mitglieder an die Wand, sie trieb maßgeblich den Vertrag von Lissabon voran, sie ist mit ihrer Erfahrung die sicherste Politikeri­n auf dem Brüsseler Parkett. Wie sollte Merkel da – vor dem Hintergrun­d von Brexit, Europawahl und EU-Ratspräsid­entschaft 2020 – glaubhaft erklären, sie werde nicht mehr gebraucht?

Nein. Solange es keine ganz besonderen Umstände gibt, eine schwere Krankheit etwa, wird Merkel nicht hinwerfen. Aus den oben genannten Gründen nicht und auch deshalb nicht, weil es ihrem Verständni­s vom Amt widerspräc­he. Merkel selbst hat es mehrfach gesagt, es ist so aus ihrem Umfeld zu vernehmen. Bloß glauben müsste man es einfach mal.

 ?? Foto: dpa ?? Angela Merkel will bis 2021 Bundeskanz­lerin bleiben.
Foto: dpa Angela Merkel will bis 2021 Bundeskanz­lerin bleiben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany