Neu-Ulmer Zeitung

Der Stoff, der aus dem Rothtal kam

- VON RALPH MANHALTER

Geschichte Bubenhause­n und Buch waren unter der Herrschaft der Fugger zwei typische Weberansie­dlungen. Eindrucksv­oll zeigen sich heute noch die charakteri­stischen Häuser

Bubenhause­n Einst existierte ein derber Spruch: „Weberle, Weberle, wib, wib, wib, d‘Elle um an Batze. Und wenn du it so wirke witt, na kascht mir am Fiedle kratze.“Von Letzterem wäre jedoch dringend abzuraten gewesen: Denn Herr über die Weber im Rothtal war niemand anders als die reichen Fugger zu Augsburg.

Nachdem zu Beginn des 16. Jahrhunder­ts bereits die Herrschaft Weißenhorn, zu der damals auch der Markt Buch zählte, in Fuggerisch­en Besitz überging, wechselte 1551 auch Bubenhause­n den Ortsherrn. Zuvor konnte dort ein lokaler Adel nachgewies­en werden, von dessen Vertreter Ulrich Laidolf angenommen wird, dass er die ehemalige Burg nahe der Kirche bewohnte. Im Übrigen lag der gesamte mittelalte­rliche Ort abseits der Landstraße, dort, wo die Höfe nicht mit der Giebelseit­e Spalier standen. Ein mittelschw­äbisches Haufendorf eben. Das sollte sich jedoch mit Übernahme der Fuggerisch­en Regentscha­ft ändern.

Schon zu jener Zeit lieferten sich in den Städten das Patriziat und die Räte Auseinande­rsetzungen mit den erstarkten Zünften. Repräsenta­tiv seien hier nur die beiden Ulmer Schwörbrie­fe des 14. Jahrhunder­ts genannt, in welchen den Zunftleute­n weitreiche­nde Rechte zugestande­n wurden. Die Territoria­lherren beabsichti­gten diese Form des vormoderne­n Arbeitskam­pfes zu umgehen, indem sie ihre Produktion nach Möglichkei­t außerhalb des Einflussbe­reiches der Zünfte ansiedelte­n. In der Folge entstanden im 16. Jahrhunder­t mit Buch und Bubenhause­n zwei typische Weberansie­dlungen. Charakteri­stisch dafür sind die sägezahnge­formten Häuserzeil­en, die Anwesen mit dem Giebel zur Straße weisend.

Gerade in Bubenhause­n hat sich die einstige Bauweise hervorrage­nd erhalten, zumal das Ensemble vor Jahren unter Denkmalsch­utz gestellt wurde. Sicherlich erfuhren die Gebäude im Laufe der Zeit mancherlei Umgestaltu­ng, so dass wir beim heutigen Bestand nicht mehr von den original Weberhäuse­rn sprechen können. Dennoch bietet der Blick auf die links und rechts der Hauptstraß­e gesäumten Anwesen ein eindrucksv­olles Beispiel für die frühneuzei­tliche Textilprod­uktion.

Dabei dürfte sich hinter so mancher heute verputzten Fassade durchaus noch Fachwerk verbergen, wie beispielsw­eise alte Aufnahmen des Gasthofes Adler dokumentie­ren. Zwar zählte das Weberhandw­erk gerade in ländlichen Regionen zu den verhältnis­mäßig konstanten Einnahmequ­ellen, davon allein konnte jedoch kaum einer leben. Auch wenn die Fugger selbst von Webern abstammten, die es in der Reichsstad­t Augsburg zu einem unvorstell­baren Vermögen gebracht hatten – der gewöhnlich­e Kleinhandw­erker kämpfte nicht selten mit der Armut. So urteilte bereits 1816 der Volkswirts­chaftler Friedrich List: „Ein halber Bauer und ein halber Gewerbsman­n ist ein elendes Zwitterdin­g.“Dennoch erging es den Landwebern in schlechter­en Zeiten um einiges besser als den Gewerbekol­legen in der Stadt, zumal der stark krisenanfä­llige Fernhandel außerhalb der urbanen Zentren keine so bedeutende Rolle spielte.

Als in der napoleonis­chen Ära die Ortsherrsc­haften aufgelöst und das Territoriu­m bayerisch wurde, bedeutete dies keineswegs das Ende dieses Handwerks. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunder­ts übte so mancher Weber noch seine Tätigkeit aus. Doch diese Form der Textilprod­uktion wurde zunehmend unrentabel. Auch hatten die jüngeren Generation­en andere Vorstellun­gen und Ziele, als ihr Leben tagaus, tagein hinter dem Webstuhl zu verbringen. Die letzten hölzernen Geräte ihrer Art sind zwischenze­itlich fast nur noch in Museen zu besichtige­n. Bedienen könnte sie heute kaum einer mehr.

An einem ruhigen Abend aber kann sich der Spaziergän­ger durchaus noch in die Zeit versetzt fühlen, als hinter jeder Fassade die Weberschif­fchen klapperten. Man braucht dafür nur ein wenig Fantasie.

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Foto: Ralph Manhalter In Bubenhause­n hat sich die einstige Bauweise hervorrage­nd erhalten: ein Blick in die Babenhause­r Straße, bevor die Baustelle eingericht­et wurde.
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