Handgemachter Soul-Blues auf Spitzenniveau
Auftakt der Bluestage im Charivari mit Johnny Rawls
Ulm Beim Abschluss des Ulmer Bluesherbstes 2017 sang und spielte der Soul- und Bluessänger Johnny Rawls seine Fans in den siebten Himmel. Am Donnerstag begeisterte er im wiederum ausverkauften Charivari seine Fans beim Eröffnungskonzert der 43. Bluestage. Rawls hat seine jugendliche Spannkraft nicht verloren, der 67-Jährige singt und tanzt mit eleganten Hüftschwüngen wie ein Junger.
Die Weltkarriere war dem Allroundtalent dem Anschein nach in die Wiege gelegt. Kaum dem Babyalter entwachsen, schnappte sich der kleine Johnny die Bluesgitarre des Großvaters, die erdige Musik ließ ihn nicht mehr los. Später spielte er mit Joe Tex und Z. Z. Hill. In den 70er Jahren entdeckte der BluesGott B. B. King seine unnachahmlich geschmeidige Stimme und förderte das Nachwuchstalent nach Kräften. Doch erst 1996 veröffentlichte Rawls sein erstes Soloalbum. Mehr als ein Dutzend weitere sollten folgen, etliche davon für den Blues Award nominiert, den er 2017 und 2018 für das beste Album des Jahres gewann.
Wie vor zwei Jahren wurde Rawls im Charivari von den The Özdemirs begleitet – vom Bassisten und europäischen Blues-Urgestein Erkan Özdemir und seinen Söhnen Kenan (Gitarre) und Levent (Schlagzeug) sowie dem Organisten Alberto Marsico. Die Formation lieferte handgemachten Soul-Blues auf höchstem Niveau. Der Abend ging gleich in die Vollen. Beim Titel „Red Cadillac“hieß es fürs Publikum: „Alle singen mit“. Einen Klassiker von Muddy Waters gab es als Beruhigungspille, mit einem AdrenalinStoß ging es in die Pause: „Higher and Higher“. Danach durften sich die Özdemir-Söhne und Marsico als Solisten auszeichnen. Abwechslungsreicher hätte der soulige Bluesabend nicht sein können. Mit „Got to Be Carefull“wollte sich Rawls nach zwei Stunden verabschieden. Aber da hatte er die Rechnung ohne die Charivari-Besucher gemacht, die vehement Zugaben forderten – und auch bekamen.
Programm Am Donnerstag, 21. März geht es im Charivari weiter mit Dany Franchi. Das aktuelle Album der Nachwuchshoffnung aus Italien erreichte
Platz vier in den Billboard Blues Charts. Neu-Ulm Zugegeben, ganz jugendlich-frisch wirkten viele der Besucher nicht mehr. Auch wenn enge Jeans und Totenkopf-Shirt dies mitunter zu vertuschen versuchten. Was aber auch nicht weiter verwundern darf, schließlich begab sich das Publikum vergangenen Donnerstag bei der Jubiläumstournee von „Rock meets Classic“in der Ratiopharm Arena auf eine Zeitreise: Zurück in die wilden, in die aufregenden, die extasischen 70er und 80er Jahre. Wie der Rock n’ Roll nicht totzukriegen, ist die Veranstaltung auch selbst: Begonnen 1993 in Würzburg, mehrmals aus den unterschiedlichsten Gründen gestoppt, bewegt sich die Show nun seit neun Jahren durch Europa und begeistert ihre Fans.
Auch hier sind es die ganz Großen, die Legenden des Rock, die ihre Aufwartung machen: Mike Reno, Kevin Cronin und natürlich Ian Gillan. An das eigene Geburtsdatum erinnern dann unwillkürlich auch die beiden diesjährigen 50. Bandjubiläen von The Sweet und Thin Lizzy. Sei es drum: Die Feuerzeuge, die früher im Takt den Saal illuminierten, wurden mittlerweile bekanntermaßen durch die Taschenlampen der Smartphones abgelöst. Manch einer holte verstohlen seines hervor und wog zum Takt von „Can’t Fight This Feeling“von REO-Speedwagon. Allzu viele waren es nicht. Fühlte man sich etwa zu erwachsen hierfür?
Grandios allein das Orchester: Die zahlreichen klassisch ausgebildeten Musiker des eigenen RMC Symphony Orchestras, optisch dezent im schummrig farbigen Hinter- gehalten. Dafür stets hörbar, von sanft untermalend bis zu bombastisch dominierend. Dazu, den rockigen Part übernehmend, die Mat-Sinner-Band, von Anfang an dabei. Als Special Guest gastierte die Allround-Sängerin Anna-Maria Kaufmann, stimmgewaltig und aus- Das Duett aus „Phantom der Oper“, zusammen mit Pete Lincoln bewirkte Gänsehaut, die durch das Mark geht. Spätestens bei „Blockbuster“von The Sweet gab es kein Halten mehr. Die Mittfünfziger standen von ihren Sitzen auf, streckten ihre Finger und schwangrund gen im Takt, auch wenn das inzwischen meist schüttere Haupthaar hier nicht mehr recht mitmachen wollte.
Apropos Frisur: Andy Scotts Mähne sieht aus wie eh und je, zwischenzeitlich schlohweiß, aber füllig. Allerdings sollte er sich vieldrucksstark.