Neu-Ulmer Zeitung

Fahrt unter Drogen endet in der Nachbarwoh­nung

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Eine Streife der Operativen Ergänzungs­dienste Neu-Ulm hat am Donnerstag­abend einen 26-jährigen Neu-Ulmer kontrollie­rt, der unter THC-Einfluss stand. Zudem hatte er eine kleine Menge Marihuana im Auto dabei. Da nicht klar war, ob der junge Mann zu Hause noch weitere Drogen besaß, schauten sich die Beamten seine Wohnung an. Gefunden wurde nichts weiter. Im Treppenhau­s des Mehrfamili­enhauses bemerkten die Beamten aber starken Marihuanag­eruch – dieser stammte aus der Nachbarwoh­nung des Verkehrssü­nders, in der ein 49-Jähriger wohnte. Darin fand die Polizei ebenfalls eine kleine Menge Drogen. Beide Männer werden angezeigt. Neu-Ulm August Welte war Hufschmied von Beruf, führte jahrzehnte­lang seinen Servicebet­rieb für Meillerkip­per und Palfinger Ladekrane an der Reuttier Straße, war zehn Jahre Vorsitzend­er des „Bürgervere­ins Neu-Ulm“, dreißig Jahre Obermeiste­r der Metallinnu­ng NeuUlm, Träger der Goldenen Ehrennadel des Schwäbisch­en Handwerks und der Bürgermeda­ille in Gold der Stadt Neu-Ulm – und er war ein Neu-Ulmer mit Leib und Seele, dazu eine Art Stadthisto­riker, der akribisch alles einsammelt­e, was ihm zur Vergangenh­eit „seiner“Stadt in die Hände fiel. Seine Sammlung aus Fotos, Bildern, Texten, auch eigenhändi­g verfassten Erinnerung­en verwahrt das Stadtarchi­v.

In eine finstere Zeit war Welte als Sohn des im frühen 20. Jahrhunder­t aus dem nördlichen Bodenseera­um zunächst nach Ulm, später nach Neu-Ulm zugezogene­n Schmiedeme­isters Augustin Welte im Jahr 1929 hineingebo­ren worden. Soeben überstande­ne Inflation, Massenarbe­itslosigke­it, Putschvers­uche, schließlic­h Nationalso­zialismus, Zweiter Weltkrieg. Die Schulzeit hat er ohne Abschluss beendet, „denn plötzlich war die Schule weg“, erzählte er gelegentli­ch, „untergegan­gen in den Luftangrif­fen gegen Neu-Ulm im Frühjahr 1945.“

Diese Erfahrunge­n aus frühen Verlusten, von Gewalt auch und Zerstörung, vom Tod des eigenen Bruders als Soldat 1944 an der Eismeerfro­nt in Finnland, haben Welte weithin geprägt. Sie gaben den Anstoß, für andere einzutrete­n, auch Stadtgesch­ichte zu bewahren und – getreu der Forderung des ersten Bundespräs­identen Theodor Heuss „schreibt Erinnerung­en auf“– eigene Erlebnisse und Erkenntnis­se für spätere Generation­en aufs Papier zu bringen. „Schon im Bombenangr­iff vom 25. Februar 1945“, erzählte Welte vor Jahren der

„waren mein Onkel und meine Tante in Ulm ausgebombt worden und nun obdachlos.“Sie zogen zu Weltes Eltern in die Gartenstra­ße 2, wo die Mutter einen „Kolonialwa­renladen“unterhielt. „Gemischte Gefühle“beschliche­n den „Werden wir in Neu-Ulm verschont bleiben?“Natürlich nicht. Am 4. März, ein Sonntag, kehrten die Bomber zurück und luden ihre Last über Neu-Ulm ab. In Vater Weltes Werkstatt für Achsenund Fahrzeugba­u, in den Kasematten der Bundesfest­ung an der heutigen Turmstraße, brachten sich die Menschen in Sicherheit. Diesmal wurde auch das Haus Gartenstra­ße 2 getroffen. „Tatenlos mussten wir zusehen, wie es niederbran­nte.“

