„Schüler sollen Reifen wechseln können“
Interview Der Coach und Autor George Pennington bringt jungen Menschen Alltagskompetenz bei. Er sagt: Sie dürfen nicht so naiv auf die Welt losgelassen werden
Herr Pennington, Sie vermitteln Schülern in Vorträgen Selbstkompetenz und Lebens-Know-how. Wieso glauben Sie, dass das den Schülern fehlt?
George Pennington: Als ich mit 18 die Schule mit meinem Reifezeugnis verließ, hatte ich vieles gelernt, war aber sehr unreif. Ich wusste nicht, wie man ein Gespräch führt oder wie man mit Emotionen umgeht. Jetzt will ich dazu beitragen, dass künftige Generationen nicht mehr so naiv auf die Welt losgelassen werden wie ich.
Haben Schüler nach ihrem Abschluss also ein Zeugnis in der Tasche, sind aber im Alltag nicht überlebensfähig? Pennington: Ich würde zumindest sagen, dass die praktische Alltagspsychologie an unseren Schulen nach wie vor zu kurz kommt und hinterher im beruflichen Alltag fehlt. Ich würde dieses Thema gerne auf dem Lehrplan sehen. Persönliche und soziale Kompetenz als Schulfach wäre für das praktische Leben wichtiger als das bloße Pauken von Wissen.
Wie müsste so ein Schulfach „Lebenskompetenz“aufgebaut sein? Pennington: Die Schüler könnten lernen, Reifen zu wechseln, Brot zu backen, aber vor allem sich selbst zu reflektieren. Wer bin ich? Was mag ich, was kann ich gut? Womit möchte ich mich noch mehr beschäftigen? An unseren Schulen wird den Schwächen der Schüler mehr Aufmerksamkeit geschenkt als ihren Stärken. Wir wissen, dass es umgekehrt sein sollte.
Woran liegt das?
Pennington: Die Schule hat einen klaren Auftrag vom Staat, nämlich aus jungen Menschen Leistungsträger zu machen. Das machen Bayerns Schulen sehr gut. Aber es werden vor allem der Kopf und das Wissen gefördert. Dass die Schüler sich selbst zu reflektieren lernen, hat dort wenig Platz.
Was passiert denn schlimmstenfalls, wenn ein Kind sich nicht selbst kennenlernen kann?
Pennington: Wer sich selber nicht kennt, riskiert später in einem Job zu landen, der nicht der eigene ist, und in einem Leben ohne Sinn und Erfüllung. Das beobachte ich sehr häufig. Wie müsste der Unterricht aussehen, damit es nicht so weit kommt? Pennington: Kognitives Wissen ist in unserem staatlichen Schulsystem der Heilige Gral. Doch man müsste anerkennen, dass es andere, gleichwertige Formen von Intelligenz gibt, wie zum Beispiel emotionale Intelligenz, Sozialkompetenz, künstlerische Begabungen, sportliches oder handwerkliches Können.
In Bayern gibt es mit der Mittelschule eine Schulart, die praktisches Können sehr wohl fördert. Werken, textiles Gestalten, Informatik sind dort ausführlich im Lehrplan vertreten. Pennington: Das stimmt, aber für nicht kognitive Begabungen fehlt auch dort die Wertschätzung. Die Mittelschule wird als Restschule wahrgenommen. Eltern begegnen ihr oft mit Arroganz, schließen sie für ihr Kind aus.
Sie sprechen die Eltern an – ist es nicht auch deren Aufgabe, die Kinder lebenstauglich zu machen und ihnen die Alltagskompetenzen zu vermitteln? Pennington: Idealerweise ja, aber die Eltern haben es ja oft selbst nicht richtig gelernt – genauso wie die Lehrer übrigens. Sie haben sich ihr eigenes Lebens-Know-how vor allem nach der Methode „trial and error“– also durch Versuch und Irrtum – angeeignet. Aber man muss ja nicht jeden Fehler selber machen!
Sie möchten das Thema an die Schulen bringen. Was tun Sie dafür? Pennington: Ich halte immer wieder Vorträge zu diesen Themen an Augsburger Schulen und auch öffentliche Vorträge in der dortigen Stadtbücherei. Im Mai biete ich im Kloster Banz ein dreitägiges Seminar für Lehrer an: „Persönliche und soziale Kompetenzen: Systematik und Didaktik für den Unterricht“, gefördert von der Hanns-SeidelStiftung. Ich wünsche mir, dass es an der Akademie für Lehrerfortbildung in Dillingen bald solche Seminare als Regelangebot gibt. Ich sehe es ja an den Reaktionen der Schüler: Sie sind hungrig nach diesem LebensKnow-how. Interview: S. Ritschel
George Pennington
studierte Psychologie und betrieb 20 Jahre lang ein Seminarzentrum im oberbayerischen Polling.