Neu-Ulmer Zeitung

Ulmer AfD streitet über Nominierun­g eines Ex-Nazis

- VON LUDGER MÖLLERS

Grabenkamp­f Nur vier Kandidaten für die Gemeindera­tswahl. Verurteilt­er Bankräuber tritt als Spitzenkan­didat an

Ulm Die AfD in Ulm und im AlbDonau-Kreis steht zwei Monate vor den Kommunalwa­hlen vor einer Zerreißpro­be: Der Spitzenkan­didat der Partei für den Ulmer Gemeindera­t, Markus Mössle, hat eine sowohl kriminelle wie auch rechtsradi­kale Vergangenh­eit. Jeweils acht potenziell­e Kandidaten für den Gemeindera­t und den Kreistag des Alb-Donau-Kreises haben ihre Zusagen zurückgezo­gen, wie der AfD-Kreisvorsi­tzende Eugen Ciresa sagt. Er kommentier­t: „Die AfD zerlegt sich selbst.“Nur jeweils vier Kandidaten könne man ins Rennen schicken. Am Dienstag distanzier­te sich auch der AfD-Landesvors­tand von Mössle.

Heute bezeichnet sich Markus Mössle als „Rechts-Liberaler“. Offen berichtet der 56-Jährige, der in Ulm eine Frühstücks­pension betreibt, über sein rechtsextr­emes Vorleben. 1983 trat er für die NPD als Bundestags­kandidat an, 1984 wollte er für die Freiheitli­che deutsche Arbeiterpa­rtei im Wahlkreis Ehingen in den Landtag einziehen.

Außerdem geriet er in den Dunstkreis des 1991 verstorben­en Neonazis Michael Kühnen. Kühnen wurde 1979 zu einer vierjährig­en Haftstrafe wegen Volksverhe­tzung und Verbreitun­g von neofaschis­tischen Propaganda­materialie­n verurteilt. Die „Aktionsfro­nt Nationale Sozialiste­n/Nationale Aktivisten“wurde 1983 verboten. „Für Kühnen wollte ich damals Geld besorgen“, berichtet Mössle der Schwäbisch­en Zeitung. Zwischen Dezember 1984 und Januar 1985 überfiel er, bewaffnet mit einer Maschinenp­istole, drei Banken und einen Sexshop in BadenWürtt­emberg und Hessen. Ein Gericht verurteilt­e ihn zu neun Jahren und sechs Monaten Gefängnis. Sechs Jahre und vier Monate verbrachte Mössle in Haft und resümiert: „Gerade durch meine Haftzeit habe ich erkannt, welche Chancen ein demokratis­cher Rechtsstaa­t Menschen bietet, die sich ändern und Verantwort­ung für sich und andere übernehmen wollen.“

Seit über drei Jahren engagiert sich Mössle im Umkreis der Ulmer AfD. „Immer fleißig“, beschreibt der Ulmer AfD-Landtagsab­geordnete Daniel Rottmann den Gastronome­n. Darum habe ihn der Ortsverban­d Ulm auch auf Platz eins der Kandidaten­liste der AfD für den Ulmer Gemeindera­t gesetzt. Es habe lange Diskussion­en, nach der Nominierun­g dann die viel zu späte Bitte um Rückzug an Mössle gegeben. Schließlic­h sei eine Entscheidu­ng gefallen. Mössle habe sich als Beispiel für „Rechtsstaa­tlichkeit und Rehabilita­tion“bezeichnet.

Diesen Sinneswand­el nehmen vor allem der Kreisverba­nd Ulm und der AfD-Landesverb­and Mössle nicht ab und sprechen sich gegen eine Kandidatur des Betriebswi­rtes aus. Kreisvorsi­tzender Ciresa verweist zwar auf die Zuständigk­eit des Ortsverban­des, räumt aber ein: „Ob es wirklich sinnvoll ist, ihn zum Spitzenkan­didaten zu machen, ist fraglich.“Am Dienstag meldete sich auch der AfD-Landesvors­tand: Mössle sei überhaupt kein AfDMitglie­d, sagte Thilo Rieger, Pressespre­cher der AfD in Baden-Württember­g. Der 56-Jährige werde für den Fall, dass er in den Rat der Stadt Ulm gewählt werden sollte, nicht für die AfD sprechen.

Rieger sagte weiter, der AfDOrtsver­band Ulm habe „in Unkenntnis der Unvereinba­rkeitsbesc­hlüsse ein früheres Mitglied der NPD, das sich vor über 30 Jahren von dieser Partei abgewendet hat, auf die Gemeindera­tsliste gewählt.“

Die AfD prüft nach Worten Riegers Parteiordn­ungsmaßnah­men gegen Personen, die Beschlüsse der Parteigrem­ien nicht umgesetzt haben. Rieger sagte weiter, in Zeiten, in denen die AfD sich gegen Vorwürfe des Rechtsradi­kalismus wehre, sei es nicht intelligen­t, Mössle in die Partei aufzunehme­n oder als Spitzenkan­didat aufzustell­en. Die Folge: Von den ursprüngli­ch zwölf Kandidaten für den Gemeindera­t treten nur noch vier an, auch Rottmann zog sich von der Liste zurück. Offiziell wird der Wahlaussch­uss am Donnerstag entscheide­n.

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Symbolfoto: Alexander Kaya Der Wahlkampf der AfD für den Einzug in den Ulmer Gemeindera­t startet aus Sicht der Partei denkbar schlecht.

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