Brüssel verliert die Geduld
Brexit Warum eine Verschiebung gar nicht so einfach ist
kurze Verlängerung um wenige Wochen – in der Hoffnung auf eine Wende oder Lösung in London. Oder eine längere Verschiebung als eine Art Denkpause. Premierministerin Theresa May bekannte selbst, dass eine Verschiebung „ohne Plan“die Probleme kaum mindern würde. Niemand kennt eine Alternative zu dem abgelehnten Abkommen und in wenigen Wochen wäre auch kein neues auszuhandeln. Am Ende der verlängerten Austrittsfrist würde doch nur wieder die Drohung eines Chaos-Brexits stehen, sagte May und resümierte: „Die Optionen sind trostlos.“
Und was sagt Brüssel? Die Briten sagen, sie wollen mehr Zeit, und die EU macht mit?
Ganz im Gegenteil. Der Antrag über eine Verschiebung des Brexits, der heute Abend ansteht, bedarf erst noch einer Genehmigung durch die Union. Die einschlägigen Regelwerke legen fest: Eine Verlängerung der zweijährigen Frist zwischen Abgabe einer Austrittserklärung und dem Vollzug bedarf der einstimmigen Billigung des Europäischen Rates, wie der EU-Gipfel offiziell heißt. Und: Er muss begründet werden. Vorstellbar seien nur drei Gründe, sagte ein Diplomat: die Ratifizierung des bisher abgelehnten Austrittsvertrags in Großbritannien; zusätzliche Zeit für die Vorbereitung auf einen No Deal oder Zeit für ein Referendum oder eine Neuwahl in Großbritannien. „Es muss etwas Greifbares dahinterstecken“, sagte Luxemburgs Außenamtschef Jean Asselborn. Das kann in Brüssel aber derzeit niemand erkennen.
Wer darf so etwas wann entscheiden?
Die 27 Staats- und Regierungschefs könnten bei ihrem Treffen Ende nächster Woche in Brüssel einen solchen Beschluss diskutieren und wohl auch fassen.
Die EU würde damit noch mal auf May eingehen?
Ihr bleibt nichts anderes übrig. Obwohl die Stimmung gegenüber Premierministerin May (so betonte gestern ein hochrangiges Mitglied der Kommission) derzeit als „bestenfalls schlecht“gilt. Ihr werden schwere taktische und strategische Fehler im eigenen Haus vorgeworfen. „Sie hat den Karren vor die Wand gefahren“, hieß es. Denn es gibt keinen Brexit ohne Deal, aber eben auch keinen Deal für einen Brexit. Entsprechend frustriert ist man in Brüssel. „Was für ein Desaster“, sagte Fraktionschef Manfred Weber von der Europäischen Volkspartei (EVP). „So kann es nicht weitergehen.“Weber spricht sich für ein zweites Referendum aus. „Es wäre der logische nächste Schritt, die Menschen erneut zu fragen“, sagte er.