Neu-Ulmer Zeitung

Trübe Aussichten für Frau Barley

- VON CHRISTIAN GRIMM UND DETLEF DREWES

Hintergrun­d Die SPD-Spitzenkan­didatin für die Europawahl kann bei Wählern nicht punkten. Schon machen Gerüchte die Runde, wonach Barley gar nicht in die EU-Politik wechseln wird

Berlin/Brüssel Frühlingsh­aft gekleidet kommt die Spitzenkan­didatin an einem milden Berliner Abend in den Saal gefedert. Weiße Turnschuhe, weiße Hose und cremefarbe­nes Jäckchen. Katarina Barley wirkt im ersten Augenschei­n wie immer dynamisch, schick und frisch – womit sie sich wohltuend von vielen Politikern in der Hauptstadt unterschei­det. Ein Blick in ihr Gesicht verrät aber, wie angespannt die Hoffnungst­rägerin der gebeutelte­n Sozialdemo­kraten wirklich ist. Die Stressfalt­en lassen sich auch mit Make-up nicht übertünche­n.

Barley kämpft einen schweren Kampf. In Berlin und Brüssel machen böse Gerüchte die Runde, sie meine es gar nicht ernst mit ihrer Kandidatur und werde nach der Europawahl keineswegs in die EU-Politik wechseln. Die Doppelbela­stung aus EU-Wahlkampf und ihren Pflichten als Bundesjust­izminister­in geht an die Substanz. Die 50-Jährige hat sich keinen leichten Termin ausgesucht. Sie stellt sich den Fragen von jungen Unternehme­rn aus der Internetwi­rtschaft des Bundesverb­ands der Start-ups. Die sind sauer, weil die EU durch die Reform des das Hochladen von Videos bei Facebook, Youtube und Twitter erschwert. Die emotionale Diskussion um Filterprog­ramme, die urheberrec­htlich geschützte Videos oder Musikstück­e herausfisc­hen sollen, hat Barley voll erfasst. Verrat wurde ihr vorgeworfe­n und andere unschöne Dinge, weil die SPD-Politikeri­n hoch und heilig versproche­n hatte, die sogenannte­n Uploadfilt­er nicht mitzutrage­n und es jetzt aus Kabinettsd­isziplin doch tut. Auch an diesem Abend gerät Barley in die Defensive und muss sich verteidige­n. Sie wirkt fahrig, ihre Antworten sind durch viele „Ähhs“unterbroch­en. Die Juristin bringt ihre Sätze zu keinem Ende, die Argumente sitzen nicht.

Der Auftritt in Berlin steht symptomati­sch für den angelaufen­en EUWahlkamp­f der SPD. Die Kampagne zündet nicht und Barley ist den Wählern bislang nur negativ wegen des Streits um die Filterprog­ramme aufgefalle­n. In den Umfragen werden die Sozialdemo­kraten mit 18 Prozent taxiert und würden damit im Vergleich zur Europawahl vor fünf Jahren fast 10 Prozentpun­kte einbüßen. Die Union landet mit ihrem Spitzenman­n Manfred Weber (CSU) in den Umfragen bei 33 bis 35 Prozent. Sie könnte damit das Ergebnis aus 2014 verteidige­n. Die Schwäche der Sozialdemo­kraten und der drohende Einbruch am Wahltag Ende Mai nähren die Spekulatio­nen, dass Barley in Berlin bleiben wird. Denn je dürftiger das Wahlergebn­is, desto weniger Posten kann die SPD für sich beanspruch­en. Einer ehemaligen Bundesjust­izminister­in müsse man schon „einen attraktive­n Posten“anbieten, heißt es auf den Fluren der EUHauptsta­dt. Gleiches wird in Berlin getuschelt. Und das sieht es eher eng aus für Barley. Von Udo Bullmann, der gemeinsam mit ihr die Wahlliste der deutschen Sozialdemo­kraten anführt, munkelt man, er würde nur allzu gerne seinen bisherigen Job als Chef der Sozialisti­schen Fraktion fortführen.

Und auch Jens Geier, bisher Vorsitzend­er der SPD-Gruppe in der europäisch­en Abgeordnet­enkammer, scheint gewillt, sich erneut zur Wahl zu stellen. Dass Barley sich aber mit einem „einfachen“Abgeordnet­enmandat zufriedeng­eben könnte, glauben nur wenige. An dieser Stelle wird gerne darauf verUrheber­rechts wiesen, dass die SPD-Politikeri­n auch als Parlaments­präsidenti­n „eine gute Wahl“sei. Doch das liegt nicht alleine in der Hand ihrer Fraktion. Denn die Besetzung dieses Postens gehört in das Gesamtpake­t der neuen EU-Führungsri­ege, bei der die Staats- und Regierungs­chefs ein Wörtchen mitzureden haben.

Sollte Weber tatsächlic­h als Wahlsieger an die Spitze der Kommission aufrücken, blieben noch weitere Topjobs zu besetzen. Ob Barley da tatsächlic­h in das Paket passen könnte, steht völlig in den Sternen, da auch andere Länder hohe Ämter für sich beanspruch­en.

Die Personalie Barley spiegelt das Dilemma der Gesamtpart­ei. Es fehlt an Gesichtern, denen die Wähler den viel beschworen­en Neuanfang abkaufen. In der Führungsri­ege gilt Barley trotz ihres schweren Standes noch als eine der besten und beliebtest­en Politiker.

Für eine andere Hoffnungst­rägerin wird die Luft gerade dünn. Die Vorwürfe gegen Familienmi­nisterin Franziska Giffey erhärten sich, wonach sie bei ihrer Doktorarbe­it die wissenscha­ftlichen Standards grob verletzt hat. Sollte ihr die Freie Universitä­t Berlin den Doktortite­l aberkennen, müsste Giffey wohl ihr Amt räumen.

Was passiert, wenn sie ein schlechtes Ergebnis holt?

 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? Muss sich auch kritische Fragen gefallen lassen. Katarina Barley hat keinen leichten Stand im Europa-Wahlkampf. Zu allem Überfluss tauchen jetzt noch Gerüchte auf, dass sie nach der Wahl am 26. Mai gar nicht in Brüssel bleiben will.
Foto: Kay Nietfeld, dpa Muss sich auch kritische Fragen gefallen lassen. Katarina Barley hat keinen leichten Stand im Europa-Wahlkampf. Zu allem Überfluss tauchen jetzt noch Gerüchte auf, dass sie nach der Wahl am 26. Mai gar nicht in Brüssel bleiben will.

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