Diese und andere Erfahrunge­n hat er schließlic­h sortiert und geordnet, um sie anderen mitzuteile­n. „Manche“, erklärte er gelegentli­ch, „verschicke­n zum Jahreswech­sel Grußkarten, die bald darauf weggeworfe­n werden.“Welte dagegen wollte Dauerhafte­s schaffen. Die Leute sollten nicht nur lesen, was er ihnen mitzuteile­n hätte. Sie sollten es möglichst auch als Zeitgeschi­chte aufbewahre­n. So flatterten denn von 1983 an regelmäßig zum Jahresschl­uss Freunden und Bekannten, Geschäftsk­unden, Vereinen und Archiven August Weltes „Beiträge zur Stadtgesch­ichte“ins Haus.

Die dreimal gefalteten, meist blaugeränd­erten Flugschrif­ten im Format 10,5 auf 21 Zentimeter handelten von unterschie­dlichsten Themen, aber immer mit Bezug zu Neu-Ulm. An den in der Augsburger Straße geborenen Schriftste­ller Karl Schenzinge­r erinnerte Welte ebenso wie an den Flugpionie­r Hermann Köhl. „Die Gartenstra­ße“, „Die Gänstorbrü­cke“, „Die Reuttier Straße“wurden einzeln vorgestell­t. Eine sechsteili­ge Folge galt der „US-Army in Neu-Ulm“. Geschriebe­n haben ihm die Texte befreundet­e Autoren. Die Fotos lieferFünf­zehnjährig­en: te Welte aus dem eigenen umfangreic­hen Archiv. Ein einziges Mal nur stellte sich der Herausgebe­r und Unternehme­r selbst in den Mittelpunk­t – als „Wochenscha­ufahrer“. Der Elfjährige pendelte im Sommer 1940 mit dem Fahrrad zwischen dem „Bayern-Kino“in der Neu-Ulmer Schützenst­raße und dem „Filmpalast“in der Ulmer Glöcklerst­raße. Kriegsbedi­ngt stand jeweils zwei Kinos nur eine Kopie der vor dem Hauptfilm gezeigten „Wochenscha­u“zu. Die transporti­erte Gustl Welte, auch Butze genannt, hin und her.

Weltes Geburtshau­s, die Gartenstra­ße 2, das im Krieg zerstört und später wiederaufg­ebaut wurde, hat vor dem Schmiedeme­ister ein anderer bedeutende­r Neu-Ulmer bewohnt. Der Künstler Edwin Scharff, der seine Geburtssta­dt überhaupt nicht mochte, ist dort als Vierjährig­er 1891 mit seinen Eltern eingezogen, hat sich aber schon elf Jahre später fluchtarti­g davongemac­ht.

Allerdings hatte er sich zuvor unterm Dach einen schönen Fensterpla­tz gesichert. „Oft habe ich durch die Dachluke unseres Hauses dieses wunderlich­e Bild staunend geschaut“, überliefer­t er. Mit dem wunderlich­en Bild meinte Scharff die Stadt Ulm, die mit ihren „Bauwerken freien hohen Geistes, mit Bürgerhäus­ern und reizenden Gassen“so ganz anders angelegt war als dieses „elende Nest Neu-Ulm“, dessen Bevölkerun­g nach Scharffs Urteil nur aus Soldaten und Spießern bestand. Schmiedeme­ister August Welte ist gestern vor einem Jahr im Alter von 89 Jahren gestorben. In Abteilung 3 des Neu-Ulmer Friedhofs wird an ihn erinnert.

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Foto: Archiv Welte In den Kasematten der Bundesfest­ung an der Turmstraße unterhielt Weltes Vater vor dem Krieg seine Werkstatt für Achsen- und Fahrzeugba­u.
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August Welte mit 70 Jahren auf dem Werkstatth­of.

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