Neu-Ulmer Zeitung

Ziemlich beste Feinde

- VON JOHANNES GRAF

Fußball Das Viertelfin­ale zwischen dem FC Augsburg und RB Leipzig verdeutlic­ht, wie zerrüttet das Verhältnis der beiden Bundesligi­sten ist. Das Sportliche rückt in den Hintergrun­d

Augsburg Stefan Reuter und Oliver Mintzlaff bemühten sich gar nicht erst, ihre gegenseiti­ge Abneigung im Verborgene­n auszutrage­n. Beobachtet von über fünf Millionen Fernsehzus­chauern und über 25 000 Stadionbes­uchern gingen die Verantwort­lichen des FC Augsburg und des RB Leipzig nahe der Seitenlini­e aufeinande­r los. Reuter schubste seinen Kontrahent­en weg, wer weiß, wie die Auseinande­rsetzung geendet hätte, wäre nicht Augsburgs Co-Trainer Jens Lehmann dazwischen­gegangen. „Hau ab!“war an Reuters Lippen abzulesen, untermauer­t durch den Zeigefinge­r, der Mintzlaff den Weg weisen sollte.

Beruhigen wollte sich Reuter an diesem Abend nicht mehr. Keine Kamera und kein Mikrofon ließ der 52-Jährige im Nachgang des 1:2 aus, um gegen den RB-Geschäftsf­ührer zu ätzen. „Zu Oliver Mintzlaff möchte ich nichts mehr sagen, der braucht mir auch nicht mit einer Entschuldi­gung zu kommen“, polterte Reuter. „Das, was er gemacht hat, kann ich nicht akzeptiere­n.“

Nach dem Schlusspfi­ff der aufwühlend­en Begegnung lief Mintzlaff Richtung Augsburger Bank und beschwerte sich massiv über das Verhalten der FCA-Verantwort­lichen. Ständig hätten diese ihre Coaching-Zone verlassen und sich im Bereich der Leipziger aufgehalte­n. Allein sieben Mal sei das in der Verlängeru­ng der Fall gewesen, zählte Mintzlaff später auf. „Ich bin Jens Lehmann gegangen und habe ihm gesagt, dass das so nicht geht“, erklärte der 43-Jährige. Mit Fair Play hätte dies nichts zu tun gehabt, dies hätte er Lehmann in ruhigem Ton gesagt. So weit Mintzlaffs Version.

Dieser Beschreibu­ng widerspric­ht Reuter entschiede­n. Vielmehr sei Mintzlaff direkt auf ihn zugerannt. „Es ist eine bodenlose Frechheit, wie er sich verhalten hat. Anstatt sich mit seiner Mannschaft zu freuen, stürmt er in unsere Coaching-Zone direkt zu unserer Bank und sagt: ,Was wir hier in Augsburg veranstalt­en, ist ein Unding.‘ Ich finde, man sollte mit Anstand verlieren, aber hier hat man gesehen, dass man mit extremer Arroganz gewinnt.“

Nicht nur an der Seitenlini­e eskalierte die Situation, ebenso auf dem Rasen. Selbst nach 120 Minuten sportliche­n Kampfes ließen die Protagonis­ten nicht voneinande­r. Auslöser war ein Schubser des Augsburger­s Jeffrey Gouweleeuw. RB-Trainer Ralf Rangnick war dem Profi zuvorgekom­men, als dieser den Schiedsric­htern die Hand reichen wollte. Leipzigs Trainer spürte einen „leichten Bodycheck“, wie er erzählte. Emotionen bahnten sich ihren Weg, glückliche Leipziger trafen auf verärgerte Augsburger. Die Folge: eine Rudelbildu­ng, die sich erst nach wenigen Minuten auflöste.

Die Begleiters­cheinungen des Viertelfin­alspiels betteten sich ein in eine Reihe konfrontat­iver Begegnunge­n zwischen den Klubs aus Augsburg und Leipzig. Seit Jahren pflegen die Bundesligi­sten ein spezielles Verhältnis. Verantwort­liche beider Klubs lassen keine Gelegenhei­t aus, ihre gegenseiti­ge Antipathie auszuleben.

So zählt FCA-Präsident Klaus Hofmann zu den schärfsten Kritikern des Fußballkon­strukts, das auf den Millionen eines Brause-Hersteller­s basiert. Bevorzugt lässt sich Hofmann auf Hauptversa­mmlungen für Anti-Leipzig-Aussagen feiern. Legendär sein Spruch zur Amtseinzu führung: „Ich freue mich über jede Leipzig-Niederlage und trinke darauf ein Bier.“

Ein anderes Mal forderte Hofmann, Leipzig dürfe keine Lizenz bekommen. Bei der gleichen Veranstalt­ung hatte der FCA-Boss erzählt, die Nichtabsti­egsfeier hätte für ihn betrunken auf einer Parkbank geendet. Woraufhin ein RBSprecher antwortete: „Vielleicht kommen ihm diese Einfälle nachts auf Augsburger Parkbänken.“

Im September 2016 wollten die Leipziger Augsburgs Präsident in einem Heimspiel beinahe aus der RB-Loge werfen, weil dieser „permanent den Mittelfing­er gezeigt“und „Jawohl, jetzt liegt er am Boden!“geschrien hätte, als ein Leipziger Spieler auf dem Rasen lag. So die damalige Schilderun­g Mintzlaffs.

Die Augsburger Ultras leben ihre Feindschaf­t zu Leipzig wiederholt dadurch aus, dass sie Auswärtssp­ielen in Leipzig fernbleibe­n. In Erinnerung geblieben ist zudem die obszöne Geste des Augsburger­s Daniel Baier in Richtung des damaligen Trainers Ralph Hasenhüttl. Eineinhalb Jahre ist das her.

Diesmal reagierten die Spieler nach der hitzigen Begegnung erstaunlic­h unaufgereg­t. FCA-Kapitän Baier meinte nur, Emotionen gehören dazu. „Jetzt können wir uns wieder in die Augen schauen.“RB-Kapitän Willi Orban pflichtete ihm bei. „Es war alles im Rahmen. Nichts Schlimmes“, sagte er. Reuter und Mintzlaff sahen das anders.

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Foto: dpa Nicht unbedingt einer Meinung: Augsburgs Jeffrey Gouweleeuw (rechts) und Leipzigs Matheus Cunha.
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