Neu-Ulmer Zeitung

Der Gigant aus der Wüste

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Saudi Arabien Kronprinz Mohammed bin Salman pokert mit dem wertvollst­en Konzern der Welt: Aramco soll an die Börse. Doch das ist gar nicht so einfach

sand Saudi-Arabiens liegen 20 Prozent der weltweiten Reserven. Und nirgendwo lassen sie sich leichter und preiswerte­r ausbeuten als hier. Von Anfang an war Saudi Aramco eine Erfolgsges­chichte. 1933 als Konsortium amerikanis­cher Ölfirmen gegründet, wurde der Konzern in den 70er Jahren verstaatli­cht. Seitdem hütete das Königshaus das Ausmaß des jährlichen Dollarsege­ns wie ein Staatsgehe­imnis.

Nun also der aufsehener­regende Sinneswand­el von der Geheimnisk­rämerei zur Transparen­z. Der Grund: Saudi Aramco will eine Anleihe herausgebe­n, um sich von internatio­nalen Investoren 10 bis 15 Milliarden Dollar für den Erwerb des staatliche­n Chemiekonz­erns Sabic zu borgen. Die aber kaufen keine Katze im Sack. Sie wollen wissen, ob der neue Schuldner vertrauens­würdig ist. Und so blieb den Ölmanagern nichts anderes übrig, als erstmals ihre Bilanzen preiszugeb­en. Die beiden renommiert­en Ratingagen­turen Moody’s und Fitch zeigten sich zufrieden und stellten sehr gute Noten aus – Moody’s ein A1 und Fitch ein A+. Für künftige Gläubiger heißt das, sie können ziemlich sicher sein, dass der Öltitan seine Schulden zurückzahl­en kann.

Das geliehene Geld will Saudi Aramco einsetzen, um den eigenen Wert durch Zukäufe zu steigern, auf den ersten Blick eine merkwürdig­e Strategie für das profitabel­ste Unternehme­n der Welt. Doch Kronprinz Mohammed bin Salman plant ein delikates Manöver. Er will fünf Prozent des Ausnahmeko­nzerns an die Börse bringen und damit 100 Milliarden Dollar einstreich­en, um seine ehrgeizige­n Modernisie­rungspläne zu finanziere­n.

„Vision 2030“heißt das Reformvorh­aben, mit dem der Thronfolge­r seine Nation aus ihrer verkrustet­en Lethargie heraustrei­ben, seine Landsleute ans Arbeiten kriegen und den aufgebläht­en Staatsappa­rat auf Trab bringen will. Denn nur so lassen sich die Ziele seiner gesellscha­ftlichen Agenda verwirklic­hen – die brisante Arbeitslos­igkeit unter dem saudischen Nachwuchs entschärfe­n und die extreme Abhängigke­it vom Öl reduzieren. Die Staatskass­e lebt zu 90 Prozent vom Ölexport. Obendrein muss Saudi Aramco 8000 Prinzen versorgen, die opulente monatliche Apanagen beziehen.

Die erhofften 100 Milliarden Dollar aus einem Fünf-Prozent-Verkauf jedoch lassen sich nur realisiere­n, wenn der Gesamtwert auf zwei Billionen Dollar taxiert wird. Doch Investoren zweifeln, ob der Ölriese tatsächlic­h so viel wert ist. Sie kalkuliere­n eher mit 1,2 bis 1,5 Billionen Dollar. Und so blies das Königshaus den Börsengang im letzten Herbst zunächst einmal ab. Im Jahr 2021 will man einen neuen Anlauf wagen und bis dahin den Aramco-Unternehme­nswert durch Zukäufe aufpoliere­n. Erster Schritt ist die 70-Prozent-Übernahme des Chemieprod­uzenten Sabic, ein 69-Milliarden-Dollar Geschäft, was zum Teil durch Kredite finanziert werden soll. Andere Firmenkäuf­e, so im Flüssiggas-Sektor, sollen folgen.

Ob diese Strategie am Ende aufgeht, steht in den Sternen. Denn zum einen hat das internatio­nale Ansehen des saudischen Chefreform­ers in letzter Zeit beträchtli­ch gelitten. Der vierjährig­e Krieg im Jemen, den Mohammed bin Salman im März 2015 vom Zaun brach, ist für die Vereinten Nationen „die größte menschlich­e Katastroph­e der Gegenwart“. Und seit dem skrupellos­en Mord an dem Journalist­en Dschamal Kaschoggi sind auch in der internatio­nalen Geschäftsw­elt die Sympathien für den Kronprinze­n spürbar erkaltet. Die ausländisc­hen Investitio­nen sind eingebroch­en.

Aber auch der Klimawande­l bringt die Ölindustri­e zunehmend in Misskredit. Es gebe eine „Krise der Wahrnehmun­g“, auch in der Finanzwelt, beklagte jüngst AramcoChef Amin Nasser. Bei Politikern, Regierungs­behörden und Investment-Häusern wachse die beunruhige­nde Überzeugun­g, „dass wir eine Industrie mit geringer oder gar keiner Zukunft mehr sind“, erklärte er. Solche Ansichten basierten nicht auf Fakten und Logik, sondern seien Reaktionen auf öffentlich­en Druck und Medienrumm­el. „Trotzdem werden diese Ansichten ernsthaft vertreten, und auch unsere langjährig­en Partner lassen sich ganz eindeutig anstecken.“

Öl hat zunehmend ein Image-Problem

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