Nicht nur Bögge steht alleine da
Politik In Starnberg streiten Stadtrat und Bürgermeisterin erbittert. Vieles gleicht der Lage in Senden, doch der Konflikt wird viel härter ausgetragen. Kann es da noch um Sachthemen gehen?
Senden/Starnberg Die CSU hat er im Januar verlassen, den Sendener Ortsverband schon viel früher. Keine Partei wird ihn zur Wahl aufstellen, doch Raphael Bögge will 2020 trotzdem noch einmal Bürgermeister werden. Er ist nicht der Einzige, der alleine kämpft. Auch im oberbayerischen Starnberg sind aus früheren Parteifreunden erbitterte Gegner geworden. Auch dort streiten Bürgermeister und Stadtrat regelmäßig und über fast alles. Auch dort hat das Stadtoberhaupt angekündigt, bei der Kommunalwahl 2020 allen Widerständen zum Trotz noch einmal antreten zu wollen. Ein paar Unterschiede gibt es aber doch: Der Bürgermeister ist in Starnberg eine Bürgermeisterin. Anders als Bögge, der 2014 noch für die CSU angetreten war, es sich dann aber erst mit seiner Fraktion und später mit allen anderen im Stadtrat verscherzt hatte, weiß sie eine eigene Gruppierung hinter sich. Doch die Konflikte in der Kreisstadt 25 Kilometer südwestlich von München haben eine Tragweite erreicht, die den Sendener Zoff in den Schatten stellt.
Zumindest ein paar Monate lang gab es keine Streits zwischen den Starnberger Stadträten und Bürgermeisterin Eva John. Denn im Dezember 2014 wurde das erst wenige Monate zuvor gewählte Gremium wieder aufgelöst, weil acht Stimmzettel nicht zugeordnet werden konnten. Ärger am Ratstisch hatte es schon vorher gegeben. Für das knappe halbe Jahr bis zur erneuten Wahl regierte Eva John allein. So sieht es das Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz vor.
Davor war die CSU-Frau mit einer neu gegründeten Liste angetreten – und hatte den CSU-Bewerber ausgestochen. Später wurde sie deshalb aus der Partei ausgeschlossen. Das wollte Raphael Bögge vermeiden und gab sein Parteibuch vor der Ankündigung einer erneuten Kandidatur freiwillig zurück – denn die Sendener CSU will 2020 einen anderen Kandidaten aufstellen. John ist nicht die Einzige, die in Starnberg die Seiten wechselte. Auch einige Räte verließen ihre Fraktionen und schlossen sich anderen an – noch ein Unterschied zu Senden. Dort spalteten sich lediglich zwei Stadträte von BiSS ab und bildeten eine eigene neue Fraktion, die UBG.
In Senden stimmten sich die Stadtpolitiker bei manchen Themen untereinander ab, ohne Raphael Bögge. Der muss sich immer wieder Kritik wegen seiner Amtsführung und wegen mangelnder Transparenz anhören. Beispielsweise, weil die Stadträte Dokumente nicht oder erst später als gewünscht zu sehen bekamen. In Starnberg ist das nicht anders. Die Süddeutsche Zeitung und der Starnberger Merkur, die aus der Kreisstadt berichten, greifen regelmäßig neue Vorwürfe gegen die Bürgermeisterin auf. Etwa, dass sie Stadtratsbeschlüsse ignoriert habe oder nur ihre eigene Meinung vertrete statt die des Gremiums.
In Senden betonen alle Stadtpolitiker, dass es ihnen um die Sache gehe – um die besten Entscheidungen im Sinne der Bürger. Öffentliche Angriffe auf Raphael Bögge gibt es nicht. Es gehe nicht um Personen, heißt es immer wieder. Angegriffen wird allenfalls Bögges Umgang mit Themen und Projekten. Auch der Bürgermeister betont regelmäßig, dass es allen nur ums Wohl der Stadt gehe, die Zusammenarbeit sei gut. In Starnberg ist der Ton rauer. Die örtlichen Zeitungen berichten von Beleidigungen, die in nicht öffentlichen Sitzungen gefallen sein sollen („Halten Sie den Mund“), Kritik an der Bürgermeisterin wird auch offen geäußert. Die wiederum sagte in einem Interview mit dem
„Im Umgang miteinander sind ein gewisser Respekt und Anstand erforderlich. Den zeigen aber leider nicht alle Stadträte.“Attackiert wird John nicht nur von Stadträten: Bei einer Bürgerversammlung forderten Besucher einem Bericht der Süddeutschen Zeitung
zufolge auf Bannern und Plakaten ihren Rücktritt.
Ein Streit im Starnberger Stadtrat eskalierte derart, dass eine ZweiDrittel-Mehrheit der Räte John verklagte: Sie hatte den Stadtpolitikern Berichten zufolge die Einsicht in ein wichtiges Gutachten verwehrt. Dieses Verfahren endete mit einer Einigung, doch das nächste steht bevor: Die Landesanwaltschaft sieht ein Dienstvergehen Johns als erwiesen an. Die Bürgermeisterin soll Stadtratsbeschlüsse nicht umgesetzt und ihre Pflicht zur unparteiischen Amtsführung verletzt haben. In Senden kam es bislang nicht so weit, dort gab es aber Hinweise an die Rechtsaufsicht. Einmal hatte Bögge für eine Veranstaltung auf städtischem Papier mit CSU-Logo geladen und damit seine Neutralitätspflicht als Bürgermeister verletzt.
Lässt sich eine Stadt führen, wenn die Entscheidungsträger dauernd streiten? Eva John lehnt eine Interview-Anfrage unserer Zeitung ab: „Keine Zeit“, sagte die Sprecherin der Stadt Starnberg. Die Bürgermeisterin hat für die Woche nach den Faschingsferien fünf Sitzungen anberaumt – die Aufteilung ist eine Reaktion auf Beschwerden über zu umfangreiche Tagesordnungen. Auch dieses Phänomen ist aus Senden bekannt. Der Stadtrat tagt oft bis spätabends.
Kann es im Wahlkampf dann überhaupt noch um Sachthemen gehen? Eine Sorge, die in Starnberg umgeht. Die Bürgermeisterwahl solle nicht auf die Frage pro oder kontra John herauslaufen, sagte die örtliche FDP-Chefin dem Merkur. Wird es in Senden im kommenden Jahr nur um pro oder kontra Bögge gehen? Außer dem amtierenden Bürgermeister hat bisher noch niemand angekündigt, ins Rennen gehen zu wollen. Doch vier der sechs Fraktionen haben bereits angekündigt, in jedem Fall einen Kandidaten gegen Bögge aufzustellen. (mit cao)